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SpiderMAEN – Mit Spinnenseide „spinnen“ Chemiker um Prof. Dr. Andreas Taubert den Faden vom Gen zum Material

Stefanie Krüger und Prof. Dr. Andreas Taubert im Labor. Foto: Karla Fritze
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Stefanie Krüger und Prof. Dr. Andreas Taubert im Labor. Foto: Karla Fritze

SpiderMAEN heißt – in Anlehnung an die allseits bekannte Superheld-Comic-Figur – ein aktuelles Projekt von Andreas Taubert. Nicht nur die Spinnen, sondern insbesondere die  Spinnenseide faszinieren den Professor und sein Wissenschaftler-Team. Sie spielt deshalb bei ihren neuesten Forschungen eine wichtige Rolle. Dieses Naturprodukt hat viele positive Eigenschaften. So ist die Seide, bezogen auf ihr Gewicht, viermal so belastbar wie Stahl. Und sie kann um das Dreifache ihrer Länge gedehnt werden, ohne zu reißen.

 

Fragt man Andreas Taubert, Professor für Supramolekulare Chemie und Anorganische Hybridmaterialien, nach dem Entstehen des DFG-geförderten Projektes „Recombinant Spider Silk-based Hybrid Materials for Advanced Energy Technology“, so vergleicht er sein Herangehen mit dem von Kindern. „Wir gehen durch die Welt und schauen danach, wo es etwas Spannendes gibt.“ So ist er bei der Suche nach biologischen Materialien auf die besagte Spinnenseide gestoßen. Die Spinnenfäden sind extrem robust, flexibel, biologisch abbaubar, leicht und wasserfest, besitzen aber dennoch ein hohes Wasseraufnahmevermögen. Spinnenseide ist mit einem Durchmesser von 0,0005 bis 0,005 Millimetern mehr als zwanzigmal dünner als ein menschliches Haar und zugleich dreimal so fest wie polymere Kunststoffe. Mit nur 200 Gramm Spinnenfaden könnte man die Erde umspannen. Ein Seil aus Spinnenseide mit nur einem Millimeter Durchmesser trägt eine 80 Kilogramm schwere Person. 

Die DFG-Vorgängerprojekte zielten darauf ab, aus synthetischen Molekülen und unter Verwendung kontrollierter Kristallisationsbedingungen der Biologie angenäherte Hybrid- und Funktionsmaterialien herzustellen. Die Wissenschaftler verwendeten dabei synthetische Polymere und versuchten, beispielsweise mit Kalziumkarbonat, Kalziumphosphat oder Eisenoxid, Hybridmaterialien herzustellen. Diese wiesen durch die Kombination der Eigenschaften der anorganischen Mineralien und der organischen Polymerkomponenten interessante Eigenheiten auf, die sich unter anderem in künstlichen Biomaterialien nutzen lassen. 

Bei dem neuen Schwerpunktprogramm „Erzeugung multifunktioneller anorganischer Materialien durch molekulare Bionik“ mit dem Teilprojekt von Andreas Taubert ist das Vorgehen etwas anders, nämlich materialtechnologischer. Die Wissenschaftler wollen diese biotechnologischen Herangehensweisen auf neue Materialien übertragen, sozusagen den Weg vom Bakterium zum Supraleiter gehen. „Das Bakterium wird zunächst ‚gezwungen‘, Proteine oder Kohlenhydrate, also unnatürliche organische Moleküle herzustellen, was üblicherweise nicht geschieht“, so Taubert. Anschließend wechselwirken die Moleküle mit anorganischen Stoffen, die von biologischen Organismen nicht mineralisiert werden. Um Materialtechnologien realisieren zu können, müssen die Forscher Gene dieser Organismen manipulieren, also neue Proteine herstellen. Sie schlagen damit den Weg vom Gen zum Material ein. Dabei gibt es verschiedene Möglichkeiten. Grundsätzlich aber muss ein nichtbiologisches Anorganikum beteiligt sein. 

Die Spinnenseide, die die Potsdamer Chemiker für ihre Untersuchungen verwenden, stellen ihnen Kollegen aus der Arbeitsgruppe von Thomas Scheibel von der Universität Bayreuth zur Verfügung. Das Seidenkonstrukt, das Andreas Taubert und sein Team für die anschließenden Mineralisationsexperimente verwenden, sieht wie ein Stück Papier oder Filz aus. 

Zunächst konzentrieren sich die Wissenschaftler auf die Entwicklung belastbarer Syntheseprotokolle, die am Schluss ein photokatalytisch aktives Spinnenseide-anorganisches Hybridmaterial liefern sollen. Das Hauptproblem besteht darin, dass Spinnenseide nicht löslich ist. Was die materialtechnologische Seite betrifft, so besteht die Herausforderung für die Forscher darin, eine verarbeitbare Form hervorzubringen. Denn mit einem „unlöslichen Klumpen“ können sie wenig anfangen. Also muss das Material in einen Zustand versetzt werden, der den Wissenschaftlern eine sinnvolle Verarbeitung gestattet. Inzwischen ist es möglich, Fasern zu spinnen, aber auch Filme, Gele und Kapseln aus den Spinnenfäden herzustellen. 

Die Chemiker wollen in eine neue „Eigenschaftswelt“ vorstoßen, und sie sind davon überzeugt, auf dem richtigen Weg zu sein. „Wenn wir diese Technologie-Transfer-Vision im Auge behalten, dann ist nach dem Auslaufen des Projektes 2016 ein Nachfolgeantrag möglich“, sagt Andreas Taubert. Das Schreiben von Anträgen hält der Wissenschaftler im Übrigen für sehr sinnvoll und von großem Nutzen. Man müsse sich intensiv mit der Thematik beschäftigen und sei gezwungen, sich über den aktuellen Wissensstand zu informieren, um eine Nische zu finden, die es erlaubt, sich von anderen abzusetzen. Die Messlatte sei anders als beim Schreiben von Publikationen. Auf diese Weise haben die Chemiker auch ihr für die Grundlagenforschung so wichtiges Projekt mit der exotischen Kombination von Spinnenseide und anorganischem Material entwickelt.

Die Wissenschaftler

Prof. Dr. Andreas Taubert studierte Chemie in Basel. Er promovierte 2000 in Mainz zum Thema „Polymerkontrollierte Mineralisation von Zinkoxid“. 2006 wurde er Juniorprofessor an der Universität Potsdam und am Max-Planck-Institut für Kolloid- und Grenzflächenforschung. Seit 2011 hat er die Professur für Supramolekulare Chemie und Anorganische Hybridmaterialien an der Universität Potsdam inne.

Kontakt

Universität Potsdam, Institut für Chemie
Karl-Liebknecht-Str. 24–25, 14476 Potsdam
E-Mail: ataubertuni-potsdamde 

Stefanie Krüger studierte Chemie an der Universität Potsdam. Seit März 2014 ist sie Doktorandin in der Arbeitsgruppe von Andreas Taubert und beschäftigt sich mit dem Thema: „Spinnenseiden-basierte anorganische Funktionsmaterialien“.

Kontakt

E-Mail: stefan06uni-potsdamde

Text: Dr. Barbara Eckardt, Online gestellt: Agnes Bressa
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktion@uni-potsdam.de

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