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Ekel und Zwangsstörungen

Hier finden Sie eine Übersicht über die Themen Ekel und Zwangsstörung. Für eine Übersicht zu dem Thema Ekelassoziierte Störungen und deren Behandlung möchten wir auf folgendes Buch hinweisen:

Veränderung von pathologischem Ekelerleben

Ekel ist eine aufrechterhaltende Emotion von verschiedenen psychischen Erkrankungen. Die Qualität von Ekelgefühlen und damit einhergehendem Kontaminationserleben ist gekenzeichnet durch eine Rigidität im Veränderungserleben. Ekel wird daneben oft im Rahmen der Diagnostik übersehen oder von im Selbsterleben als diffuses Erleben nicht erkannt. Aus diesen Gründen ist es wichtig, konkrete Strategien zu entwickeln, die Ekel- und Kontaminationserleben direkt verändern. In den bisherigen  Studien konnten wir zeigen, dass adaptierte kognitive Strategien und Imaginatives Umschreiben (Fink, Pflugradt et al., 2018; Fink & Exner, 2019), sowie Selbstmitgefühlsbasierte Strategien (Fink-Lamotte, Platter, Stierle et al., 2022), und Strategien, die kognitive und imaginative Strategien kombinieren, wie CRIM (Fink-Lamotte, Kursim & Exner, 2023), dabei helfen Ekel- und Kontaminationserleben direkt zu verändern. 

In weiteren Studien haben wir untersucht inwiefern technische Hilfsmittel, wie transkranielle Gleichstromstimulation (tDCS) dabei hilft, den Effekt der Strategien zu verbessern (Fink & Exner, 2019; Fink & Exner, 2019a, Parastoo et al., under review).

Weiterführende offene Fragen, die im Rahmen der Forschung in der Arbeitsgruppe bearbeitet werden sind:

  • Welche Mechanismen des Ekelerlebens können mit welchen Strategien am besten verändert werden?
  • Welche Effkete zeigen die Strategien als single-session Interventionen in klinisch-naturalistischen und klinsich-randomisierten Studien?
  • Was sind die langfristigen Effekte der Strategien?

Kooperationspartner:innen:

Eingesetzte Interventionen (Verwendung frei verfügbar)

Zur Diagnostik von rigidem Kontaminations-/Ekelerleben (Fink-Lamotte, Bieber, Jordan & Exner, submitted):

Zur Behandlung von Kontaminations-/Ekelerleben:

Vorgeschlagene Indikationsmatrix zur Behandlung von Ekel

ObjektekelKontakt-KontaminationExpositionsverfahrenSpezifische Phobien (Spinnen, Schlangen, Erbrechen, Blut- und Spritzenphobie), Zwangsstörung, Essstörungen
Kognitive Verfahren

Mentale
Kontamination

Imaginative VerfahrenPosttraumatische Belastungsstörung, Zwangsstörung, Essstörungen
Selbstekel Mitgefühlsbasierte VerfahrenHauterkrankungen, Essstörungen, Borderline-Persönlichkeitsstörung, Depression, Sexuelle Dysfuntionsstörungen

 

Untersuchung störungsaufrechterhaltender ekelspezifischer Mechanismen 

Es werden verschiedene Mechanismen diskutiert, die durch die Ekel direkt oder indirekt psychische Störungen beeinflusst und aufrechterhält. Hierzu zählen

  1. Reizbezogene Aspekte, wonach Ekel direkt durch das Erleben der Emotion z.B. starkes Vermeidungsverhalten auslöst, was durch Rückkopplungsprozesse zur Psychopathologie beiträgt.
  2. Selbstekel, wonach durch Abwertung durch sich selbst oder Andere, Ekel über die eigene Persönlichkeit oder das eigene Selbst erlebt wird. Im Sinne von schematischen überdauernden Attributionen, kann dies zur Entwicklung von Psychopathologien beitragen.
  3. Moralischer Ekel, wonach  die Verletzung von Normen und Regeln zu Abscheu und Ekel führt, der zu Ablehnung, Vermeidung und Rückzug führen kann.
  4. Kognitive Verzerrungen (wie die Sympathetischen Magischen Gesetze), wobei Ekel die Wahrnehmung und das Erleben beeinflusst und durch die selektive verzerrte Wahrnehmung auch das emotionale Erleben verändert bzw. verstärkt wird.

Im Rahmen unserer Forschung setzen wir bisher insbesondere bei den Reizbezogenen Aspekten (Fink-Lamotte, Lüders & Exner, 2020) und bei den kognitiven Verzerrungen an. Hierbei untersuchen wir, inwiefern ekelspezifische kognitive "magische" Überzeugungen (Fink-Lamotte, Bieber et al., 2024), Aufmerksamkeits- und Gedächtnisbezogene Verzerrungen (Fink, Buchta & Exner, 2018; Fink-Lamotte, Widmann et al., 2021Fink-Lamotte, Svensson et al., 2021), sowie Interpretationsverzerrungen (Fink-Lamotte, Widmann et al., 2020) zur Psychopathologie beitragen. Im Rahmen der Studien nutzen wir Eyetracker und Eye-Tracking Glasses, sowie Messungen der Psychopathologie (EKG und EMG). 

In einem Scoping Review untersuchten wir zudem den Einfluss kultureller Normen und historischer Kontexte auf den Inhalt und die moralische Bedeutung zwanghafter Gedanken (Gitter, Allermann, Fink-Lamotte et al., 2024).

Kooperationspartner:innen:

Aufrechterhaltende Prozesse von Zwangsstörungen: Akkommodationsverhalten, Metakognitionen und Coping

Akkommodationsverhalten ist Hilfeverhalten durch Angehörige oder Freunde von psychisch Erkrankten Menschen, welches kurzfristig hilfreich, aber langfristig störungsaufrechterhaltend ist. Gerade bei Zwangsstörungen wird es oft als hilfreich empfunden, wenn Bezugspersonen kurzfristig nochmal schauen, ob wirklich alle Stecker gezogen wurden, dabei helfen die Wohnung zu desinfizieren oder Umwege fahren, um möglichst nicht zu nah an der Kita vorbeizufahren. In einem ersten Schritt haben wir den Fragebogen der Familien-Akkommodationsskala (FAS) als Betroffenen- und Angehörigenversion ins Deutsche übersetzt (Fischer, Kathmann, Rohr & Fink-Lamotte, in prep.) und eine deutsche Version der FAS für depressive Erkrankungen entwickelt (Fink-Lamotte, Huhn et al., in prep.). In einer ersten großen dyadischen Studie haben wir das Akkommodationserleben und dessen Zusammenhang auf verschiedene Beziehungsparameter getestet: Die Ergebnisse zeigen, dass stärkere Akkommodation mit einer verminderten Beziehungsqualität verbunden ist (Fink-Lamotte, Nolte, et al., 2025). In einem Folgeprojekt (Rohr et al., in prep.) wird untersucht, wie Empathie und Emotionsregulationskapazitäten bei Bezugspersonen deren Akkommodationsverhalten beeinflussen.

Metakognitionen sind Gedanken über Gedanken. Fusionsgedanken, wie die Gedanken-Handlungsfunktionen scheinen wichtige aufrechterhaltende Prozesse der Zwangsstörungen zu sein. Wir untersuchen, inwiefern dadurch Gedächtnisprozesse verändert sind (Fink-Lamotte et al., 2017) und inwiefern diese durch Scham beeinflusst werden (Hansmeier et al., 2023). 

Daneben haben wir untersucht, wie Zwangsstörungen das eigene Copingverhalten beeinflussen (Moritz et al., 2018).

Kooperationspartner:innen:

Statische und dynamische Merkmale von Kontaminationsängsten

Menschen reagieren besonders sensibel auf Bedrohungen, die näherkommen oder sich beschleunigen (Löw et al., 2015). Das sogenannte Looming Vulnerability Model geht davon aus, dass solche Bewegungsmerkmale einer Bedrohung (z.B Geschwindigkeit, Annäherung) eine Form von Erwartungsangst hervorrufen, die in der Forschung als looming vulnerability bezeichnet wird (Riskind, 1997). Wir haben experiementell untersucht, wie solche dynamischen Bedrohungsmerkmale mit dem Erleben von Ekel bei Kontaminationsängsten zusammenhängen.

In unserer Studie (Pelzer et al., 2026) baten wir Teilnehmende, sich ekelerregende Badezimmerszenarien vorzustellen, die sich in Nähe, Geschwindigkeit und Beschleunigung der Bedrohung unterschieden. Das Ergebnis: Dynamische Szenarien wurden als bedrohlicher erlebt als statische. Vor allem Personen mit stärkeren Kontaminationsängsten gaben in  dynamischen Szenarien ein stärkeres Ekelerleben an.

Diese Befunde legen nahe, dass looming vulnerability ein zentraler kognitiver Mechanismus ist, der Ekel verstärkt und zur Aufrechterhaltung der Symptome beiträgt. Daraus ergibt sich die Notwendigkeit, diese kognitiven Prozesse gezielt in therapeutischen Ansätzen zu berücksichtigen.

Aufrechterhaltende Prozesse von Zwangsstörungen: Combined Cognitive Bias Hypothesis

In einem aktuellen Projekt prüfen wir, ob die Combined Cognitive Bias Hypothesis (ursprünglich für Angst und Depression entwickelt) auch auf kontaminationsbezogene Zwangsstörungen (C-OCD) übertragbar ist, eine Form der Zwangsstörung, bei der Ekel eine zentrale Rolle spielt.

 

In einer ersten Studie (Bethcke, …, & Fink-Lamotte, in prep.) nutzten wir eine von uns entwickelte ekelbezogene Version der Scrambled Sentences Task in Kombination mit Eye-Tracking und Gedächtnistests. Erste Ergebnisse zeigen, dass kognitive Verzerrungen (Aufmerksamkeit, Interpretation, Gedächtnis) mit Ekelsensitivität und C-OCD-Symptomen zusammenhängen. Das hypothetische Interaktionsmodell (Aufmerksamkeit → Interpretation → Gedächtnis) übertraf das einfachere Modell jedoch nicht.

Eine zweite Studie validiert verschiedene Verfahren zur Messung ekelbezogener Interpretationsverzerrungen, um das verlässlichste Instrument für Forschung und klinische Anwendung zu bestimmen.

Darauf aufbauend ist eine dritte Studie geplant, in der wir Interventionen entwickeln, die gezielt ekelbezogene kognitive Verzerrungen verändern sollen.

 

Kooperationspartner:innen: