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Mein Auslandssemester in Bogotá

Ein Lehramtsstudium Spanisch ohne Vorkenntnisse zu beginnen, bedeutet zunächst erst einmal viel Arbeit, um die Sprache zu lernen. Dies wird auch nicht vollständig ohne einen Auslandsaufenthalt gelingen. Daher habe ich mich entschieden, so früh wie möglich ins spanischsprachige Ausland außerhalb Europas zu gehen. Lateinamerika mit seiner sprachlichen und kulturellen Vielfalt macht einen sehr wesentlichen Teil des iberoromanischen Raums aus und die Entscheidung für Kolumbien war eine Entscheidung für ein Land zwischen Konflikt und Frieden, geprägt von sozialer Ungleichheit, von ethnischer Bandbreite, landschaftlicher Schönheit, menschlicher Offenheit und Freundlichkeit und einer weitreichenden Tanzkultur. All diese Aspekte führten mich zur Bewerbung für das Sommersemester 2018 an der Universidad Nacional de Colombia in Bogotá.


Studienfach: BA Französisch und Spanisch Lehramt

Aufenthaltsdauer: 01/2018-06/2018

Gastuniversität:Universidad Nacional de Colombia

Gastland:Kolumbien

Vorbereitung des Auslandsstudiums

Nach Einsenden der Bewerbungsunterlagen, die unter anderem ein Motivationsschreiben in beiden Sprachen, einen tabellarischen Lebenslauf und einen Nachweis für die Sprachkenntnisse umfassten, wurde die Eignung in einem Gruppengespräch mit noch zwei anderen Bewerbern geprüft. Eignung könnte dabei ein weitgefasster Begriff sein, denn wie weiß man schon, ob jemand tatsächlich für die Herausforderungen eines solchen Auslandssemesters „geeignet“ ist? Ich habe selbst erlebt, wie jeder Student und jede Studentin ein individuelles Erlebnis daraus macht. Eine Erfahrung ist es allemal, nicht nur eine Erfahrung- es sind unzählige wertvolle Erfahrungen, die je nach Person in verschiedene Richtungen orientiert sein können. Und daher sollte man sich auch vorher gut mit der jeweiligen Universität auseinandersetzen, denn vor allem in Kolumbien ist jede Hochschule durchaus anders orientiert und passt nicht zu jedem Studierenden. Auch die Städteauswahl sollte beachtet werden. Jede Stadt hat ihr Ambiente und eine Mentalität, ihr eigenes Klima, ihren eigenen Dialekt. Bogotá ist nicht der einzige Standort. Vielleicht der Standort mit dem größten Campus der Universidad Nacional und dem am breitesten aufgestellten Studienprogramm.

Aber durchaus gibt es gute Alternativen, wenn man zum Beispiel eine als klimatisch und menschlich wärmer deklarierte Stadt präferiert. Nach der Zusage vom International Office und einer eher formalen Bewerbung an der Gastuni in Bogotá, erhielt ich die endgültige Zusage und konnte meinen Flug buchen und ein Visum für Studenten beantragen. Da ich vorhatte, mich länger als 180 Tage im Land aufzuhalten, hätte ein Touristenvisum nicht ausgereicht. Allerdings sollte beachtet werden, dass man sich bei dieser Art von Visum bei der Migración in Bogotá eine Cédula de Extranjería (eine Art kolumbianische Identitätskarte) ausstellen lassen muss, welche ungefähr 60€ kostet, aber eine Vergünstigung bei vielen Eintritten in Nationalparks etc. mit sich bringt. Über die Visa - Arten und welches man davon je nach Intention des Aufenthalts benötigt, wird gut per Email durch das International Office (Oficina de relaciones internacionales) in Bogotá kommuniziert. Andere Angebote wie zum Beispiel ein kostenfreier Sprachkurs in der Einführungswoche stehen ebenfalls zur Verfügung und sind sehr empfehlenswert. Impfungen, die sinnvoll wären, standen bei mir nicht aus und eine Gelbfieberimpfung, die man in Kolumbien haben sollte, muss man sich vorher nicht in Deutschland geben lassen, sondern kann das jederzeit in Bogotá direkt am Flughafen erledigen lassen. Krankenversicherungen gibt es einige, deren Leistungen man im Voraus vergleichen sollte und im Internet schnell und unkompliziert abschließen kann. Ich persönlich war mit HanseMerkur zufrieden. Auf jeden Fall ist es notwendig, in der Uni in Kolumbien eine Bescheinigung einer Auslandskrankenversicherung vor der Ausstellung des Studentenausweises vorzulegen.

Studium

Der Campus der Universidad Nacional ist von großem Ausmaß, fast so als wäre es eine eigene Stadt. Mit eigenem Konzertsaal, Theater, Kuhweide und während des Semesters kann man sich die Pausen an einem der vielen Essensstände vertreiben, wo von Studenten von Sandwiches über Kaffee und Süßigkeiten bis hin zu Burritos alles angeboten wird. Wie es in einer Stadt auch sein muss, ist nicht nur die Elite vertreten, die in ihrer „Bubble“ am Unileben teilnimmt, wie es des Häufigeren an Privatunis in Kolumbien vorkommt, sondern alle Bevölkerungsschichten. Es lässt sich aber dennoch der politische Wind von links spüren, der durch die Uni weht und auch der Konsum von gewissen Substanzen macht den alternativen, aber sehr lebhaften Campus im ganzen Land bekannt. Wenn man über die vielen Grasflächen und Wege schlendert, kann man an manchen Ecken Gitarrenmusik hören, an einigen Bäumen sieht man Slacklines oder Tuchakrobatik. Jeden Donnerstagabend kann man sich zu anderen Studenten ans Lagerfeuer gesellen und das eine oder andere auf den Uni Campus geschmuggelte Bier genießen.

Anschluss zu finden fällt auch nicht schwer, da man erstens deutlich weniger Kurse belegt als in Deutschland (zwischen 2 und 5), dafür aber mehr Stunden mit den gleichen Kommilitonen im Kurs verbringt. Außerdem sind die Veranstaltungen viel interaktiver, geprägt von Gruppenarbeit und anderen kreativen Methoden; allerdings auch vom Dozenten abhängig. Drittens sind die meisten Kolumbianer sehr aufgeschlossen und interessiert an ausländischen Studierenden. Man sollte sich allerdings bewusst machen, dass viele Studierende jünger sein können, da die Schule in Kolumbien schon eher beendet wird und somit die 16 oder 17- jährigen schon voll im Unileben angekommen sind. Bei der enormen Auswahl an Veranstaltungen dürfte für jeden etwas dabei sein. Zusätzlich kann man sich auch selbst ein Bild machen und nach dem erstmaligen Besuch die Kurse mit in den Stundenplan aufnehmen oder doch wieder entfernen, um Zeit zu finden für die vielen anderen Angebote wie Sport- oder kostenlose Tanzkurse.

Allerdings sollte man auch nicht mit zu viel Freizeit rechnen, wenn man gewissenhaft lernen möchte. Ich habe keine Power Point gesehen, die vom Dozenten auf die Uni Plattform geladen wird und die ich mir vor einer Klausur hätte anschauen können. Ein Großteil der Leistungserbringung erfolgt durch kontinuierliche Arbeit über das ganze Semester. Das heißt Zwischenprüfungen und abschließende Hausarbeiten, aber vor allem sehr viel lesen- und das dauert mindestens doppelt so lang wie bei den Muttersprachlern- ganz zu schweigen von den Zusammenfassungen, Kritiken oder Aufsätzen, welche dann über das jeweilige Buch verfasst werden sollen. Voll beladen mit Kopien der Bücher in meinem Rucksack (denn Ausleihen der Bücher- wenn überhaut vorhanden- ist eher selten der Fall) machte ich mich zum Lesen immer auf in eine der unzähligen Bibliotheken, vorausgesetzt ich brauchte das WLAN nicht zwingend, denn dies war nicht immer zu 100% funktionstüchtig. Das Lesepensum war also ausgesprochen hoch und die Zeit knapp, aber dies ist auch sehr abhängig von Studiengang und Kurs und letztendlich habe ich dadurch mein Sprachvermögen in Leseverstehen und schriftlichem Ausdruck extrem verbessern können.

Sprachkenntnisse vor und nach dem Auslandsaufenthalt

Da ich Spanisch auf Lehramt studiere, waren meine Sprachkenntnisse vor dem Auslandsaufenthalt bereits so, dass ich mich durchaus verständigen konnte, aber alles doch sehr brav übersetzt klang, wie mir im Nachhinein gesagt wurde. Meinen Wortschatz konnte ich enorm erweitern und auch der Redefluss stellte sich mit der Zeit ein. Man muss allerdings bemerken, dass es auch sehr auf die Quantität der Berührungspunkte zu ausländischen Studierenden ankommt, wie viel man letztlich Spanisch spricht und wie sehr man sich dadurch verbessert. Deshalb habe ich versucht, bewusst den Kontakt zu Deutschen zu vermeiden, obwohl vor allem durch die Einführungstage am Anfang gewisse Verbindungen entstehen, die ich auch nicht missen möchte.

Wohn- und Lebenssituation

So habe ich mir auch bewusst ein Zimmer in einem Haus gesucht, in dem ausschließlich Muttersprachler gewohnt haben. Es ist zu empfehlen, sich ein Zimmer vor Ort zu suchen, da es sehr schwierig ist, von Deutschland aus die Wohnsituation einzuschätzen. Um den Campus herum hängen viele Zettel aus, die Wohnungen/ Zimmer für Studierende anbieten und es gibt auch einige Facebookgruppen wie z.B. Bogotá Schort Term Rentals. Die Kosten belaufen sich meist auf ca. 200€, je nachdem was und wo man sucht. Ich persönlich bin zu meinem Zimmer über tausend Ecken durch Bekannte gekommen, die wieder Leute kannten (so wie es eben immer in Kolumbien läuft). Zu den Lebensunterhaltungskosten ist zu notieren, dass das Leben in Kolumbien an vielen Ecken deutlich günstiger ist, vor allem was das Essen in Restaurants angeht (Supermärkte meist ausgenommen) und man auf der einen Seite in Bogotá alles erwerben kann, was man möchte, aber vor allem beim Reisen in anderen Regionen des Landes die Auswahl dann oftmals doch begrenzt ist. In Uninähe gibt es super viele Restaurants, die jeden Tag ein Menú del día anbieten für 7000 bis 8000 Pesos, was ungefähr 2,50 entspricht. Das Menü umfasst eine Suppe oder Früchte als Vorspeise, Reis, eine Fleischsorte, verschiedenes Gemüse und Beilagen sowie frischen Saft und variiert jeden Tag etwas.

Die Verkehrssituation in Bogotá ist eher kompliziert, da die Stadt mehr als doppelt so viele Einwohner wie Berlin hat, aber kein U-Bahn-System etabliert ist, sondern man sich an die meist sehr überfüllten Busse gewöhnen muss und daher mit langen Fahrzeiten gerechnet werden muss. Allerdings sind oft auch Taxis sinnvoll, die sehr preiswert sind und die Taxi- App Uber, die noch günstiger ist (auch wenn sie offiziell eigentlich illegal ist, aber trotzdem überdurchschnittlich viel genutzt wird).

Freizeitangebote sind jede Menge vorhanden. Kolumbien hat ein sehr lebendiges und ausgeprägtes Partyleben, bei dem von Salsa über Bachata, Regatón und Merengue bis Techno alles dabei ist. Neben den kostenlosen Tanzstunden in der Uni habe ich auch eine Academia de baile mehrmals in der Woche besucht und war auf vielen Salsa-Veranstaltungen, denn Kolumbien ist für seinen Salsa-Tanz in der ganzen Welt berühmt. Es gibt in vielen Theatern Eintrittskarten für Studierende zum halben Preis (sehr empfehlenswert ist das Teatro Colón, eines der schönsten Theater in Lateinamerika) und auch Kinokarten lassen sich sehr günstig erstehen.

 

 

Studienfach: BA Französisch und Spanisch Lehramt

Aufenthaltsdauer: 01/2018-06/2018

Gastuniversität:Universidad Nacional de Colombia

Gastland:Kolumbien


Rückblick

Zusammenfassend ist also festzuhalten, dass sich ein Auslandssemester aus sprachlicher sowie aus kultureller Perspektive sehr lohnt. So schließt wahrscheinlich fast jeder Erfahrungsbericht ab, aber es gibt auch keinen Grund, etwas anderes zu behaupten. Ich habe so viel von einem so spannenden Land kennengelernt und die Menschen sind so herzensfreundlich (das ist kein übertriebener Stereotyp), dass die einzige Gefahr ist, bleiben zu wollen. Rückblickend lässt sich noch sagen, dass es durchaus sinnvoller ist, im deutschen Wintersemester nach Kolumbien zu gehen, da die Semester dort von Ende Januar bis Anfang Juni bzw. von Mitte August bis Anfang Dezember dauern. Es war nicht besonders einfach, mein vorheriges Semester in Potsdam so zu organisieren, dass ich die benötigten Leistungspunkte erhalten konnte, da ich durch das schon beginnende Semester in Bogotá keine Klausuren im Februar schreiben konnte und auch einen Teil der Hausarbeiten in Kolumbien parallel zum neuen Semester noch beenden musste.