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Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes

Als ich mich vor mehr als einem Jahr dazu entschied, ein Semester im Ausland zu verbringen, hatte ich nicht den kleinsten Schimmer von dem, was mich erwarten sollte. Nach kurzer, aber intensiver Recherche und einem kurzfristigen Termin bei meinem Koordinator stand mein Ziel fest: Frankreich. Zugegebenermaßen nicht das erste Land meiner Recherche, letztlich aber das Beste, zumindest meinen Anforderungen entsprechend. Ich bewarb mich erfolgreich um den Platz an meiner Heimatuniversität und konnte mich danach relativ lange zurücklehnen, schließlich würde ich erst in einem knappen Jahr gehen. Ich begann mit Sprachkursen an der Uni meine Französisch-Kenntnisse aus der Schule zu reaktivieren und wieder aufzufrischen. Glücklicherweise war ich nicht dazu verpflichtet, ein entsprechendes Level zertifiziert nachzuweisen. Ich hatte an Rennes 2 die Möglichkeit einen Sprachkurs begleitend zum Studium zu absolvieren. Allerdings empfahl die Universität mindestens ein Sprachniveau von B1 zu haben, um dem Unterricht folgen zu können. Dieses würde ich zumindest ansatzweise bis zum Start im Januar haben, so zumindest mein Plan, und alles andere, davon war ich überzeugt, könne ich immer noch in Frankreich lernen. Der restliche Bewerbungsprozess an der Gastuni verlief sehr unkompliziert und war ausschließlich formaler Natur, sodass ich die Zusage erwarten konnte, als sie schließlich Anfang Herbst endlich kam.


Studienfach: Geschichte, Politik und Gesellschaft

Aufenthaltsdauer: 01/2023 - 06/2023

Gastuniversität: Université de Rennes 2

Gastland: Frankreich

Studium an der Gastuniversität

Die ersten drei Wochen des neuen Semesters erinnerten mich sehr an meine Schulzeit und dienten allgemein der Eingewöhnung. Die Gastuni hatte für uns Internationals Ausflüge und Rundgänge geplant, danach hatten wir zwei Wochen Zeit, um so viele Kurse wie möglich auszuprobieren, bevor wir uns in unserer Auswahl festlegen mussten. Die waren auch äußerst hilfreich, da so manche Kurse doch interessanter waren als zuerst angenommen oder eben das Gegenteil. Darüber hinaus erhält man so einen guten Einblick in die Organisation und den Aufbau der Lehrveranstaltungen, die sich von ihrer Ausarbeitung doch von deutschen Seminaren und Vorlesungen deutlich unterscheiden. So werden, ich kann hierbei nur für den Fachbereich Geschichte sprechen, Vorlesungen teilweise wortwörtlich als Vorlesung verstanden, PowerPoints sind Mangelware und für jemanden, der die Sprache noch nicht fließend spricht, kann das erstmal angsteinflößend wirken – letztlich konnte ich mich doch ganz gut zurechtfinden. In dieser Zeit empfiehlt es sich, die Dozierenden direkt anzusprechen, meist konnten wir aushandeln, dass wir andere Prüfungsleistungen erbringen konnten. Ich habe auch die Erfahrung gemacht, dass die meisten Dozierenden sehr zuvorkommend sind gegenüber den ausländischen Studierenden. Nur mit der Sprache war es zu Beginn etwas schwierig, nicht alle Dozierenden sprechen (gut) Englisch. Doch man kann sich verständigen. Ich selbst entschied mich meine Kurse zur Hälfte auf Englisch und zur Hälfte auf Französisch zu wählen. Hier sollte angemerkt werden, dass die Auswahl an englischsprachigen Kursen doch äußerst begrenzt ist, man sich aber davon nicht abschrecken lassen sollte. An der Université de Rennes 2 konnte ich das erste Mal nun echtes Campusleben, wie es zum Teil in Filmen präsentiert wird, erleben. Es macht schließlich doch einen Unterschied, ob sich alles an einem Ort konzentriert. Ich hatte zum ersten Mal das Gefühl, mehr als nur eine Matrikelnummer zu sein, und ein ganz bestimmter Charme ging vom Campus- und Uni-Leben hervor. Und das obwohl manche Gebäude und Seminarräume mir teils das Gefühl gaben, als könnte es in ihnen spuken. Rennes 2 überzeugte mich wahrlich mit inneren Werten. Was ich zunächst nicht wusste und erst dort erfuhr: Rennes 2 ist sehr politisch. Es gibt eine starke linke Szene und viele studentische Organisationen und Vereinigungen, die das Studentenleben durchaus erträglicher machen. Zum Beispiel gibt es organisiertes Food Sharing, eine studentische Arztpraxis, eine kleine Crêperie, die jeden Mittwoch gratis Crêpes und Galettes verteilt und noch einiges mehr. Viele Studis an Rennes 2 sind sehr engagiert, was wirklich sehr erfrischend und inspirierend war. Daher ist es auch nicht überraschend, dass die französische Streik- und Protestkultur auch stets auf dem Campus stattfand. Der Zeitpunkt meines Auslandssemesters hätte für mich persönlich nicht günstiger sein können: Denn im Frühjahr 2023 starteten landesweit die Proteste gegen die Rentenreform. Und natürlich war Rennes 2 hierbei ganz vorne mit dabei und die Studierenden ließen eine alte prä-Covid Tradition wieder neu aufleben: le blocus. Ob ein Blocus (Blockade) veranstaltet werden sollte, wurde in der Assemblée générale beschlossen. Alle Studierenden trafen sich dafür auf dem Campus und gemeinsam wurde diskutiert und abgestimmt, ob die Uni blockiert werden sollte. Mit großer Mehrheit fand Anfang Februar der erste von insgesamt drei Blocus-Aktionen statt. Alle Studierenden und Lehrenden wurden dafür aus den Räumlichkeiten gescheucht und mit Tischen und Stühlen wurden die Eingänge zu den Gebäuden blockiert und der Lehr- und Lernbetrieb auf Eis gelegt. Bereits vor der ersten Blockade kam es streikbedingt zum Ausfall von Lehrveranstaltungen. Es war sehr aufregend und beeindruckend dies zu beobachten, es erschwerte aber auch den Uni-Alltag. Denn nach der ersten Blockade war der Lehrbetrieb für mehr als eine Woche eingestellt, womit leider auch ein zentraler Anlaufpunkt für ein soziales Leben auf einmal wegfiel. Ich möchte nicht leugnen, dass ich mich insbesondere in der Anfangszeit sehr einsam und allein gefühlt habe. Dies sollte sich erst noch ändern, und am Ende war ich schließlich selbst auf den Manifestationen gegen die Rentenreform (und gegen bzw. für ganz viele andere Sachen) mit dabei. Viele Kurse hatte ich deshalb nicht, es ist nicht so, dass ich sie geschwänzt hätte, sie haben einfach nicht stattgefunden. Ausgenommen davon waren nur die Sprachkurse, die mit Biegen und Brechen versucht wurden aufrechtzuerhalten. Teils sogar als Online-Kurs. (Quelle misère!) Mittlerweile habe ich mich damit abgefunden, dass ich vermutlich nie ein normales Semester haben werde, aber wo wäre dann auch der Spaß. Es sei auch angemerkt, dass Organisieren und Ordnen, was dem Deutschen gerne nachgesagt wird, mir teilweise doch gefehlt hat. Ich möchte ein Beispiel nennen: Gegen Ende der Vorlesungszeit hat eine Prüfung stattgefunden. Im Gegensatz zu Lehrenden an meiner Heimatuni, die Prüfungstermine meist bereits am Anfang direkt kommunizieren, lief es an Rennes 2 etwas anders. Nicht nur, dass es hier vorkam, dass Klausuren teilweise bereits vor der regulären Examensphase, also mitten in der Vorlesungszeit, geschrieben wurden, die Termine wurden auch eher kurzfristig bekannt gegeben. Auch hier sei zu danken, dass ich mich mit Locals aus meinen Kursen angefreundet hatte. So erfuhr ich an einem Dienstag im April, dass ich am Samstag Klausur schreiben würde. Eine offizielle Meldung des Profs kam erst, nachdem ich nachgefragt hatte, da es sich bis dato um ein Gerücht gehandelt hatte. Da es eine der französischen Lehrveranstaltungen war, wollte ich nachfragen, ob ich ein Wörterbuch verwenden dürfte. Ich durfte und hatte ebenfalls die Freiheit, meine Antworten auf Englisch zu formulieren. Mein Französisch hätte zu jenem Zeitpunkt noch nicht ausgereicht, vor allem, da ich sowieso kaum Unterricht bis dato hatte, da ständig alles ausgefallen ist.

Wohn- und Lebenssituation

Kurz etwas zu der Stadt: Rennes ist recht groß, aber doch überschaubar und wunderschön. Es gibt zwei Metrolinien, die dich innerhalb weniger Minuten von einem Teil der Stadt in den nächsten bringen. Es gibt viele Bars, schöne Parks und ein paar kleine Clubs. Zum Frühling finden regelmäßig kostenlose Open-Airs statt (alle Infos dazu in der Facebook Gruppe TEK A RENNES) und immer bei Schönwetter gibt es einen süßen kleinen Büchermarkt im Zentrum. Allerdings ist Rennes auch eine kleine linke Hochburg, was ich persönlich sehr angenehm fand, es aber an manchen Stellen doch etwas (von beiden Seiten) zu weit ging. Tränengas und brennende Mülltonnen gehörten ebenso zum Stadtbild wie die kleinen Gassen mit den alten Häusern im bretonischen Fachwerkstil. Und anders als in Deutschland kann man in jedem noch so kleinen Geschäft mit Karte zahlen. Daher erübrigt sich die Anschaffung eines eigenen französischen Bankkontos, wenn man nur für wenige Monate dort ist. Allerdings sei anzumerken, dass man für viele Veranstaltungen, wo man Tickets im Voraus kaufen musste, eine französische Kreditkarte brauchte. Allgemein ist es sehr von Vorteil eine Kreditkarte zu besitzen. Auch hier war es praktisch französische Freunde zu haben. Und Villejean/Kennedy sind nur semi empfehlenswert zum Leben und Wohnen, es sind die Plattenbauviertel von Rennes. Auch wenn die Nähe zur Uni reizt, in Kennedy möchte man nachts nicht mehr alleine unterwegs sein. Das Studentenwohnheim Alsace ist okay, auch wenn es bei der Uni direkt liegt, da direkt vor der Haustür auch die Metrostation ist. Und auch die Bretagne sollte jede:r Erasmusstudi mal gesehen haben, die lohnt sich definitiv zu erkunden und ist wunderschön, ob Crozon oder St. Malo, und Douarnenez, und noch viele weitere kleine Orte eigenen sich ideal zum Wandern, Baden und Entspannen.

Studienfach: Geschichte, Politik und Gesellschaft

Aufenthaltsdauer: 01/2023 - 06/2023

Gastuniversität: Université de Rennes 2

Gastland: Frankreich


Rückblick

Schweren Herzens bin ich Anfang Juni wieder in den Zug Richtung Deutschland gestiegen. Ich hatte wunderbare Menschen kennengelernt und auch mich selbst. Ich konnte einfach nur ich selbst in Frankreich sein. Die Stadt, das Land und die Menschen haben dafür gesorgt, dass Rennes zu einem zweiten Zuhause für mich geworden ist. Am Ende sagte ich zu meinem französischen Freund (und den andern): Je suis tombée amoureuse avec ma vie en France. Ich bin ehrlich, hätte ich nicht zurückgemusst, wäre ich definitiv noch länger geblieben und ich möchte definitiv wieder nach Frankreich zurückkehren. Ob wieder nach Rennes oder woanders hin, dass weiß ich nicht. Fürs erste hoffe ich, dass ich im Sommer Besuch aus Frankreich bekomme, denn ich hätte nicht gedacht, dass ich dort Freunde und Gefährten finde, die ich mein ganzes Leben behalten möchte. Am liebsten hätte ich sie allesamt in meinen Koffer gesteckt und mitgenommen.  Doch Abschiednehmen gehört zum Erasmus leider genauso dazu und ich werde die Zeit dort sehr vermissen. Ich bereue nicht im Geringsten ins Ausland gegangen zu sein. Im Gegenteil, es war eine der besten Entscheidungen, die ich hätte treffen können. Und naja, was soll ich sagen, im Master gehe ich definitiv wieder. Wer weiß, wohin es mich dann verschlägt…

Tipps für nachfolgende Studenten:

  • Sei wachsam bei der Wohnungssuche, Studentenwohnheim ist nicht das Gelbe von Ei, aber meist günstig und für die paar Monate schon okay.

  • Solltest du bis zu deiner Anreise noch kein Zimmer haben, verzweifle nicht, vor Ort ist es immer noch mal einfacher und WhatsApp- und Facebook-Gruppen sind immer ein guter Anlaufpunkt.

  • Reise leicht: Du brauchst viel weniger Kleidung als du denkst, du wirst eh neue Sachen kaufen.

  • Erasmus ist geil, aber bleib nicht nur in der internationalen Blase, sonst verpasst du was.

  • Du hast Angst vor der Sprache? Mit internationalen Studis lernt es sich am Anfang leichter und stress dich nicht zu sehr, das meiste kommt mit der Zeit (ich selbst habe mich unglaublich verbessert, bin aber noch längst nicht fließend).

  • Klar, du studierst, aber Erasmus ist auch dazu da, andere Erfahrungen zu machen, deinen Blick zu erweitern. Lass dich nicht von der Uni im Ausland so stressen, wie sie es im Inland manchmal tut.

  • Auslandsbafög? Just give it a try, nerviger Behördenkram, der sich aber lohnt und es ging auch relativ schnell.

  • Es ist okay und auch normal, sich hin und wieder einsam zu fühlen.

  • Wenn du nicht sofort Anschluss findest, gib dir Zeit.

  • Facebook-Gruppen sind in Frankreich noch total ein Ding (zb. TEK A RENNES).

  • Versuche, nicht zu viel Arbeit aus Deutschland mitzunehmen.

  • Die Vorbereitungsphase kann sehr stressig sein, insbesondere dann, wenn sich die Semester überschneiden, doch es lohnt sich.

  • Der Abschied fällt schwer.

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