Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Im Januar/Februar 2024, also ein Jahr vor dem Aufenthalt, endete die Bewerbungsfrist (für das darauffolgende akademische Jahr). Im Anschluss wurden über die Monate mehrere, gut strukturierte Informationsveranstaltungen vom Erasmus Büro/International Office durchgeführt. Nach Abschluss der Bewerbungsphase passierte eine Weile erst einmal nichts, bis sich die ausländische Hochschule meldete und die Nominierung bestätigte. Nach dieser Bestätigung muss dann die inscription académique durchgeführt werden (d.h. das Einschreiben an der Hochschule, NICHT die Kurswahl). Da ich im Wintersemester 2024/2025) nach Frankreich gegangen bin (ab Januar, nicht wie in Potsdam ab Oktober), fand irgendwann im September eine Informationsveranstaltung vonseiten der Université Paul Valéry statt, die recht nützlich war, um etwaige Fragen beantwortet zu bekommen. Bei der Anmeldung an der französischen Uni kann man sich auch auf einen Wohnheimplatz bewerben, doch dazu später mehr.
Studium an der Gastuniversität
Frankreich ist leider dafür bekannt, unorganisiert zu sein. So war am Anfang nicht richtig klar, welche Kurse zueinander gehören (normalerweise gibt es immer ein CM (cours magistral; im Prinzip eine Vorlesung) + ein TP/TD (travaux pratiques/travaux dirigés; ähnelt einem Seminar). Das Problem hatte ich zum Glück nicht, dafür hatte ich gewisse Einschränkungen in Bezug auf die Kurswahl. Da ich im département d’allemand (allg. UFR2; ähnelt einer Fakultät) eingeschrieben war, musste ich zwangsläufig ca. 25% der Kurse (sie sind dabei nicht dogmatisch) in Germanistik (LLCER) belegen (Langues, littératures et civilisations étrangères et régionales). Dort hatte ich überwiegend Übersetzungskurse gewählt. Es gibt leider auch die Regel, dass man nur ca. 25% der Kurse an einer fachfremden Fakultät absolvieren darf, wodurch ich nicht die ursprünglich gedachten Kurse in Sprachwissenschaft absolvieren konnte (diese Kurse am ITIC sind eher theoretisch orientiert, die anderen, die ich dann gewählt habe, stammten aus LEA (Langues Étrangères Appliquées, also mit Fokus auf Anwendung der Sprache). Die Kurse haben mir letztlich aber gut gefallen, daher war es nicht so schlimm. Folgende Kurse habe ich belegt (gesamt 29,5 ECTS):
- Analyse de discours : genres, textes et usages (Code TV21SL, Kurs vom ITIC)
- Discours et outils numériques (Code TV22SLS, Kurs vom ITIC)
- Méthodologie documents textuels (Code TW221AL, Kurs LLCER)
- Approches réflexives de la traduction 2 (Code TW223AL, Kurs LEA)
- Aspects linguistiques et discursifs de la traduction (Code TW231YT, Kurs LEA)
- Recherche documentaire pour les traducteurs (Code TW232YT, LEA)
- Le traducteur comme relecteur et écrivain (Code TW233YT, LEA)
- Traduction en langue Française : version – Allemand (Code TW2AYTAL, Kurs LLCER)
- Traduction en langue étrangère : thème – Allemand (Code TW2AYTAL, Kurs LLCER)
Der Vorteil bei Erasmus-Studenten ist, dass man nicht zwangsläufig alle zu einem Code gehörenden Module belegen muss, das sollte aber mit den Dozenten geklärt werden! Der emploi du temps im ENT (Espace Numérique du Travail) ist etwas altmodisch, da muss man sich dann halt durchklicken und die entsprechenden Kurse aus dem jeweiligen Jahr auswählen. Ansonsten hilft es, bei der Vorbereitung nach den infrage kommenden Studiengängen zu suchen (LLCER, LEA, ITIC in meinem Fall, auf Master-Niveau, 1. Jahr, 2. Semester) und dann Kurse daraus auszuwählen und mit dem Erasmus-Koordinator, Hrn. Wellnitz, zu besprechen.
Eine uniinterne Regelung gibt es zusätzlich zum Learning Agreement: Zum einen ein Heft, das innerhalb von ein paar Wochen ausgefüllt werden muss (die Dozenten müssen eure Präsenz in ihren Kursen erlauben und das unterschreiben), zum anderen die inscription pédagogique, die auch in einem Zeitrahmen durchgeführt werden muss (Excel-Tabelle), um sich für die Prüfungen anzumelden. Die Dozenten waren alle nett und die meisten auch gut erreichbar, im Zweifelsfall einfach erneut nachfragen. Der Kontakt zu den lokalen Studis ist nicht immer einfach, aber durchaus möglich (zumal die Leute in Südfrankreich und Montpellier sehr freundlich, hilfsbereit und eher kontaktfreudig sind). Die Atmosphäre in den Kursen war recht schulmäßig orientiert, sprich frontal, Interaktion wie in Deutschland ist eher weniger der Fall (bis auf die Übersetzungskurse, da gab es viel Interaktion). Empfehlen kann ich besonders die Übersetzungskurse und den Kurs zur relecture, dort habe ich am meisten gelernt und die Dozentinnen arbeiten beide auch auf einem hohen Niveau (es sind also keine Chill-Kurse, dafür lässt sich aber auch einiges lernen). Geprüft wurde bei den Übersetzungskursen durch eine Übersetzung von literarischen und journalistischen Texten, bei dem relecture-Kurs gab es mehrere partiels, bei denen verschiedene Texte entsprechend in Bezug auf Rechtschreibung, Zeichensetzung etc. korrigiert bzw. teils stilistisch umgeformt werden sollten. Im Recherche documentaire-Kurs mussten wir ein Dossier ausarbeiten, um zu zeigen, wie wir mit Quellen arbeiten (Evaluation von Datenbanken etc.), das Dossier ist recht umfangreich (ca. 40-60 Seiten) und sollte nicht zu spät angefangen werden (PS: Es geht innerhalb von einer Woche, aber es ist recht viel zu tun dann). Bei den anderen Kursen war es i.d.R. ein kleines Dossier, das gefordert war bzw. das Entwerfen eines Fragebogens und eine kleine Programmieraufgabe zu regulären Ausdrücken im outils numériques-Kurs.
Die Uni hat mehrere Bibliotheken, von denen aber die BU Lettres am relevantesten für uns ist. Die Öffnungszeiten waren ok, die Arbeitsplätze sind hingegen recht schnell ausgebucht, man sollte diese also möglichst früh buchen über die Affluences-App.
Wohnen, Stadt, Leben
Ich habe im CROUS gewohnt (Vert-Bois), dort waren es 9m2 inkl. Bad (Toilette und Dusche) und einem Kühlschrank. Wer noch nie in einem solchen Wohnheim gewohnt hat, dem sei geraten, es sich gut zu überlegen: Es hat einige Vorteile, aber auch viele Nachteile. Zu den Vorteilen:
- Es ist vergleichsweise günstig (ca. 257€ im Monat)
- Es ist förderungsfähig für das Wohngeld, was bei recht hohen Lebensmittelpreisen und generell teureren Lebenshaltungskosten hilfreich ist (CAF; ca. 89€ pro Monat ab Antragsstellung, sollte unbedingt frühzeitig beantragt werden, man kann sich dabei auch helfen lassen; erst nach Einzug möglich; die Bescheinigung gibt es über Mes Services Etudiant)
- Kontakt zu vielen anderen Studenten, gemeinsame Abende und Veranstaltungen (jeden Dienstag und Donnerstag am Abend)
- Zentral zum Campus und zur Sporthalle Motte Rouge gelegen (die résidence Vert-Bois)
- Möglichkeiten, Sport in der Wohnanlage zu machen (Basketball, Tischtennis, Tennis, Trimm-dich-Pfad) und Musik zu spielen (Klavier)
- Das Resto U (Mensa) ist direkt nebenan und bietet mittags Speisen an, abends ist die Brasserie bis ca. 21h offen gewesen
Zu den Nachteilen:
- Es sind 9 Quadratmeter, je nach Schnitt kann das zusätzlich ziemlich eng werden (für ein Semester geht es aber)
- Bei Ankunft im Zimmer ist so gut wie nichts vorhanden, d.h. keinerlei Bettdecken, Kissen, Laken, Handtücher, Seife etc. (bis auf eine kleine Willkommensbox mit Toilettenpapier und Putz- sowie Waschmittel); ihr könnt aber ein Paket für knapp 57€ erwerben mit einer Decke, Laken, Handtuch und Fußmatte fürs Bad; wird im „Bewerbungsprozess“/inscription académique an der Uni abgefragt)
- Die Lage in den Küchen: Auch dort gibt es so gut wie nichts, nur Waschbecken, Induktionskochplatten, Arbeitsplatten und einen Tisch mit mehr oder weniger Stühlen. Sämtliches Geschirr und Besteck sowie Mülleimer und Abwaschzeug müsst ihr euch aber selber besorgen, das gibt es zum Bsp. im C‘est 2 euros-Shop in der Innenstadt ganz gut. Dadurch, dass nichts da ist, muss man gefühlt jedes Mal einen halben Umzug machen, was die Lust am Kochen entsprechend reduziert. Man munkelt jedoch, dass manche auch eine mobile (nicht erlaubte) Herdplatte nutzen, die das Leben entsprechend erleichtern soll.
- Die Lage zum Waschen ist, freundlich gesagt, schlecht. Es gab 5 Waschmaschinen und vier Trockner für ca. 600 Studenten, d.h., einen Slot zu bekommen, ist i.d.R. schwer, man sollte gut 3 Stunden einplanen, bis die Wäsche fertig ist (40 Minuten Wäsche plus 65 Minuten trocknen plus ggf. Wartezeit). Früh (7h) lässt sich am besten waschen. Die Trockner sind auch nicht sehr gut, sodass die Wäsche mal trocken ist, mal auch nicht. Tipp: nicht die Nummer 9 wählen und das Programm ein zweites Mal starten, nach einer kurzen Wartezeit, dann erhöht sich die Zeit auf 90 Minuten. Andernfalls handelt man sich böse Blicke ein, wenn man kurz vor Ende der Zeit nochmal den Trockner starten möchte…
- Ein Tipp zur Bezahlung der Miete: Wer die gut 1100€ nicht auf einmal per Kreditkarte bezahlen kann oder möchte, kann das auch splitten auf zweimal bzw. als Überweisung ausführen (in Absprache vor Ort, dazu einfach nach dem RIB fragen)
Das Leben in Montpellier ist schön, auch wenn mir die Hitze manchmal etwas zugesetzt hat. Einkaufsmöglichkeiten gab es nicht so gut um das Wohnheim herum, am billigsten sind Aldi und Lidl, Monoprix ist ziemlich teuer. Für kleinere Küchen- bzw. Haushaltsgegenstände ist Action empfehlenswert (Haltestelle: Hauts de Massane). Aktivitäten gibt es in Montpellier einige, am besten hat mir der Language Exchange am Mittwochabend gefallen im Panacé, aber auch ELM (Erasmus Life Montpellier, über WA organisiert) und ESN bieten vieles an Ausflügen und Aktivitäten an (z.B. gemeinsames Weintrinken beim Peyrou, Ausflug ans Meer (Carnon Plage), Patisserie-Führungen sowie einige Stadtführungen (Narbonne, Carcassonne) mit einem coolen Guide. Eine Bank habe ich mir nicht gesucht, als Versicherung hatte ich die DAAD-Versicherung. Öffentliche Verkehrsmittel brauchen ca. 30 Minuten bis ins Stadtzentrum, es gibt nur Busse und Trams. Besonders ist aber, dass der ÖPNV kostenlos (aber nicht ohne Kontrollen!) ist, auch für uns. Sobald die attestation de résidence im Briefkasten landet, am besten zur agence neben der Place de la Comédie gehen (die agence ist neben dem Einkaufszentrum Polygone auf linker Seite), das kann dann einen Moment dauern, wird aber vor Ort gemacht und man kann danach direkt kostenlos fahren (entweder physische Karte oder aufs Handy).
Studienfach: Linguistik im Kontext (Master)
Aufenthaltsdauer: 01/2025 - 05/2025
Gastuniversität: Université Paul Valéry Montpellier 3
Gastland: Frankreich
Rückblick
Das Auslandssemester hat sich auf jeden Fall gelohnt, ich kann es daher nur weiterempfehlen. Es ist anfangs einiges an Papier- und Orgakram zu tun, das nervt etwas, aber danach hat man dann ein schönes Semester. Ich kann abschließend nur dazu raten, sich frühzeitig mit seiner Kurswahl auseinanderzusetzen und sich diese bestätigen zu lassen, damit es am Ende keine bösen Überraschungen gibt. Das Erasmus-Büro in Montpellier (und Potsdam) ist aber gut erreichbar und hat uns gut unterstützt. Viel Spaß in Montpellier!
PS: In Montpellier gibt es die „quart d’heure montpelliérain“, sprich regelmäßig 15 Minuten Verspätung bei Verabredungen, verlassen würde ich mich darauf aber nicht :)