Vorbereitung des Auslandsaufenthaltes
Für mich stand schon lange fest, dass ich ein Erasmussemester machen möchte und in meinem Studiengang (Patholinguistik) wird ein Auslandssemester auch empfohlen. Auf der Website meines Studiengangs wurden einige Partnerhochschulen aufgelistet, die eben auch eine Form von Sprachtherapie/ Logopädie anbieten, was günstig für die Kursauswahl ist.
Zuerst bewirbt man sich im Januar ca. ein Jahr vor Beginn des Austausches bei der eigenen Uni um einen Erasmusplatz bei der jeweiligen Gastuniversität und wird dann entsprechend nominiert. Zu allem gibt ausführliche Infos auf der Website des International Office von Potsdam. Die Zusage bzw. das Angebot für einen Erasmusplatz von Seiten der Uni Potsdam kam Mitte Februar und die Nominierung im April. Nach der Nominierung habe ich mich Anfang Oktober bei der Gastuni beworben. Hier war die Website der Åbo Akademi sehr hilfreich und die finnischen Kontaktpersonen waren sehr gut über Email zu erreichen. Für die Bewerbung an der Åbo Akademi benötigte ich: Ausweiskopie/-scan, Leistungsübersicht auf Englisch (absolvierte Kurse an der Uni Potsdam), OLA (Online Language Agreement mit Kursen, die man voraussichtlich besuchen wird). Da ich mich fürs Frühlingssemester beworben habe (Januar bis Mai) war die Bewerbungsfrist der 15.10. und eine Woche später bekam ich schon die Zusage.
In der Stadt Åbo/Turku gibt es 2 große Universitäten: die schwedischsprachige Åbo Akademi und die finnische University of Turku. Dank des „flexible study rights“ kann man Kurse von beiden belegen, das erfordert aber ein extra Formular (was man erst in der Orientierungswoche ausfüllen kann). Es lohnt sich also, in beiden Kurskatalogen nach passenden Kursen zu schauen (https://studiehandboken.abo.fi/en/index?period=2024-2027 und https://opas.peppi.utu.fi/en/degree-studies/14002/o?period=2024-2027)
Zum gesamten Prozess gab ein einige hilfreiche Infoveranstaltungen (vom International Office der Uni Potsdam) und der frühe Kontakt mit der*dem jeweiligen Erasmuskoordinatorin*en ist sehr empfehlenswert.
Studium an der Gastuniversität
Das Frühlingssemester begann Anfang Januar mit der obligatorischen und sehr informativen Orientierungswoche (bei mir ab dem 03.01.). Hier werden wichtige Infos rund um die Kurswahl, Sportkurse und das Leben in Finnland geklärt und man lernt die ersten Austauschstudierenden kennen.
Erst nach abgeschlossener Anmeldung bei der Åbo Akademi konnte ich mich für das „flexible study right“ an der University of Turku bewerben, was wiederum ca. eine Woche zur Bearbeitung brauchte. Zum Teil waren die Einschreibefristen schon abgelaufen, aber meist lässt sich das mit einer kurzen Email an die lehrende Person klären. Allgemein ist der Kontakt mit den Dozent*innen sehr angenehm und es wird oft nur der Vorname genutzt.
Hilfreich ist auch der Kontakt mit einem Buddy/Tutor*in, wofür man sich bei der Bewerbung entscheiden kann. Man ist meist in einer Gruppe und kann wichtige Fragen rund ums Studium und die Wohnsituation klären. Sie helfen meist auch bei der Abholung des „Starting Package“ (ein Paket mit Nützlichem wie Geschirr, Gardinen und Bettdecke-/kissen) (https://www.tyy.fi/en/starting-package-storage).
Für den Studiengang Patholinguistik gab es im Endeffekt nur wenige Kurse, die man sich direkt anrechnen lassen kann. Aber es bietet sich an die Module rund um Psychologie und Pädagogik/Soziologie im Erasmussemester zu erledigen. Je nach Semester gibt es auch verwandte Kurse wie "Psychology of Reading“, „Introduction to Bilingualism“, …, die aber oft einen psychologischen Schwerpunkt haben. Zusätzlich ist ein Sprachkurs in Schwedisch/ Finnisch oder ein ganz fachfremder Kurs zum Ausprobieren empfehlenswert.
Ähnlich wie an der Uni Potsdam gibt es Kurse die eher Vorlesungen oder eben Seminare entsprechen und es wird alles über die Lernplattform „moodle“ koordiniert. Das Bewertungssystem nutzt meist Punkte von 1-5 (wobei 5 der besten Leistung entspricht). Ich hatte ein paar Vorträge und Essays oder Hausarbeiten sowie E-exams. Für die E-exams kann man sich selbstständig einen Zeitslot für das Exam buchen und schreibt in einem Computerraum am PC. Es gibt auch viele „self-study“ Kurse, in denen meist auf moodle Materialien bereitgestellt werden, aber keine Präsenztermine stattfinden. Diese Kurse erfordern gutes Zeitmanagement und ich würde empfehlen, nicht zu viele davon zu belegen.
Insgesamt würde ich sagen, dass Åbo Akademi zum Teil moderner wirkt als die University of Turku. Beide Universitäten haben aber eine gute technische Ausstattung und man kann zwischen vielen Bibliotheken und Mensen wählen. Je Uni gibt es einen Key-Tag, mit dem man die Gebäude außerhalb der offiziellen Öffnungszeiten betreten bzw. verlassen kann. Eine Bibliothek schließt z.B. offiziell um 16 Uhr, ich (und einige andere) war aber dank des Key-Tags auch manchmal bis 21 Uhr in der Bib.
Insgesamt herrscht zwischen den Studierenden und den Lehrenden ein sehr angenehmes Klima.
Kontakte zu einheimischen und internationalen Studierenden
Ich hatte vorrangig Kontakt mit anderen internationalen Studis. Diese hat man schon während der Einführungsveranstaltungen kennengelernt und oft auch bei den ESN Aktivitäten gesehen.
Ich hatte nur Kurse auf English und diese waren auch vorrangig von anderen Austauschstudis besucht. Es gab nur recht selten englischsprachige Kurse, in denen auch einheimische Studis teilgenommen haben. Oft freundete man sich mit anderen aus seinen Kursen an, da man zum Beispiel Gruppenarbeiten zusammen hat und gut zusammen in die Mensa gehen kann.
Es wurde auch ein „International Friendship Programm“ angeboten, um Austauschstudis mit Einheimischen (Studis, Familien, …) zu vernetzen. Das wurde in der Orientierungswoche von Åbo Akademi leider gar nicht vorgestellt, aber ich habe den Hinweis von einer Freundin bekommen (https://www.abo.fi/en/friendship-programme/). Es gab ein tolles Kennlern-Event und die Möglichkeit mit seinem „friend“ kostenlos ein Museum in Turku zu besuchen. Leider habe ich letzteres aufgrund von Zeitmangel nicht genutzt und auch der individuelle Kontakt zu seinem „friend“ kann sehr unterschiedlich laufen.
Über meine Erasmuskoordinatorin habe ich auch den Kontakt zu 3 einheimischen Studis meines Studienfaches (Patholinguistik) bekommen, die in einem folgenden Semester nach Potsdam kommen wollten. Es war sehr toll, sich über das gemeinsame Studienfach und die Unterschiede in der Studien- und Kursplanung auszutauschen. Sie waren auch Teil des Fachschaftsrates für Logopädie (Vocalis) und so wurde wir (ich und eine Kommilitonin aus Potsdam) auch zu internen Studievents, wie z.B. den typischen Sitz-Parties, eingeladen.
Sprachkompetenz vor und nach dem Auslandsaufenthalt
Die Hauptkommunikation während meines Auslandsaufenthalts fand in English statt. Zum einen habe ich englische Kurse belegt und im Kontakt mit internationalen Studis eben hauptsächlich English genutzt. Ich war schon zuvor relativ sicher im umgangssprachlichen Umgang mit Englisch, konnte während dem Erasmussemester aber mein akademisches Englisch verbessern
Turku/Åbo ist genauso wie ganz Finnland zweisprachig (Finnisch, Schwedisch). Ich habe einen Schwedisch Level 1 Kurs belegt, auf dem wir Schwedisch auf A1 Level erlernt haben. Das hat im Alltag geholfen, da z.B. Straßennamen, die Etikette von Lebensmitteln im Supermarkt und alle offiziellen Sachen auch auf Schwedisch angeboten werden. An der schwedischsprachigen Åbo Akademi sprechen natürlich viele Studierende auch Schwedisch, aber ansonsten ist Finnisch schon dominant.
Wohn- und Lebenssituation
Ich habe mich bei TYS um einen Wohnheimplatz beworben (https://tys.fi/exchange-students). TYS wird auch auf der Uniwebsite empfohlen und bietet eindeutig die preisgünstigsten Wohnoptionen, weshalb man sich so früh wie möglich bewerben sollten (bei mir war es ab dem 01.10. und die Bewerbung ging auch ohne die finale Zusage der Gastuni). Sie haben Wohnungen an verschiedenen Standorten und demensprechend verschiedenen Merkmalen. Die Zusage mit einem Wohnungsangebot kam Mitte November. Ich wohnte in einer 3-er WG im „Student Village West“ und war sehr zufrieden damit. Man hatte ein großes eigenes Zimmer mit vielen Schränken, Bett und auch eigenem Kühlschrank sowie eine geteilte Küche und 2 Bäder. Außerdem war die Uni von der Wohnung sehr bequem zu Fuß zu erreichen (zu Åbo ca. 20min, zu UTU ca. 10min) und auch der Fluss Aurajoki und ein kleines Wäldchen waren nur 10-20min entfernt.
Es gibt aber auch ein gutes öffentliches Bussystem (Föli), inkl. App und Studirabatte für verschiedene Tickets. (Wichtiger Hinweis für die Busse: man muss winken bzw. die Hand raushalten, damit der Bus anhält). Ab April bietet Föli auch Fahrräder an verschiedenen Standorten an. Außerhalb von Turku kann man Finnland mit onnibus, Flixbus oder per Zug (https://www.vr.fi/en) bereisen.
Es gibt verschiedene Supermärkte, die unterschiedlich teuer sind: generell ist Lidl meist am günstigsten, dann folgt Prisma (auch Kleidung, Haushalt, …) zusammen mit S-market, und dann K-market. In Turku gibt es auch tolle Second-Hand Läden: UFF (vergleichbar mit Humana) und Haushaltswaren auch in Ekotori oder SPR-Kontti. Man konnte überall mit Karte zahlen, Bargeld habe ich fast nie genutzt. Man musste an der Kasse sogar gar nicht gesondert fragen, sondern es wurde einfach vorausgesetzt, dass mit Karte gezahlt wird.
Besonders am Anfang war das ESN (Erasmus Student Network) sehr hilfreich, um Leute kennenzulernen und an sozialen Events teilzunehmen (Insta: esn_uniturku, esnaboakademi – es lohnt sich beide anzuschauen). Sie organisierten Kennlernevents, Wanderungen, Brettspeilabende und auch größere Reisen wie z.B. nach Lappland. Außerdem gibt es einige Jogging-Clubs in Turku (z.B. Insta: tr.turun) und man kann über den Campus-Sport verschiedene Sportangebote wahrnehmen (https://www.campussport.fi/en/).
Studienfach: Patholinguistik
Aufenthaltsdauer: 01/2025 - 05/2025
Gastuniversität: Åbo Akademi
Gastland: Finnland
Rückblick
Das Erasmussemester war auf jeden Fall eine wertvolle Erfahrung; sei es das Studieren an einer anderen Uni, Kennenlernen internationaler Menschen oder die Möglichkeit den Alltag in einem neuen Land zu erleben. Es war eine tolle Zeit und das Semester ging schnell vorbei, besonders wenn man Studieren und Reisen vereinen will.
Sonstige Hinweise
- Event-Tipps gibt’s bei: ESN (Insta: esn_uniturku, esnaboakademi), opiskelijatapahtumatturussa (leider nur auf Finnisch) oder sucht euren Fachschaftsrat auf Insta (z.B. Logopädie: vocalisrf). Auch im Uni-Newsletter gibt es einige Event-Tipps (lasst eure Uni-Emails ggf. auf eure frequent genutzte Email umleiten)
- Achtet bei der Kursauswahl auf die Zeiträume (soweit die schon einsehbar sind). Pro Semester gibt es 2 „periods“ und manche Kurse finden nur in einer Hälfte statt. Es macht Sinn das gleichmäßig aufzuteilen und mit Reiseplänen abzustimmen.
- Das Mensaessen für 2,95€ (inkl. Salat und Brot) lohnt sich sehr.
- Sammelt Patches und kauft entweder eine Student-Overall (oft teuer) oder einfach second-hand einen Pulli/Jacke/Hose wo ihr die Patches aufnäht.