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Zusammen ist man weniger allein – Die Astrophysikerin Ingrid Pelisoli erforscht, was Doppelsterne aneinander haben und wir von ihnen lernen können

Astrophysikerin Ingrid Pelisoli. Foto: Tobias Hopfgarten.
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Astrophysikerin Ingrid Pelisoli. Foto: Tobias Hopfgarten.

Wenn wir nachts zum wolkenlosen Himmel schauen, sehen wir – oft staunend – Millionen von Sternen. Was wir mit bloßem Auge nicht erkennen: Die meisten von ihnen leuchten nicht allein, sondern als sogenannte Doppelsterne. Mehr als die Hälfte aller Sterne ist Teil eines binären Sternensystems. Ihre Beziehung hat gewaltige Auswirkungen darauf, wie sie sich entwickeln. Die junge Astrophysikerin Ingrid Pelisoli interessiert sich besonders für Weiße Zwerge und Heiße Unterzwerge.

„Auch Sterne werden geboren, leben und sterben – aber auf Zeitskalen, die wir nicht beobachten können“, sagt sie. „Alles, was wir sehen, sind Zustände dieser Entwicklung. Diese können wir allenfalls rekonstruieren anhand von Beobachtungen an Sternen, die sich in späten Phasen ihres ‚Sternenlebens‘ befinden.“ Dafür eignen sich wiederum Weiße Zwerge besonders gut, denn sie sind kleine, kompakte und vor allem alte Sterne. Sie sind das Endstadium der meisten Sterne, deren nuklearer Energievorrat versiegt und deren äußere Hülle abgestoßen ist. „Von diesen fast schon Stern-Fossilien können wir viel über frühere Stadien der Sternentwicklung lernen und auch über die Entwicklung einer ganzen Galaxie.“

Ingrid Pelisoli ist geworden, was sie immer schon werden wollte. „In meiner Erinnerung beobachtete ich eines Abends, ich war vielleicht drei, vier Jahre alt, mit meinem Großvater den Himmel. Ich fragte ihn: ‚Wie viele Sterne sind das?‘ Und er sagte: ‚Mehr als wir zählen können.‘ Dieser Satz begleitet mich bis heute – ich zähle noch immer.“

Dabei wäre es beinahe anders gekommen. Denn nach der Schule bewarb sich Pelisoli für gleich drei Studienfächer – Medizin, Astrophysik und Journalistik – und wurde für alle zugelassen. „Ich liebe das Schreiben und konnte mich nicht entscheiden“, sagt sie. Also studierte sie zwei Fächer: tagsüber Physik, nachts Journalistik, ein Jahr lang. „Dann war ich zu müde und entschied mich doch für die Wissenschaft.“ Ihren Weg hat sie nicht bereut. Von der ersten Studienwoche an auch forschend tätig, musste sie nicht lange überlegen, als sich die Chance bot, nach dem Studium zu promovieren. Ihre Dissertation erhielt 2018 gleich zwei Forschungspreise in ihrer Heimat Brasilien. Ihr Thema: die Jagd nach Weißen Zwergen. Sie wertete Teile der Daten des Sloan Digital Sky Survey (SDSS) aus, bei dem rund ein Drittel des Himmels spektroskopisch erfasst wurde. Dabei gelang es ihr, die Zahl der bekannten Weißen Zwerge um rund 20 Prozent zu erhöhen und neue Erkenntnisse über sogenannte metallarme Sterne gewinnen.

Keine Woche nach der Verteidigung ihrer Arbeit begann sie an der Universität Potsdam – als Mitglied der Gruppe um Stephan Geier, der sich als Professor für Stellare Astrophysik ebenfalls mit Doppelsternen beschäftigt. Hier arbeitet sie mit den Daten des Transiting Exoplanet Survey Satellite, kurz TESS, einem Weltraumteleskop der NASA, das seit April 2018 den Himmel nach Exoplanenten absucht. Im Unterschied zu vielen anderen erfasst das Teleskop einen ausgewählten Himmelsabschnitt über einen ganzen Monat hinweg. „Ideal für Doppelsterne, deren Helligkeit sich ändert, je nachdem wie sie sich zueinander bewegen.“ Jeden Monat wertet sie gemeinsam mit anderen Forschenden die Daten nach Hinweisen auf Doppelsterne aus. Aussichtsreiche Kandidaten werden anschließend mit anderen Teleskopen genauer untersucht. So bricht sie Mitte November zusammen mit Kollegen nach La Palma auf, wo die Isaac-Newton-Gesellschaft in 2.300 Metern Höhe das  Isaac-Newton-Teleskop unterhält. Dort werden sie insgesamt 25 Nächte lang Weiße Zwerge und Heiße Unterzwerge suchen und beobachten. Die Liste im Gepäck ist lang: Rund 200 Sterne stehen darauf, das sind immerhin 15 pro Nacht. Bleibt zu hoffen, dass das Wetter mitspielt.

Das Schreiben hat Ingrid Pelisoli übrigens nicht ganz aufgegeben. Sie führt einen erfolgreichen Blog, in dem sie über astronomische Forschung schreibt. Denn sie findet: „Wir müssen den Menschen erklären, was wir erforschen und herausfinden. Nur so kommt Wissenschaft voran und wird wirksam.“

Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Matthias Zimmermann
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde