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Unterwegs in Hongkong – Premiere mit Eiscreme

Reisetagebuch: Potsdamer Auszubildende zum Praktikum in Südostasien

Auf der Filmpremiere in Peking. Foto: Kaya Neutzer
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Auf der Filmpremiere in Peking. Foto: Kaya Neutzer

Kinosäle, Flughäfen, 7-11 (Kiosk) und Hotelzimmer. Das sind die Orte, die ich mit meiner ersten Reise nach Peking verbinde. Meine dritte Arbeitswoche startet wieder mit viel Action. Morgen ist ein großer Tag: Der aktuelle Film der Firma, in der ich arbeite, wird das erste Mal für ein ausgewähltes Publikum (Presse, Fans, Freunde etc.) vorgeführt. Wir kommen mit zwei Stunden Verspätung am Hotel an. Rachel – die Produktionsassistentin – versichert mir, das sei normal, wenn man in Peking ist. Der Verkehr sei verrückt. Am Abend gehen wir den Zeitplan für den nächsten Tag durch. Ich soll das Ganze wieder filmisch und fotografisch begleiten. Insgesamt gibt es zehn Vorführungen in verschiedenen Kinosälen.

Die erste Vorführung nutze ich, um mir den Streifen selbst anzuschauen. Neben mir sitzt der Antagonist des Films, David Lee McInnis, der ihn auch noch nicht gesehen hat. Nach knapp zwei Stunden purer Action beginnt der Abspann. David und ich stehen auf. Ich suche mir einen Platz zum Fotografieren und Filmen, während David sich bereit macht, um vor dem Publikum zu sprechen. Als der Abspann zu Ende ist, geht alles schnell. Zwei Leute tragen einige Lichter herein und stellen sie vor der Leinwand auf. Das Filmplakat wird mit einem Aufsteller aufgehängt und ein Moderator kommt in den Saal, alles, noch während das Publikum klatscht. Es werden der Regisseur und vier weitere Schauspieler vorgestellt, die den Kinosaal betreten. Das Ganze dauert Minuten. Der Moderator stellt jedem Schauspieler und dem Regisseur Alan einige Fragen.

Noch bin ich nicht zufrieden mit meiner Position im Saal. Zum Glück habe ich neun weitere Versuche, um den Dreh herauszubekommen. Das Schwierigste für mich ist es, an der Wand schwarz gekleideter Securities vorbei und in die erste Reihe zu gelangen. Leider spreche ich kein Mandarin und mein Presseausweis reicht Ihnen auch nicht aus, um mich vorbeizulassen. Ich werde nervös, weiß nicht, was ich machen soll und schaue neidisch auf die anderen Fotografen, die es in die erste Reihe geschafft haben und fleißig ihr Material sammeln.

Die zehn Minuten sind vorbei. Schauspieler, Regisseur, Security und eine Traube an Assistenten, Fotografen etc. verlassen schnell den Kinosaal, um direkt zum nächsten zu gelangen. Hastig laufe ich ihnen hinterher. Auch bei meinem zweiten Versuch füge ich mich noch meinem Schicksal. Wieder werde ich von der Security abgeblockt und schaue sehnsüchtig zu den anderen Fotografen, die eine bessere Position ergattert haben. Die zehn Minuten sind um, jetzt haben wir eine Stunde Pause. Ich fahre mit Alan, Rosanna und Rachel zurück zum Hotel. Während Alan sich für den nächsten Block umzieht, gehen Rachel und ich auf unser Hotelzimmer, um Kräfte zu sammeln. Die nächsten Vorführungen sollen das Publikum stärker einbeziehen. Die Fans haben die Chance, den Schauspielern und Alan Fragen zu stellen. Dabei geht es zwei Stunden lang von Kinosaal zu Kinosaal.

Während wir wieder zum Kino fahren, überlege ich mir, wie ich am besten an eine gute Position im Saal komme. Stichwort sind wohl ,,schnell sein“ und „dreist“. Wir hetzen zum ersten Kinosaal. Ich laufe an den Anfang der Traube – und an der Security vorbei. Endlich schaffe ich es in die erste Reihe! Der Trick ist es, vor allen anderen in den Saal zu kommen. Mit jeder Vorführung wird die Security entspannter ich kann mich freier im Saal bewegen und endlich mehr Material sammeln. Die jungen Fans kichern, ergattern Autogrammkarten des Hauptdarstellers Wang Talu, manche bekommen ihn sogar aufs Foto und die Schauspieler werden, während sie den Kinosaal betreten, schnell abgepudert. Irgendwann, nach einem Zwei-Stunden-Marathon, ist das letzte Gruppenfoto mit den Zuschauern geschossen und wir können endlich das Kino verlassen.

Zusammen mit Alan, Rosanna, Rachel und David fahre ich in einem Taxi zur Afterparty mit Schauspielern, Freunden, Produzenten, Mitarbeitern und Assistenten. Rachel und ich stürzen uns sofort an das Buffet und lassen uns an einem kleinen Tisch nieder. Nach ein paar Stunden stößt David zu uns und erzählt, wie nervös er am Anfang gewesen sei. Auch für ihn war es eine der größten Veranstaltungen, denen er bis jetzt beigewohnt hat. Es ist beruhigend für mich zu wissen, dass andere mit den gleichen Problemen und Zweifeln zu kämpfen haben, auch wenn David es gut verstecken konnte.

Der Alkohol fließt, zahllose Fotos werden miteinander gemacht, die Auswahl am Buffet wird immer kleiner und die ersten Gäste gehen. Am Ende sind nur noch Alan, Rosanna und zwei ihrer engsten Freunde vor Ort. Rachel und ich verspüren schon lange das Verlangen nach Eiscreme. Es ist mittlerweile 2 Uhr morgens. Ich merke, wie mein Gehirn langsam den Geist aufgibt, und immer mehr deutsche Wörter rutschen in meine Sätze. Wir müssen aber zusammen mit Alan und Rosanna zurück zum Hotel, schlafen ist also noch tabu.

Gemeinsam mit Rachel mache ich mich auf den Weg zum nächsten 7-11 Store, um Eiscreme zu kaufen … Die frische Luft macht mich wieder etwas wacher. Nach einem fünfzehnminütigen Nachtspaziergang haben wir unser Ziel erreicht. Die rot-grünen, grellen Neonlichter des kleinen Kiosks lassen unsere Herzen hüpfen. Es gibt zwar nur noch eine Eissorte, aber für uns ist das mehr als genug. Mit Sechs kleinen Dosen Eiscreme im Gepäck machen wir uns wieder auf den Rückweg und für mich findet der letzte Abend in Peking damit ein würdiges Ende.

Text: Gai Yian Kaya Neutzer
Online gestellt: Agnes Bressa
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde