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Kein aber oho

Artikel vom 18.6.2025

Wasserstoff-erzeugende Enzyme sind groß und extrem sauerstoffempfindlich. Das macht ihren Einsatz zur Erzeugung von "Grünem Wasserstoff" kompliziert. Forschende der Ruhr-Universität Bochum und der Universität Potsdam haben das Problem umgangen: Sie haben das aus Eisen-Atomen aufgebaute katalytische Zentrum eines solchen Enzyms – der [FeFe]-Hydrogenase – in ein Ferredoxin übertragen. Das kleine Biomolekül fungiert in allen lebenden Organismen als Elektronenüberträger. Der künstliche Biohybrid kann effizient Wasserstoff produzieren und dafür Elektronen von lichtbetriebenen biologischen Systemen verwenden. Ihre Ergebnisse haben die Forschenden in der Zeitschrift Advanced Science veröffentlicht.


Wasserstoff gilt als sauberer Energieträger der Zukunft, doch seine nachhaltige Erzeugung ist nach wie vor eine große Herausforderung. Natürliche Enzyme, sogenannte Hydrogenasen, sind hoch-effiziente Wasserstoff-erzeugende Biokatalysatoren, jedoch ist ihr industrieller Einsatz noch nicht etabliert. Mit 600 Aminosäuren sind sie sehr groß und komplex und meist extrem sauerstoffempfindlich. Zudem benötigen sie hochenergetische Elektronen, die ebenfalls umweltfreundlich bereitgestellt werden sollten.

[FeFe]-Hydrogenasen nutzen ein eisenhaltiges Molekül, um Wasserstoff herzustellen. Dieser so genannte Cofaktor funktioniert ähnlich zu einem Platin-Katalysator und kann chemisch synthetisiert werden. Er ist jedoch als isoliertes Molekül inaktiv und benötigt die Protein-Umgebung, um seine maximale Leistung zu erreichen. Die Forschenden der Ruhr-Universität Bochum wollten den hochkomplexen Hydrogenase-Biokatalysatoren vereinfachen, um seine Integration in industrielle Prozesse zu ermöglichen. In einigen Mikroalgen werden Hydrogenasen durch die Fotosynthese mit Elektronen versorgt. Der Elektronenvermittler ist das kleine eisenhaltige Protein Ferredoxin, das die Elektronen direkt aus der lichtgetriebenen fotosynthetischen Elektronentransportkette erhält.

„Wir haben uns die biologisch verrückte Frage gestellt, ob man das Ganze nicht abkürzen und das Ferredoxin Wasserstoff bilden lassen kann“, erläutert Vera Engelbrecht, eine der beiden Erstautorinnen der Studie. Und zu ihrer eigenen großen Überraschung konnten die Forschenden Ferredoxine identifizieren, die in Kombination mit dem Cofaktor der Hydrogenase Wasserstoff bilden konnten. „Allerdings mussten wir die biologischen Synthesewege überlisten“, erzählt Yiting She, die weitere Erstautorin (im Bild links). „Nur ganz bestimmte Ferredoxine konnten mit dem Cofaktor zusammenarbeiten. Dies herauszufinden war ein langer, aber auch sehr spannender Weg.“

Die hohe Aktivität des Biohybriden hat die Forschenden selbst überrascht. „Wir wissen, dass die Zusammenarbeit von Protein und Cofaktor in natürlichen [FeFe]-Hydrogenasen fein abgestimmt ist“, erklärt Prof. Dr. Thomas Happe, unter dessen Leitung das Projekt durchgeführt wurde. In Zusammenarbeit mit Sven T. Stripp von der Universität Potsdam wurde die neue Ferredoxin-Hydrogenase daher spektroskopisch charakterisiert. „Es scheint, dass das Ferredoxin-Protein eine chemisch günstige Umgebung für den Katalysator der Hydrogenase bereitstellt“, schlussfolgert Happe. Um das zu erreichen, muss der natürliche eigene Cofaktor des Ferredoxins durch den Hydrogenase-Cofaktor mittels komplexer Synthesewege ausgetauscht werden. „Trotzdem kann das neue Protein noch Elektronen von Fotosynthesekomponenten erhalten“, freut sich Yiting She. Damit ist dies eine wichtige Machbarkeitsstudie für ein kleines künstliches Metalloenzym, das natürliche lichtgetriebene Hydrogenasen nachahmt, jedoch mit weniger Komponenten und kleineren Gerüsten auskommt.


Hydrogen-Producing Catalysts Based on Ferredoxin Scaffolds. Advanced Science (2025).
Link zur Publikation: https://doi.org/10.1002/advs.202501897


Frühes Leben – Biologische Methan-Erzeugung entschlüsselt

Artikel vom 17.4.2025

Forschende des Zentrums für Synthetische Mikrobiologie (SYNMIKRO) der Philipps-Universität Marburg und der Universität Potsdam haben einen wichtigen Durchbruch im Verständnis der Aktivierung von Methyl-Coenzym-M-Reduktase (MCR) erzielt. Das Enzym MCR ist für nahezu die gesamte biologische Methanproduktion verantwortlich und gehört zu den am häufigsten vorkommenden Enzymen auf der Erde. Die neuen Erkenntnisse können helfen, einen der ältesten Energiegewinnungsprozesse in der Natur zu verstehen und offenbaren eine unerwartete evolutionäre Verbindung zwischen zwei grundlegenden biologischen Vorgängen: Methanproduktion und Stickstoff-Fixierung.


Methan ist zwar ein starkes Treibhausgas, das zum Klimawandel beiträgt, doch die biologische Umwandlung von Kohlendioxid nach Methan ist auch eine vielversprechende erneuerbare Energiequelle. Ein Verständnis der grundlegenden Mechanismen der Methanbildung könnte zu Fortschritten bei nachhaltigen Energietechnologien und beim Umweltschutz führen.

Herzstück der biologischen Erzeugung von Methan – der Methanogenese – ist das Enzym MCR, das mit F430 einen einzigartigen Nickel-Komplex enthält. Um die Methanproduktion zu katalysieren, muss F430 reduziert werden, was eine der schwierigsten Redoxreaktionen in der Natur darstellt. Es blieb lange Zeit eine offene Frage, wie frühe Lebensformen stark reduzierende Elektronen in das Enzym leiten konnten.

In ihrer Studie gelang es dem Forscherteam, den MCR-Aktivierungskomplex aus dem Modell-Archaeon Methanococcus maripaludis zu isolieren und zu charakterisieren. Methanogene Archaeen sind Mikroorganismen, die seit Milliarden von Jahren existieren und jährlich bis zu einer Milliarde Tonnen Methan produzieren. Die neue Elektronenmikroskopie-Struktur suggeriert nun, dass der MCR-Aktivierungskomplex drei einzigartig koordinierte und hochspezialisierte Redox-Cofaktoren enthält, von denen man bisher annahm, dass sie ausschließlich in der Nitrogenase vorkommen – einem Enzymkomplex, der für die Stickstoff-Fixierung in Lebewesen verantwortlich ist. „Die Spektroskopie lieferte den letzten Beweis dafür, dass die Cofaktoren aus Eisen und Schwefel bestehen“, erklärt Sven T. Stripp, Co-Autor von der Universität Potsdam. Jan Schuller, leitender Autor der Studie, fügt hinzu: „Diese auffallende Ähnlichkeit deutet darauf hin, dass die Systeme, obwohl sie völlig unterschiedliche Funktionen erfüllen, evolutionär miteinander verwandt sind.“ Er schlussfolgert: „Letztlich stellt unsere Studie eine noch nie dagewesene evolutionäre Verbindung zwischen zwei grundlegenden biologischen Prozessen her: Methanogenese und Stickstoff-Fixierung.“

Die Methanogenese geht auf die früheste Geschichte des Lebens auf der Erde zurück, evolutionär sogar vor Einsetzen der Photosynthese. Sie ist nicht nur für Methanemissionen verantwortlich, sondern bildet auch die Grundlage für andere lebenswichtige Stoffwechselnetzwerke. Ein tieferes Verständnis dieser frühen biochemischen Mechanismen bereichert sowohl unser grundlegendes Wissen über die Entwicklung von Molekülen als auch ihre möglichen biotechnologischen Anwendungen, welche letztlich darauf abzielen, die Methanemissionen zu verringern.


Structure of the ATP driven Methyl-coenzyme M reductase activation complex. Nature (2025).
Link zur Publikation: https://www.nature.com/articles/s41586-025-08890-7


 

An der Schnittstelle von Biophysik und Chemie

Artikel vom 13.1.2025

Sven Stripp ist Physikochemiker und erforscht den Reaktionsmechanismus von Enzymen, die Gase wie Wasserstoff, Stickstoff oder Kohlendioxid nutzbar machen. Seit Dezember 2024 baut er eine neue Arbeitsgruppe zum Thema „Infrarotdifferenzspektroskopie an gasverarbeitenden Metallenzymen“ an der Universität Potsdam auf. Die durch das Heisenberg-Programm der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) geförderte Nachwuchsgruppe ist am Institut für Chemie angesiedelt.


„In meinem Forschungsprojekt soll der Reaktionsmechanismus der sogenannten [FeFe]-Hydrogenase final geklärt werden“, sagt Sven Stripp. Hydrogenasen sind Enzyme, die Wasserstoff produzieren, binden und umsetzen. [FeFe]-Hydrogenasen gehören zu den Metallenzymen, die in zahlreichen Organismen eine Schlüsselrolle im mikrobiellen Energiestoffwechsel spielen. „Um die Metallenzyme bei der Arbeit zu beobachten, setzen wir Infrarotspektroskopie und Elektrochemie ein“, erläutert er. Ziel dabei ist, die Enzyme besser zu verstehen und ähnlich aktive Katalysatoren herzustellen.

„Unsere Erkenntnisse können beispielsweise genutzt werden, um grünen Wasserstoff zu produzieren oder Stickstoff aus der Luft zu binden, um karge Böden fruchtbar zu machen“, so Stripp. Außerdem arbeitet er an Enzymen, die es erlauben, die Atmosphäre von dem überschüssigen Kohlendioxid aus der Verbrennung fossiler Rohstoffe zu reinigen. „Da ich im Ruhrgebiet aufgewachsen bin, ist mir letzteres ein besonderes Anliegen,“ scherzt Stripp. Über die Uni versität Potsdam hinaus bestehen enge Kooperationen mit den Universitäten in Berlin, Bochum und Marburg.

Sven Stripp promovierte 2010 an der Ruhr-Universität Bochum in Pflanzenbiochemie (Thomas Happe) und arbeitete anschließend als Postdoc (Joachim Heberle) und Arbeitsgruppenleiter an der Freien Universität Berlin, wo er in Physikalischer Chemie habilitierte. Bis 2024 war er Gastprofessor für Biophysikalische Chemie an der Technischen Universität Berlin.