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Wie Data Scientists arbeiten – Steffen Hagemann über Algorithmen, Habitus und sozialen Kontext

Von der Wirtschaft bis zur Partner*-innensuche – digitale Technologien haben inzwischen nahezu alle Lebensbereiche durchdrungen. Algorithmen nehmen dabei zunehmend Einfluss auf unsere alltäglichen Praktiken und die Konstruktion sozialer Wirklichkeit. Erscheint ihre genaue Funktionsweise häufig als eine Black Box, so handelt es sich aber letztlich um menschliche Produkte. Entscheidungen bezüglich der verwendeten Daten oder angewandten Modelle sind konzeptionelle Überlegungen von Personen, die im Bereich der Entwicklung digitaler Technologien tätig sind.

In meiner Dissertation „Algorithmen, Habitus und sozialer Kontext – Zum professionellen Arbeiten von Data Scientists“ gehe ich der Fragestellung nach, welche berufsspezifischen Wahrnehmungs-, Bewertungs- und Handlungsmuster die Praxis der Algorithmusentwicklung beeinflussen. Um mehr über das Berufsverständnis und die Arbeitsweise dieser Personen in Erfahrung zu bringen, habe ich 16 Interviews mit Data Scientists in Europa und Nordamerika durchgeführt. In meiner Analyse habe ich ihre unterschiedlichen Herangehensweisen verglichen und konnte eine differenzierte Typologie von Arbeitsweisen erstellen. Im Ergebnis lässt sich festhalten, dass die Berufsgruppe der Data Scientists in ihrem Handeln sehr stark zeitgetrieben ist. Sie müssen innerhalb kurzer Arbeitsintervalle Ergebnisse vorweisen können und stehen im permanenten Austausch mit ihren Vorgesetzten oder Stakeholdern. Viele von ihnen arbeiten immer an mehreren Projekten parallel. Ihr Berufsverständnis ist auf die Lösung von Problemen anderer ausgerichtet. Sie selber beschreiben sich mitunter als Ermöglicher*innen. Dabei bewegen sie sich in einem Spannungsverhältnis von Produktion und Dienstleistung. Gewissermaßen kann man sie als produzierende Dienstleister*innen beschreiben.

Zwar sind sich die Fachkräfte darüber bewusst, dass Algorithmen unerwünschte soziale Folgen haben – wenn es beispielsweise darum geht, wie sie die Meinungsbildung auf Social Media beeinflussen. Dennoch sehen sich die Data Scientists nicht in der Verantwortung, dieser Problematik zu begegnen. Stattdessen verorten sie die Verantwortlichkeiten in Gesetzen, Regularien oder anderen Berufsgruppen. Digitale Technologien sind das Resultat eines Berufshabitus, Erwartungshaltungen der Stakeholder und vorgefundener Arbeitsbedingungen.


Hier geht es zum Blog ≠ transformation des Lehrstuhls Sozialstrukturanalyse und soziale Ungleichheit an dem Steffen Hagemann tätig ist: https://unequaltransformation.com/

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2025 „Demokratie“.