Wie entstand die Idee für Ihre mehrfach ausgezeichnete App?
Ausgangspunkt war die Erkenntnis, dass Kinder und Jugendliche gesundheitliche Unterstützungsangebote oft nicht in Anspruch nehmen. Zum Beispiel beim Thema der psychischen Belastung. Wir wissen, dass die Zahl von Kindern und Jugendlichen mit psychischen Problemen in den letzten Jahren substantiell angestiegen ist. Während psychotherapeutische Kapazitäten erschöpft sind, werden Angebote der Gesundheitsförderung und Prävention häufig nicht wahrgenommen. Dies liegt zum einen daran, dass psychische Probleme stigmatisiert sind und junge Menschen sich nicht trauen, Unterstützungsangebote aufzusuchen und mit Fachakteuren zu sprechen. Zum anderen wissen Jugendliche oft nicht, welche für sie relevanten Angebote in ihrer Nähe existieren – daher auch der Name Nebolus, abgeleitet von nebulös. Genau hier setzen wir an. Ich forsche seit Jahren zu den Themen Games for Health, Serious Games und Gamification und es hat sich gezeigt, dass dieser Ansatz geeignet ist, um junge Menschen niedrigschwellig anzusprechen. Um sicherzustellen, dass die App wirklich auf die Bedürfnisse von Jugendlichen zugeschnitten ist, haben wir bei der Entwicklung Schülerinnen und Schülern aus der Sekundarstufe zu Workshops eingeladen und gemeinsam in verschiedenen Stufen Prototypen getestet und die Ergebnisse in die weitere Entwicklung einfließen lassen.
Wie funktioniert Nebolus?
Wir arbeiten mit sogenannten Erkundungsrallyes, bei denen sich Storytelling und virtuelle Charaktere nach und nach entwickeln, indem man verschiedene reale Orte aufsucht und erkundet. Die Story wird dabei durch Sprachnachrichten, wie man sie aus Chatprogrammen kennt, erzählt. Ein Beispiel aus einer Musterrallye: Emma ist verschwunden und ihr bester Freund Max braucht Unterstützung, um sie wiederzufinden. Max ist dabei der Hinweisgeber und schickt die Spielerinnen und Spieler zu verschiedenen Stationen. Hinter diesen Stationen stehen Einrichtungen mit Gesundheitsbezug, beispielsweise Beratungsvereine, Jugendeinrichtungen oder Sportvereine, die im Rahmen der Rallyeentwicklung über ein browserbasiertes Planungstool hinterlegt werden. Nutzende sehen auf einer Karte ihren Avatar und die nächste Station. Es ist also ein Location-based Game, gewissermaßen Pokémon Go für Gesundheit. Und das besondere ist, dass Einrichtungen in ganz Deutschland eigene Gesundheitsrallyes – angepasst an ihre Bedarfe und die Situation vor Ort – anlegen und umsetzen können
Was bringt die Zukunft für Nebolus und Ihre Forschung?
Nebolus wurde bereits an mehr als 60 Orten in Deutschland von über 170 Gesundheitsakteuren implementiert. Wir wünschen uns natürlich, dass das noch flächendeckender passiert. Darum haben wir die App mit einem eigenen Planungstool von vornherein so anpassbar wie möglich gestaltet, nicht nur im Hinblick auf die Geschichten, die Teilnehmende komplett frei selber gestalten können, sondern auch auf das Anwendungsfeld. Wir hatten zum Beispiel schon recht viele Anfragen von Universitäten, die neuen Studierenden die Orientierung auf dem Campus erleichtern möchten, besonders zu Fragen rund um das Thema Gesundheit. Entsprechend haben wir inzwischen auch Avatare hinzugefügt, die etwas erwachsener aussehen. Wir haben einen barrierearmen Modus entwickelt, der es mit größerer Schrift, mehr Kontrast und einer vereinfachten Karte Senioren und Menschen mit Beeinträchtigungen ermöglicht, die App zu nutzen. Nebolus wird inzwischen auch dafür eingesetzt, um es werdenden Eltern zu erleichtern, die passenden Gesundheitsangebote in ihrer Nähe zu finden. Zudem führen wir Begleitforschung zur Wirksamkeit und zur Implementierung durch, anhand derer wir Rückschlüsse zur Weiterentwicklung von Nebolus und allgemein zu gamifizierten Gesundheitsanwendungen ziehen können.
Gibt es schon Pläne für weitere Anwendungen dieser Art?
Momentan arbeiten wir an „Buttrfly“, einer App, die für mehr Partizipation bei Gesundheitsthemen sorgen soll. Die Anwendung wird es Nutzenden ermöglichen, auf Probleme in ihrem Umfeld hinzuweisen und auch selber Lösungen zu entwickeln. Gesundheitsakteure und Initiativen wie etwa Sportvereine oder auch die Gemeindeverwaltung können dann anhand der Daten sehen, was es aktuell für Bedarfe gibt. Ein Beispiel: Jemand würde sich gerne mehr bewegen und öfter das Fahrrad nutzen, doch die Radwege in der Nähe sind in einem schlechten Zustand. Nun kann diese Person einfach ein Foto davon machen und den Ort mit einem Pin auf der digitalen Karte markieren. Das ist die sogenannte Photovoice-Methode, und auch diese baut Hemmschwellen ab, da man sein Problem nicht ausführen muss, sondern Bilder sprechen lassen kann. Oder man kann nachbarschaftliche Themen einbringen und sich so mit Leuten in der Umgebung vernetzen. Auch bei Buttrfly setzen wir bei der Entwicklung auf die Zusammenarbeit mit denen, für die die App gedacht ist. Wir haben eine Mailingliste für Updates in der Entwicklung und laden Personen aus dieser Liste ein, die App nicht nur zu testen, sondern ihre konkreten Ideen zur Entwicklung beizusteuern. So bringen wir wissenschaftliche Expertise und die tatsächlichen Bedürfnisse der Menschen zusammen und sorgen für echte Partizipation.
Weitere Informationen:
Die App Nebolus gibt es im Apple App Store und im Google Play Store. Weitere Informationen unter: https://Nebolus.net/
Wer sich über Buttrfly informieren oder sich an der Entwicklung beteiligen möchte, kann dies unter https://www.buttrfly.de/ tun.


