Die Ergebnisse zeigen zwei große Phasen des Umbaus und legen offen: Trotz seit Jahrzehnten bestehender Renaturierungsempfehlungen lassen sich bisher keine messbaren Fortschritte erkennen. Eine mögliche Erklärung liegt in den historisch gewachsenen, sozioökonomischen Strukturen, die einer nachhaltigen Umgestaltung des Donaumooses im Wege stehen könnten.
Wie in vielen mitteleuropäischen Feuchtgebieten greift der Mensch auch im Donaumoos seit Jahrhunderten gezielt in den Wasserhaushalt ein – mit tiefgreifenden ökologischen und landschaftlichen Folgen. Das Niedermoor im nördlichen Oberbayern wurde ab 1788 durch ein wachsendes Netz aus Gräben und Kanälen entwässert und nach und nach für die landwirtschaftliche Nutzung erschlossen. Zeitgleich wurde der Verlauf der angrenzenden Donau begradigt. Die nun veröffentlichte Studie dokumentiert diese Eingriffe erstmals quantitativ über einen Zeitraum von mehr als zwei Jahrhunderten.
Das Team aus Geograph:innen, Historiker:innnen, Ökolog:innen und Archäolog:innen wertete dazu historische Kartenwerke von 1788 bis 2023 sowie ergänzende Schriftquellen aus. Auf dieser Grundlage konnten die Forscher:innen rekonstruieren, wie sich sowohl die Länge der Entwässerungsgräben im Donaumoos als auch die Wasserfläche der Donau über die Jahrhunderte verändert haben.
Besonders markante Eingriffe erfolgten demnach in zwei Phasen: Die erste Phase des tiefgreifenden Umbaus begann mit den ersten Kultivierungsmaßnahmen ab 1788 und dauerte bis etwas 1794, die zweite Phase erstreckte sich im Zeitraum zwischen 1907 bis 1959. „Der Vergleich dieser quantitativen Daten mit dem Wissen aus historischen Quellen lässt erkennen, wann große Umbrüche in der Auen- und Moorgeschichte stattfanden – und welche Folgen diese für die Menschen in der Region hatten“, erklärt Prof. Dr. Christoph Zielhofer, Physischer Geograph an der Universität Leipzig und Leiter der Studie. Wie sich diese Prozesse über die Zeit verteilten, beschreibt Marie Kaniecki, ebenfalls Geographin an der Universität Leipzig: „Diese tiefgreifenden Veränderungen durch Flussbegradigungen, Landgewinnung und Kolonisation traten nicht kontinuierlich auf, sondern in Wellen – unterbrochen von Jahrzehnten der Rückschläge und Stagnation“.
Keine messbaren Fortschritte bei Renaturierung des Donaumooses
Obwohl bereits seit den 1980er Jahren erste Empfehlungen zur Renaturierung des Donaumooses vorliegen, zeigen die analysierten Karten bislang keine messbaren Fortschritte: Die Gesamtlänge der Gräben ist nicht zurückgegangen, sondern bleibt annähernd gleich. „Dies könnte auf lang etablierte sozioökonomische Strukturen zurückzuführen sein, die Veränderungen erschweren“, erklärt Prof. Dr. Natascha Mehler, Archäologin an der Universität Tübingen.
In weiten Teilen des Gebiets wird das Donaumoos weiterhin konventionell landwirtschaftlich genutzt – eine Praxis, die eine fortwährende Entwässerung erfordert. Diese führt zur fortschreitenden Torfsackung, wodurch wiederum weitere Entwässerungsmaßnahmen notwendig werden. „Ein Teufelskreis“, sagt Prof. Dr. Anja Linstädter, Ökologin an der Universität Potsdam: „Der anhaltende Entwässerungsdruck in Kombination mit intensiver Nutzung beschleunigt den Verlust organischer Substanz und gefährdet dauerhaft die ökologische Funktion des Moores als Kohlenstoffspeicher und Lebensraum.“
„Die historische Rekonstruktion des Netzes an Drainagegräben eröffnet auch neue Perspektiven für die archäologische Denkmalpflege“, so Dr. Stefanie Berg vom Bayerischen Landesamt für Denkmalpflege in München. Denn dort, wo Eingriffe des Menschen – etwa Entwässerung oder Bodenumlagerung – vergleichsweise spät oder nur punktuell erfolgten, ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich ältere Bodenhorizonte bzw. Torfe erhalten haben. Diese können archäologische Schichten und Funde enthalten, die bislang weder kartiert noch systematisch untersucht wurden. Bisher ist durch Begehungen der Oberflächen bekannt, dass das Donaumoos bereits im Mesolithikum zur Jagd und seit der Eisenzeit zur Gewinnung von Eisen aus Raseneisenerz aufgesucht wurde.
Die Studie entstand im Rahmen des Schwerpunktprogramms 2361 „Auf dem Weg zur Fluvialen Anthroposphäre“ der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG). Ermöglicht wurden die Ergebnisse durch eine enge interdisziplinäre Zusammenarbeit von Forschungseinrichtungen aus Leipzig, Tübingen, Neuburg an der Donau, München, Potsdam, Erkner und Manchester.
Zur Studie:
Christoph Zielhofer, Marie Kaniecki, Anja Linstädter u.a., „Great transitions in Donaumoos land reclamation (Bavaria, Germany) since the late 18th century – a palaeohydrological and historical perspective“; DOI: https://doi.org/10.5194/egqsj-74-105-2025