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Wenn ich könnte, würde ich … in die entlegenen Bereiche unseres Universums reisen! – Mit dem Astrophysiker Tim Dietrich

Mein Wunsch wäre es, mit einem Raumschiff eine ganz spezielle Art von Sternen zu besuchen, nämlich Neutronensterne. Diese extrem dichten Weltraumobjekte entstehen bei einer Supernova, wenn massereiche Sterne am Ende ihrer Lebenszeit explodieren, sodass sie für kurze Zeit so hell leuchten wie eine ganze Galaxie. Neutronensterne sind so unvorstellbar dicht, dass ein einziger Teelöffel ihres Materials eine Masse von bis zu einer Milliarde Tonnen hätte. Ähnlich wie andere Objekte im Universum kreisen einige von ihnen in Doppelsternsystemen umeinander. Dabei verlieren sie Energie und stoßen schließlich zusammen. Doch das ist kein häufiges Ereignis. Einen solchen Zusammenstoß hat man mit Sicherheit erst ein einziges Mal beobachten können, nämlich im Jahr 2017, als sowohl winzige Kräuselungen der Raumzeit, sogenannte Gravitationswellen, als auch Lichtsignale einer solchen kosmischen Kollision gemessen wurden. Dieser Zusammenstoß geschah weit außerhalb unserer Heimatgalaxie, der Milchstraße. Das nächste bereits bekannte System innerhalb der Milchstraße wird sogar erst in rund 50 Millionen Jahren kollidieren.

Nur ein Lichtpunkt bezeugt die kosmische Kollision

Das alles passiert so weit von uns entfernt, dass wir zwar Lichtsignale messen können, aber nicht „sehen“, wie die Neutronensterne umeinander kreisen. Was wir beobachten, ist ein heller werdender Punkt, also ein paar mehr Lichtteilchen, die am Messgerät ankommen. Um die eigentliche Struktur des Sternsystems jedoch räumlich aufgelöst zu betrachten, müsste man einfach näher dran sein.

Hätten wir ein Raumschiff mit einem futuristischen Antriebssystem und starken Schilden, könnten wir damit unsere Heimatgalaxie verlassen und zu solch einem Ereignis innerhalb einer anderen Galaxie fliegen. Das wäre auch deswegen so spannend, weil durch die Verschmelzung zweier Neutronensterne neue Elemente entstehen, die wir sonst in unserem Universum kaum bilden können. Allen voran werden schwere Elemente wie zum Beispiel Gold und Platin erzeugt. Um vor Ort anzuschauen, wie die Materie bei der Kollision herausgeschleudert wird, würde ich gern dorthin reisen. Denn diese Prozesse können wir bisher nur am Computer simulieren. Sieht es tatsächlich so aus, wie wir uns das vorstellen? Oder ganz anders?

Zu nahe kommen möchte ich den Neutronensternen beim Zusammenstoß aber auch wieder nicht – schließlich muss man aufpassen, nicht vom Gammablitz getroffen zu werden. Das ist eine hochenergetische Strahlung, die nach oben und unten in Bezug auf die Ebene, in der sich die Neutronensterne umkreisen, abgegeben wird. Gammablitze werden bereits seit Jahrzehnten erforscht, doch anfänglich war unklar, wo sie genau herkommen. Die Kollision von Neutronensternen ist eine Möglichkeit, wie sie entstehen können.

Mit Überlichtgeschwindigkeit reisen

Selbst wenn unser Raumschiff mit Lichtgeschwindigkeit fliegen würde, bräuchten wir allerdings immer noch extrem lange, um kollidierende Neutronensterne zu besuchen. Zum Vergleich: Die Kollision, die wir im Jahr 2017 mithilfe von Gravitationswellen und auch Licht sehen konnten, war 130 Millionen Lichtjahre entfernt. Das bedeutet, dass die Signale schon 130 Millionen Jahre unterwegs waren, bevor sie bei uns ankamen. Wir müssten also einige Hundert Millionen Jahre vorher starten, um das Ereignis dann bei Ankunft sehen zu können. Die einzige Möglichkeit, die mathematisch auch bewiesen ist, wäre ein Warp-Antrieb, der den Raum krümmt, sodass unser Raumschiff Überlichtgeschwindigkeit erreichen kann. Der Begriff des Warp-Antriebs entstammt zwar der Welt der Science-Fiction, basiert jedoch auf konkreten physikalischen Formeln der Allgemeinen Relativitätstheorie. Damit würden wir schnell genug quer durch den Weltraum reisen können. Leider ist dies alles nur Theorie und ich bin sehr skeptisch, dass die Menschheit diese Ideen wirklich einmal in die Tat umsetzen kann.

Ein weiterer Punkt, der den Zusammenstoß von Neutronensternen so spannend macht, ist zu messen, wie schnell sich die Gravitationswellen im Vergleich zum Lichtsignal ausbreiten. Nach Einsteins Relativitätstheorie sind beide gleich schnell. Bei dem Ereignis 2017 haben die Signale 130 Millionen Jahre bis zur Erde gebraucht und waren bei der Ankunft nur um 1,7 Sekunden zeitversetzt. Das passt mit den theoretischen Berechnungen perfekt zusammen, dass wir zuerst die Gravitationswellen empfangen und kurze Zeit später den Gammablitz. Es war eine wunderbare Bestätigung der Einsteinschen Theorie und hat damit andere Theorien über Gravitationswellen entkräftet. Die gleichzeitige Messung von verschiedenen Signalen eröffnet der Kosmologie unglaubliche Möglichkeiten.


Tim Dietrich ist seit 2020 Professor für Theoretische Astrophysik an der Universität Potsdam.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2025 „Kinder“.