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Zwischen Enttäuschung und Zuversicht – Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025“

Gruppe von sechs jungen Menschen steht in einer Reihe und hält die Buchstaben des Wortes "Future" vor die Gesichter
Foto : AdobeStock/Lomb
Was denkt die Jugend über die Zukunft? Forschende - darunter Prof. Nina Kolleck - haben sie gefragt.

Die junge Generation in Deutschland steht unter enormem Druck – und bleibt dennoch bemerkenswert hoffnungsvoll. Das ist die zentrale Botschaft der achten Trendstudie „Jugend in Deutschland“, die von Simon Schnetzer, Kilian Hampel und Klaus Hurrelmann herausgegeben wird und an der auch die Potsdamer Politik- und Bildungsforscherin Prof. Dr. Nina Kolleck mitgearbeitet hat. Trotz Wirtschaftskrise, Inflation, Wohnungsnot, Klimakrise und wachsender politischer Unsicherheit zeigt die Jugend nicht Resignation, sondern Verantwortungsbewusstsein, Leistungsbereitschaft und den Wunsch nach aktiver Mitgestaltung. Ihre Erwartungen richten sich dabei klar an die neue Bundesregierung: Sie soll nicht nur verwalten und von den Jungen fordern, sondern eine lebenswerte Zukunft ermöglichen. Die Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025 mit Generationenvergleich“ basiert auf einer soziografisch repräsentativen Befragung von 6.034 Personen im Alter von 14 bis 69 Jahren, die im Zeitraum vom 10. Januar bis 26. Februar 2025 durchgeführt wurde.

„Die Studie zeigt: Junge Menschen sind privat zuversichtlich, aber gesellschaftlich enttäuscht – sie glauben an sich selbst, aber kaum noch an das politische System“, sagt Nina Kolleck, die an der Studie konzeptionell und methodisch mitgewirkt und einen Fachkommentar zu den Themen Digitalisierung, psychische Belastung und politische Entfremdung beigesteuert hat. „Fast alle sind täglich in sozialen Netzwerken aktiv, doch mehr als die Hälfte fühlt sich dadurch psychisch belastet. Jeder Vierte wünscht sich psychologische Hilfe, aber nur jeder Achte ist in Behandlung. Das Vertrauen in sich selbst ist sehr hoch. Gleichzeitig sinkt das politische Vertrauen jedoch rapide: Nur noch 12 % glauben, dass die Bundesregierung das Richtige tut. Die Ergebnisse zeigen deutlich: Die junge Generation will Verantwortung übernehmen – aber sie hat das Gefühl, nicht mitgestalten zu dürfen.“


Eine Generation im Krisenmodus – aber nicht ohne Zukunftsglauben

Die Lebenswelt junger Menschen in Deutschland ist geprägt von strukturellen Unsicherheiten. Während frühere Generationen sich mit Bildung und Fleiß ein Leben und den Ruhestand in gewissem Wohlstand erarbeiten konnten, erleben die unter 30-Jährigen heute eine Realität, in der dieses Versprechen nicht mehr greift. Krieg in Europa, finanzielle Nöte und die Spaltung der Gesellschaft nagen an dem Sicherheitsgefühl und dem Glauben an ein Leben in Wohlstand. Allen Sorgen zum Trotz blickt die Mehrheit der jungen Befragten (65%) insgesamt zufrieden auf ihre persönliche Zukunft. „Die junge Generation zeigt sich solidarisch gegenüber den Älteren, ist leistungsbereit und orientiert sich an traditionellen Tugenden“, fasst Studienleiter Simon Schnetzer zusammen.


Verantwortungsbereit – aber nicht mehr blind loyal

Der Glaube an das politische System ist in der jungen Generation stark erschüttert, weshalb sich viele junge Menschen alternativen oder radikalen Kräften zuwenden. Diese Entwicklung ist, wie die Studie zeigt, kein Ausdruck von Gleichgültigkeit, sondern ein Zeichen tiefer Enttäuschung. Sie fühlen sich von der Politik nicht repräsentiert – ihre Lebensrealität, so ihr Eindruck, spielt in den Entscheidungsetagen kaum eine Rolle.

Gleichzeitig zeigt sich am Beispiel der Rentendebatte eine bemerkenswerte Bereitschaft, gesellschaftliche Verantwortung zu übernehmen. Die Mehrheit der jungen Menschen wäre bereit, steigende Rentenkosten zu tragen, um die Versorgung der Älteren zu sichern, obwohl der Anteil an verschuldeten Jungen mit 20 Prozent einen neuen Rekordwert erreicht und nur 11 Prozent an eine sichere Rente glauben. „Diese solidarische Haltung unterstreicht den Wunsch nach einem fairen Generationenvertrag“, sagt Kilian Hampel. „Doch dafür braucht es Bildung für den Umgang mit Geld und Altersvorsorge sowie politische Antworten auf die Frage: ‚Wie sichern wir die Zukunft dieser Generation?‘ – und zwar nicht irgendwann, sondern jetzt.“


Hohe Leistungsbereitschaft und hohe Belastung

Die Vollzeitquote bei jungen Erwerbstätigen (81%) liegt deutlich höher als bei älteren Generationen. Sie sind bereit, bei der Arbeit ihr Bestes zu geben, doch ein Drittel der Jungen fühlt sich regelmäßig ausgebrannt aufgrund von Stress, hohen Erwartungen und mangelnder Wertschätzung. Simon Schnetzer fasst zusammen: „Unser Generationenvergleich zeigt, dass die faule Jugend ein Mythos ist. Doch für ihre Leistungsbereitschaft erwartet sie eine gute Arbeitsatmosphäre, Work-Life-Balance und Sicherheit – genauso wie die ältere Belegschaft.“

Auch die mentale Gesundheit leidet: Das Niveau von Stress (49%), Erschöpfung (34%), Selbstzweifel (32%) und Antriebslosigkeit (30%) hat sich gegenüber dem Vorjahr zwar leicht entspannt, bleibt aber auf hohem Niveau. Jeder vierte junge Mensch schätzt den eigenen psychischen Zustand so ein, dass eine Behandlung notwendig wäre. Kraft schöpft die junge Generation vor allem aus der Familie, Partnerschaft oder Zielen im Leben - kaum dagegen aus dem Glauben oder der Natur. „Digitale Medien, Social Media und Künstliche Intelligenz prägen das Leben junger Menschen – mit Licht- und Schattenseiten“, erklärt Klaus Hurrelmann. „Die Studie zeigt klare Zusammenhänge zwischen digitalem Nutzungsverhalten und psychischer Belastung. Es braucht eine umfassende digitale Bildungsoffensive, die Resilienz, kritisches Denken und Medienkompetenz stärkt.“


Ein klarer Auftrag an die neue Bundesregierung

Die Trendstudie formuliert eine eindeutige Erwartung: Die neue Bundesregierung steht in der Verantwortung, die wirtschaftliche und soziale Lage junger Menschen spürbar zu verbessern. Bezahlbarer Wohnraum, gerechte Bildungschancen, ein stabiles Rentensystem, politische Teilhabe und Zukunftskompetenzen für eine lebenswerte Zukunft sind die zentralen Anliegen. „Zukunft entsteht nicht durch Appelle zur Resilienz, sondern durch gerechte Rahmenbedingungen“, betont Simon Schnetzer. „Die junge Generation will nicht nur funktionieren, sie will gestalten – und erwartet von der neuen politischen Führung, dass sie diesen Gestaltungswillen ernst nimmt.“

Information zur Trendstudie

Die achte Trendstudie „Jugend in Deutschland 2025 mit Generationenvergleich“ basiert auf einer repräsentativen Befragung von 2.027 Personen im Alter von 14 bis 29 Jahren. Die Längsschnittstudie wurde 2010 gegründet, wird seit dem Jahr 2020 in regelmäßigem Abstand wiederholt und erscheint zum zweiten Mal mit Generationenvergleich, wofür zusätzlich 4.007 Personen im Alter von 30-49 und 50-69 Jahren befragt wurden. Dialogische Validierung der Ergebnisse erfolgt durch Schulworkshops und Trendlabore. Die Trendstudie wird vom Datajockey Verlag unter der Leitung von Simon Schnetzer herausgegeben und fachlich von Dr. Kilian Hampel und Prof. Dr. Klaus Hurrelmann begleitet.

Weitere Informationen zur Studie und der Methodikbericht:
www.jugend-in.de


Pressekontakt:                                                                                  
Ulrike Propach Kommunikationsmanagement (freie Journalistin BJV e.V.)
pressesimon-schnetzercom
Mobil +49 178 41 55 391