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Der Portal-Fragebogen – 15 Fragen an den Mathematiker Peter Nejjar

Prof. Dr. Peter Nejjar
Foto : privat
Prof. Dr. Peter Nejjar

Der Wissenschaftler Peter Nejjar studierte Mathematik an der FU Berlin und der ENS Paris. Er promovierte an der Universität Bonn und war anschließend als Postdoktorand am IST Austria, an der ENS Paris und an der Universität Bonn tätig. Seit 2023 ist Nejjar Juniorprofessor für Wahrscheinlichkeitstheorie an der Universität Potsdam.

Wie wahrscheinlich sind Zufälle?

Etwas zu erleben, das einem zufällig erscheint, ist eine allgemeine Lebenserfahrung. Ob es aber Zufall „in echt“ gibt, erscheint fraglich. Ich empfehle da einen Text Schopenhauers zur Freiheit des Willens, in dem er argumentiert, dass es „Zufall“ bzw. „Freiheit“ nicht nur nicht gibt, sondern dass dies für unseren Denkapparat sinnlose Begriffe sind. Bei Schopenhauer gibt es dann noch das „Ding an sich“, das frei ist, weil es per Definition das ist, was die Dinge außerhalb unserer Vorstellung sind, wo Freiheit dann wieder möglich ist. Mathematischer Zufall ist aber ein sehr erfolgreiches Modell zur Beschreibung der Welt, die uns umgibt – vom Lotto bis zur Quantenphysik. Nicht zuletzt ist es eine sprachliche Erleichterung, einfach von Zufall zu sprechen. Ich tue das auch.

Mit welcher Art von Zufällen beschäftigen Sie sich?

Mich interessiert, warum manche Arten des Zufalls in ganz verschiedenen Bereichen auftauchen: von Warteschlangen übers Kartenmischen bis hin zu Turbulenzen in flüssigen Kristallen.

Kürzlich haben Sie eine Vorlesung zur Mathematik des Kartenmischens gehalten. Welche Tipps haben Sie fürs nächste Kartenspiel?

Man muss häufiger mischen, als man denkt! Bei 52 Karten muss man den Stapel zum Beispiel mindestens sieben Mal teilen und die Karten dann ineinander schnurren lassen, um sie zu durchmischen.

Was verraten Markov-Ketten darüber, wie lange ich in einer Schlange warten muss?

Im Supermarkt wäre es klüger, eine Schlange zu haben, die sich dann auf alle Kassen aufteilt, anstatt eine Schlange pro Kasse. In Paris war das bei meinem Supermarkt üblich, in Deutschland habe ich das leider noch nicht gesehen.

Was untersucht die statistische Mechanik?

Das ist Physik mithilfe der Wahrscheinlichkeitstheorie.

Wie wahrscheinlich war es, dass Sie an die Universität Potsdam kommen würden?

An welcher Uni genau man arbeitet, hängt von so vielen Faktoren ab, dass ich sagen würde, es war wohl ziemlich unwahrscheinlich.

Hat ein Zufall schon einmal Ihren Lebensweg beeinflusst?

Oh ja, vor allem zufällige Begegnungen, auch mit Kollegen.

Wann begannen Sie, sich für Mathematik zu interessieren?

Ich habe schon in der Grundschule versucht, einen anderen Weg zu finden, schriftlich zu multiplizieren, und habe beim Kopfrechnen Schokolade gewonnen. :)

Was gefällt Ihnen an Ihrem Beruf am besten?

Etwas Neues zu verstehen und anderen das mitteilen zu können.

Was gar nicht?

Zeitdruck.

Wenn Sie den Wissenschaftsbetrieb ändern könnten, würden Sie …

… die Dauer von Berufungsverfahren drastisch verkürzen und mehr Menschen mit Migrationsgeschichte an die Unis holen.

Was würden Sie gerne können?

Mehr Fremdsprachen.

Worüber haben Sie sich zuletzt gefreut?

Über ein tolles Abendessen beim Franzosen an meinem Geburtstag, mit Austern als Vorspeise.

Haben Sie ein Lebensmotto?

Eigentlich nicht, aber ich mag das rheinische „Et hätt noch immer jot jejange“.

Berge oder Meer?

Ich finde Bergseen toll.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2023 „Mentale Gesundheit“ (PDF).