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Zehn Fragen für ein Buch – „‚They Took to the Sea‘: Jewish History and Culture in Maritime Perspective(s)“

Dr. Björn Siegel
Foto : Privat
Dr. Björn Siegel, der Herausgeber des Buches „‚They Took to the Sea‘: Jewish History and Culture in Maritime Perspective(s)“

Zehn Fragen für ein Buch, gestellt an Dr. Björn Siegel, einen der Herausgeber des Buches „‚They Took to the Sea‘: Jewish History and Culture in Maritime Perspective(s)“, Universitätsverlag Potsdam, 2023.

Was steht in Ihrem Buch – in drei Sätzen?

Die 28. Ausgabe von PaRDeS, der Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien, lädt dazu ein, jüdische Geschichte und Kultur von maritimen Perspektiven aus neu zu entdecken. Mit dem Titel „‚They Took To The Sea‘ – Jewish History and Culture in Maritime Perspective(s)“ wollten die Herausgeber, d.h. Markus Krah, Oskar Czendze und ich selbst, den Blickwinkel erweitern und gleichzeitig einen Bezug zu Samuel Tolkowsky herstellen, der 1964 eine gleichnamige Studie zur maritimen-jüdischen Geschichte und Kultur herausgegeben und damit als einer der ersten auf die Verbindung des „Jüdischen“ und „Maritimen“ aufmerksam gemacht hat. Somit nimmt der vorliegende PaRDeS-Band die See und unterschiedliche maritime Räume zum Ausgangspunkt, um jenseits der oft bekannten Bezüge die Verwobenheit jüdischer Geschichte und Kultur mit dem maritimen Raum in der Moderne zu verdeutlichen.

Hat Ihr Buch eine Geschichte?

Jeder PaRDeS-Band ist ein Unikat und eine Gemeinschaftsproduktion vieler Mitwirkender. Denn neben dem thematischen Fokus, der sich originär aus meinem Interesse an dem maritimen Raum entwickelt hat, da ich über das Schiff als Ort in der jüdischen Migrationsgeschichte arbeite, richtet sich der Band auch an alle Forschenden und Interessierten im Kontext der Jüdischen Studien wie auch in anderen Disziplinen, die sich mit der angebotenen thematischen Brille neue Perspektiven aneignen wie auch dank des Rezensionsteils einen Überblick über neuere Forschungsarbeiten erhalten wollen.
 
Was ist das Besondere an ihrem Buch?

Normalerweise stellt man nicht unmittelbar Verbindungen zwischen maritimen Themen und jüdischer Geschichte und Kultur her. Zwar stehen vielen sicherlich einzelne Assoziationen schnell vor Augen, wie z.B. die Teilung des Roten Meeres und der Auszug der Hebräer aus Ägypten. Dennoch sind die Anknüpfungspunkte viel reichhaltiger, als diese ersten Bilder es vermuten lassen. Insbesondere in der Moderne treten Verbindungen auf, die auch ein neues und breiteres Verständnis der jüdischen Geschichte und Kultur zu lassen. Denn das Meer und die verschiedenen maritimen Räume waren wichtige Orte der eigenen Identitätsfindung und der Aushandlung von Interessen wie auch ein Ort der Verarbeitung eigener Wünsche und Vorstellungen.
 
Sie veröffentlichen im Universitätsverlag Potsdam – und damit open access. Warum?

Der Universitätsverlag Potsdam ist ein langjähriger Partner der Vereinigung für Jüdische Studien e.V. und PaRDeS. Die eingespielte Zusammenarbeit und gegenseitige Wertschätzung sind besonders und tragen zur Qualität von PaRDeS bei. Insbesondere die Open-Access-Optionen des Universitätsverlags Potsdam bieten genau die Möglichkeiten an, die für PaRDeS und die Vereinigung für Jüdische Studien e.V. wichtig sind: Zum einen wären dies eine niederschwellige Zugriffsoption und eine hohe digitale Präsenz, zum anderen aber auch eine internationale Vernetzungsmöglichkeit, die besonders für das Feld der Jüdischen Studien mit ihren weltweiten Forschungszentren wichtig ist.
 
Wer sollte Ihr Buch lesen – und wann?

Der Band richtet sich an alle Interessierten, die Lust haben, neue Blicke auf jüdische Geschichte und Kultur zu erhalten und – vielleicht auch auf ungewöhnliche Weise – die Verbindungen zwischen „Jüdischem“ und „Maritimem“ kennenzulernen. Dabei werden verschiedene maritime Räume und ihre Funktionen vorgestellt, wie z.B. das Schiff als Raum für Reflexionen über jüdische Identität(en), der maritime Raum und seine ökonomisch-ideologische Relevanz, das Meer als Ort der Geschlechterbeziehungen oder als Raum der Zukunftsgestaltung sowie die See als Ort der Auseinandersetzung über sephardische Geschichte oder auch als Raum der Imaginationen, wie z.B. über jüdische Piraten. All diese unterschiedlichen Aspekte laden dazu ein, neben den etablierten Perspektiven auf jüdische Geschichte und Kultur auch die maritime Seite zu entdecken.

Was lesen Sie selbst?

In meiner Freizeit lese ich ebenfalls gerne und manchmal spielen „Jüdisches“ und „Maritimes“ auch eine Rolle. Gerade lese ich von Thomas Harding das Buch „Sommerhaus am See – Fünf Familien und 100 Jahre deutscher Geschichte“ (dtv, 2016), das auf unkomplizierte Weise deutsche, jüdische und lokale Geschichte mit ihren vielfältigen Facetten sichtbar macht.
 
Was hat Spaß gemacht beim „Buchmachen“?

Jeder Band ist eine ganz besondere Herausforderung, denn von der ursprünglichen Idee bis zum endgültigen In-der-Hand-Halten des Bandes bzw. der Online-Schaltung ist es ein spannender Weg. Auch für uns als Herausgeber ist es immer wieder ein Lernprozess, der uns mit bekannten wie unbekannten Kolleg:innen zusammenführt, neue Themen und neues Wissen eröffnet und dank der professionellen Unterstützung des Universitätsverlag Potsdam immer wieder in Berührung mit der eigentlichen Produktion bringt. Dank der internationalen Ausrichtung von PaRDeS und der damit einhergehenden Verwendung der englischen Sprache haben wir über die nationalen und disziplinären Grenzen hinweg viele neue Einblicke in Forschungsarbeiten erhalten, die die Breite der Jüdischen Studien repräsentieren. Somit wurden auch wir als Herausgeber immer wieder durch die verschiedenen Artikel aufgefordert, uns auf unbekanntes Terrain, wie z.B. das „Meer“, zu begeben, um Neues über jüdische Geschichte und Kultur zu lernen.
 
Welche Bedeutung hat das Coverbild?

Das Coverbild zeigt einen Kai im alten Hafen von Triest und leitet den Blick hinaus auf das Meer. Die Veränderung des Bildes von Schwarz-Weiß auf Farbe drückt die Verbindung von Gegenwart und Vergangenheit aus, die der vorliegende Band von PaRDeS herstellen möchte. Während der Kai heute ein fester Bestandteil der maritimen Geschichte Triests und ein beliebter Touristenort ist, war er einer der Orte, von dem unzählige Emigrant:innen ihren Weg in eine neue Heimat in Nord- und Südamerika, aber auch Israel angetreten haben. Triest galt als das „Tor nach Zion“, da die gut vernetzte und etablierte italienische Reederei Lloyd Triestino Migrationswege in die verschiedenen Teile dieser Welt anbot und sich damit auch in ein kollektives jüdisches Gedächtnis eingeschrieben hat. So folgt das Cover unserem Aufruf, durch den Blick aufs Meer bzw. auf maritime Räume, jüdische Geschichte und Kultur neu zu entdecken – gestern wie heute.
 
Wenn Sie könnten: Würden Sie sich für das Buch einen Preis verleihen – und wenn ja, welchen?

Sich selbst einen Preis zu verleihen, ist vielleicht etwas komisch: Aber um im Thema des Bandes zu bleiben, würden wir vielleicht der neuesten PaRDeS-Ausgabe das „Blaue Band“ verleihen. Dies war eine Auszeichnung, die dem Schiff verliehen wurde, das am schnellsten die Transatlantik-Überquerung von Europa nach Übersee, insbesondere nach New York absolviert hatte. Neben der Schnelligkeit stand diese Auszeichnung auch für die internationale Vernetzung, die Suche nach neuen und modernen Möglichkeiten des Fortschrittes sowie eine hohe Qualität und die Hoffnung, Menschen für neue maritime Perspektiven zu begeistern. Auf ähnliche Ideen setzt auch der neueste, nun vorliegende Band von PaRDeS, und könnte damit ein Blaues Band verdienen.

Und nun noch 3 Sätze zu Ihnen …

Die Herausgeberschaft von PaRDeS war eine Gemeinschaftsarbeit von Markus Krah, Oskar Czendze und mir selbst. Das Bandthema wies dabei viele Überschneidungen mit meinen eigenen maritimen und migrationshistorischen Forschungsthemen auf, die ich im Rahmen meiner Tätigkeit als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für die Geschichte der deutschen Juden in Hamburg bearbeite. Dazu zählen zum einem ein Projekt zum Schiff als Ort in der jüdischen Migrationsgeschichte und zum anderen eine biografische Studie über Fritz Pinkuss, dem Oberrabbiner der CIP in São Paulo Brasilien.

 

„Zehn Fragen für ein Buch“ öffnet die Tür zum Potsdamer Universitätsverlag und stellt regelmäßig Neuerscheinungen vor. „‚They Took to the Sea‘: Jewish History and Culture in Maritime Perspective(s)“ ist hier online verfügbar.
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