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Gefahren bei Überschwemmungen und Dürren erkennen: Wissenschaft nimmt Risiken bei Extremereignissen in den Blick

Illustration: blauer Regenschirm
Prof. Dr. Peter van der Beek im Interview.
Prof. Dr. Annegret Thieken
Prof. Thorsten Wagener, Ph.D. im Interview.
Quelle : Andreas Töpfer
Gefahren bei Überschwemmungen und Dürren erkennen: Wissenschaft nimmt Risiken bei Extremereignissen in den Blick
Foto : Kevin Ryl
Prof. Dr. Peter van der Beek im Interview.
Foto : Tobias Hopfgarten
Prof. Dr. Annegret Thieken
Foto : Kevin Ryl
Prof. Thorsten Wagener, Ph.D. im Interview.

Wassermassen, die Schlamm vor sich herschieben und Geröll auftürmen. Idyllische Bäche, die in wenigen Stunden zu reißenden Flüssen werden und Brücken, Häuser, Straßen wie Spielzeug unter sich begraben. Wir erinnern uns noch gut an die Bilder des Sommers 2021 aus der Eifel: Die Hochwasserkatastrophe kostete allein in Deutschland fast 190 Menschen das Leben und verursachte Sachschäden in Milliardenhöhe. Nur ein Jahr danach legte sich über ganz Europa eine außergewöhnliche Dürre mit signifikanten Auswirkungen für unsere Gesellschaft. Tanklaster mussten Dörfer im Norden Italiens mit Trinkwasser versorgen, die Schifffahrt auf dem Rhein kam fast zum Erliegen und in vielen Regionen hat die Landwirtschaft große Einbußen hinnehmen müssen. Solche Extremereignisse bringen unsere Gesellschaft an die Grenzen. Daher nehmen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler aus Potsdam diese gezielt in den Blick: Sie wollen extreme Wasserereignisse aus allen Perspektiven quantifizieren, einordnen und bewältigen. Mit diesem Projekt hofft die Universität Potsdam, sich mit den angeschlossenen Partnern im Exzellenz-Wettbewerb durchzusetzen. Silke Engel hat mit den drei Initiatoren des Antrags, Prof. Thorsten Wagener, Ph.D., Prof. Dr. Annegret Thieken, und Prof. Dr. Peter van der Beek über Naturrisiken, die Rolle von Wasser und den Schutz vor Katastrophen gesprochen.

Warum tun wir uns mit extremen Wetterereignissen so schwer?

Thieken: Weil sie – wie der Name schon sagt – extrem sind und in sehr großen Abständen meist unerwartet vorkommen. Dabei können sich Gesellschaften eigentlich gut an Risiken anpassen, wenn sie mit häufigen und wiederholten Ereignissen verbunden sind. Doch die Risikobeherrschung versagt bei seltenen Ereignissen, die im Durchschnitt seltener als ein Mal in 100 Jahren auftreten. Diese Extreme fehlen oft in den Messreihen, die wir einer normalen Planung zugrunde legen. So ist unser Bild von den Extremereignissen nicht vollständig, was eine Kette an Folgen nach sich zieht.

Van der Beek: Das Hauptproblem ist, dass wir zu kurze Messreihen haben, um die Variabilität dessen, was auftreten kann, sowohl bei zu wenig Wasser als auch bei extrem viel Wasser wirklich gut beschreiben und abschätzen zu können. Zudem werden bestimmte Daten bisher nicht berücksichtigt, wie geologische Zeitreihen von Ablagerungen. Das wirkt sich auf die Risikobewertung aus. Wir werden immer wieder durch die Stärke von Extremereignissen überrascht, die sich nun auch durch den Klimawandel immer stärker ändern.

Wagener: Die Forschungsgemeinschaft muss das interdisziplinäre Wissen und die Fähigkeit zur Modellierung erst noch aufbringen, um die komplexen Risiken von zukünftigen Wasserextremen ganzheitlich quantifizieren zu können. Dazu gehören auch Wechselwirkungen und Rückkoppelungen mit und innerhalb der Gesellschaft. Diese wissenschaftliche Lücke hindert uns bisher daran, den dringend benötigten Rahmen zu schaffen, der die Erkenntnisse für eine effektive und robuste Entscheidungsfindung für widerstandsfähige Gesellschaften liefern könnte.

Können Sie dafür ein Beispiel nennen? Warum bringen Extremereignisse die Erkenntnisse durcheinander?

Thieken: Nehmen wir Deiche: Die werden gebaut, um die dahinterliegenden Gebiete zu schützen und um dort eine bestimmte Nutzung zu ermöglichen, z. B. Landwirtschaft. Deiche begrenzen wiederkehrende Überschwemmungen und schützen die Siedlungen dahinter. Tritt plötzlich ein Jahrhunderthochwasser auf, das die Deiche zerstört, versagt nicht nur der Schutz vor dem Wasser, sondern die Auswirkungen sind drastischer, als sie ohne die Deiche gewesen wären. In der Literatur wird das als paradox bezeichnet, weil der Schutz durch die Deiche den Schaden verhindern sollte, nun aber die Auswirkungen der Zerstörungen deutlich erhöht. Das ist der Fallstrick bei diesen technischen oder baulichen Maßnahmen wie Deichen, die bewähren sich innerhalb eines bestimmten Rahmens, für den sie ausgelegt sind. Wird dieser überschritten, bräuchte man einen zweiten Plan. In den Niederlanden zum Beispiel gibt es ein „Polder-Konzept“, damit beim Bruch eines Deiches das Wasser sich nicht ungehindert ausbreiten kann, sondern nur in einem bestimmten Ring bleibt.

Wagener: Paradox verhält es sich auch mit Stauseen oder Talsperren, die wir bauen, um Trockenperioden zu überbrücken. Jedoch führen diese in der Regel zu größerer Wassernutzung. Wenn Dürren durch den Klimawandel öfter auftreten, reichen die Wasserkapazitäten bei Weitem nicht mehr aus, um die angrenzenden Gebiete mit Wasser zu versorgen. Die Folgen der Dürre werden für die Menschen katastrophaler spürbar. Ganz verhindern lässt sich das nicht, aber die Risiken können minimiert werden, wenn Erkenntnisse solcher Nebeneffekte mit einbezogen werden.

Wo hat die Universität Potsdam schon profundes Wissen, das weiterentwickelt werden kann?

Thieken: Wir blicken in Potsdam auf über 150 Jahre Forschungstradition in den Geowissenschaften zurück. Daraus hervorgegangen sind zum Beispiel das Deutsche GeoForschungsZentrum (GFZ) und das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK). Mittendrin befindet sich die Universität Potsdam, die mit ihren 30 Jahren zwar deutlich jünger ist, aber in den Geo- und Umweltwissenschaften seit jeher auf Naturgefahren und interdisziplinäre Vernetzung fokussiert. Denken wir nur an die Plattform „Geo.X“ für geowissenschaftliche Forschung in Berlin und Potsdam.

Um diese Schwerpunktsetzung zu unterstreichen, wurden an der Universität Potsdam schon vor zehn Jahren Professuren geschaffen, die sowohl die Naturgefahrenprozesse wie Hangrutschungen oder Überflutungen untersuchen, als auch die gesellschaftlichen Risiken in den Blick nehmen. Das heißt, wir fragen schon länger, was gesellschaftliche Auswirkungen sind, die durch Prozesse der Naturgefahren hervorgerufen werden. Wie lassen sich diese Risiken minimieren? Und das ist natürlich eine gute Brückenfunktion, einerseits zu anderen naturwissenschaftlichen Lehrstühlen, die es mit der Hydrologie, der Geologie und der Mathematik gibt, andererseits zu den Verwaltungs- und Politikwissenschaften, die Folgen des Klimawandels für Entscheidungsträger in der Gesellschaft analysieren. Mit dem Antrag für ein Exzellenzcluster schaffen wir hier ein hervorragendes Fundament, um genau diese fächerübergreifende Expertise voranzutreiben.

Wagener: Die Universität Potsdam befindet sich im Zentrum eines florierenden, inspirierenden und wachsenden Forschungsumfelds mit besonderem Fokus auf Risiken durch Naturgefahren und Wasserextreme. Hier arbeiten bereits führende Forscherinnen und Forscher zusammen, um das System Erde zu verstehen. Durch gemeinsame Professuren mit den genannten Instituten – PIK, GFZ, aber auch dem Umweltforschungszentrum (UFZ) in Leipzig und dem Agrartechnischen Institut in Bornim (ATB) – hat die Uni Potsdam eine Forschungsgemeinschaft etabliert, auf der wir jetzt aufbauen. Unser Cluster integriert international führende Forscher wie die gemeinsam berufenen Profs. Johan Rockström (PIK) und Bruno Merz (GFZ) mit Forscher*innen, die noch am Anfang ihrer Karriere stehen, wie Prof. Eva Eibl (Uni Potsdam) oder Prof. Jakob Zscheischler (UFZ). Wir bringen außerdem Forschende aller Bereiche zusammen, in denen Wasserextreme relevant sind. Sehr wichtig ist, dass wir diese naturwissenschaftliche Forschung viel stärker mit den Sozialwissenschaften verbinden und Expertinnen der Uni Potsdam wie Prof. Sabine Kunstmann und Prof. Julia Fleischer mit einbeziehen.

Van der Beek: Fernerkundung ist eine große Stärke in Potsdam, etwa mit Prof. Dr. Bodo Bookhagen an der Uni Potsdam und Prof. Herold am GFZ als affiliierter Professor mit der Uni. Ich denke, was Potsdam besonders macht, ist die sehr starke Verbindung zwischen der Universität und den außeruniversitären Einrichtungen. Extrem viele gemeinsam Berufene, die Zusammenarbeit ist eingespielt, was sich nicht zuletzt an den vielen interdisziplinären Promotionsprojekten zeigt. Eine einmalige Praxis, eingeübt und mit Potenzial, das noch lange nicht ausgeschöpft ist. Nirgendwo anders gibt eine so starke Konzentration von Kompetenz und methodischer Vielfalt. Dazu gemeinsame Master- und Promotionsstudiengänge und eine breite Palette von Forschungsprojekten, die die Universität schon jetzt eng mit ihren außeruniversitären Partnern verbinden. Der Ausbau dieser bestehenden Synergien zu einem Exzellenzcluster wird uns in die Lage versetzen, die derzeitige Dynamik zu nutzen, um ein weltweit führendes Umfeld für Forschung, Ausbildung und Wissenstransfer zu schaffen.

Wie können die Stärken im Potsdamer Forschungsraum gebündelt werden?

Wagener: Die Universität Potsdam und die beteiligten Partner sind in den Hauptbereichen des Antrags schon jetzt wissenschaftlich führend: Unsere Forschenden treiben die großräumige Überwachung der Erde voran, indem wir innovative boden- und satellitengestützte Messungen durchführen und weiterentwickeln. Ein Beispiel ist die Einführung der seismischen Überwachung, um die Entwicklung von Massenabtragungen und Hochwasserereignissen zu beobachten. Wir waren die ersten, die ein Neutronenmesssystem für kosmische Strahlung auf Zügen der Deutschen Bahn installiert haben, um die Dynamik der Bodenfeuchtigkeit in noch nie da gewesenem Umfang zu quantifizieren. Unsere Fortschritte bei der Beobachtung beschränken sich nicht auf physikalische Prozesse. Wir haben auch die ersten sozialwissenschaftlichen Datensätze gesammelt und analysiert, um die Dynamik und Heterogenität der menschlichen Anfälligkeit und des Verhaltens als Reaktion auf Wasserextreme zu entschlüsseln.

Van der Beek: Die Forschenden der Uni, vom PIK, GFZ, UFZ und ATB, die an unserem Antrag beteiligt sind, haben weitreichende neue Erkenntnisse über Gefahrenprozesse durch Wasserextreme und deren Beeinflussung durch den Klimawandel gewonnen. So konnten wir beispielsweise aufzeigen, dass extreme Hochwasser von Prozessen beherrscht werden, die sich von denen unterscheiden, die häufigere Überschwemmungen steuern, was entscheidende Auswirkungen auf deren Vorhersage und Management hat. Wir erforschen wie sich der Klimawandel auf die Häufigkeit von Hochwassern, Erdrutschen, Dürren und Waldbranden auswirkt. Und vor allem, wie diese Extreme untereinander verbunden sind, da sie in Kombination viel größere Auswirkungen haben, als wenn sie allein auftreten.

Kann die Wissenschaft künftig Katastrophen wie im Ahrtal verhindern?

Thieken: Gänzlich verhindern nicht, aber Risiken und Schäden können besser eingeschätzt werden, sodass rechtzeitig Maßnahmen zur Schadenreduktion eingeleitet werden können. Schon jetzt suchen beispielsweise Expertinnen und Experten im Ahrtal systematisch nach Rückhalteräumen, in denen auftretende Wassermassen zwischengespeichert werden. Das ist auf jeden Fall wichtig, um die Spitze zu kappen, damit nicht der gesamte Niederschlag des Starkregens direkt im Fluss landet. Deiche zu bauen kommt in einem engen Tal nicht in Frage. Bei dem Hochwasser in der Eifel haben wir auch gesehen, dass Autos, Baumstämme, Geröll, Sediment mit gespült und die Brücken verstopft haben. Irgendwann war der Wasserdruck so stark, dass eine Welle durchgebrochen ist, die dann wiederum noch schwerwiegender wütete und die Brücken eingerissen hat. Das heißt: Für solche neuralgischen Stellen braucht es beim Wiederaufbau gute Konzepte. Brücken sollten durchlässiger, größer gebaut werden, um diesen Verstopfungen vorzubeugen. Extreme Ereignisse werden auf Karten markiert, um stark gefährdete Gebiete auszuweisen. Diese Regionen müssen frühzeitiger evakuiert werden, um zumindest die Anzahl der Opfer und Verletzten zu minimieren, und auch, um die Belastung der Menschen durch das Hochwasser gering zu halten. Viele haben in der Nacht das Hochwasser hautnah miterlebt – ein traumatisches Ereignis, das mit dem Gefühl des Kontrollverlustes einhergeht. Dafür braucht es gute Warnsysteme, funktionierenden Katastrophenschutz und Ideen, um den Wiederaufbau relativ schnell und unkompliziert zu gestalten.

Wagener: Auch hierzu existiert in Potsdam bereits vielfältige Kompetenz. Wir haben empirisch abgeleitete Hochwasserschadensmodelle entwickelt. Sie berücksichtigen Einflussfaktoren wie physikalische Prozesse, aber auch menschliches Verhalten. So werden die Bewertungen präziser und die Vorhersagen der Hochwasserfolgen realistischer. Wir gehören zu den Ersten, die Interaktionen in der internationalen Multi-Level-Risk-Governance untersuchen und quantifizieren und so beispielsweise den wichtigen Einfluss informeller Akteure auf die Gestaltung der Klimapolitik aufzeigen. Wir haben den ersten globalen Datensatz zusammengestellt, der zeigt, dass wir aus wiederholten Dürren und Überschwemmungen nur unzureichend lernen. Das war zwar erst einmal ein negatives Ergebnis, aber es hat auch gezeigt, dass wir in der Zukunft noch viel besser machen können, wenn wir die wissenschaftliche Basis für unsere Entscheidungen verbessern.

Van der Beek: Genau hier brauchen wir verstärkt die Sozialwissenschaften. Die Gesellschaft ist kein passiver Empfänger von Risiken. Vielmehr erhöht unser Verhalten dieses Risiko teilweise, zum Beispiel, indem wir in Gefahrenzonen wohnen. Wir müssen die Dynamiken zwischen Extremen und der Gesellschaft besser verstehen. Darüber hinaus werden die Kommunikation und der Transfer wissenschaftlich basierter Sachverhalte für Entscheidungsträger und die Meinungsbildung in einer Gesellschaft immer relevanter. Die Politik muss künftig über Risiken mit großen Unsicherheiten informieren. Wir können extreme Niederschlagsereignisse nicht verhindern, wohl aber deren Auswirkungen auf unser Leben.

Ihre Vision: Wasserextreme zu verstehen, zu simulieren und mit Handlungsanweisungen darauf zu reagieren – um die Risiken zu minimieren. Ein sehr großes Vorhaben, das nach den Sternen greift?

Van der Beek: Wir haben sehr gute Voraussetzungen, um hier mit größeren Visionen und Projekten an den Start zu gehen. Über Cluster-Forschung lässt sich in größeren Gruppen arbeiten, um langfristig noch weiter voranzukommen als alles Bisherige. Um uns vor extremen Ereignissen zu schützen, müssen wir dringend unsere Modelle voranbringen, die Methoden der Forschungen weiterentwickeln. Natürlich ist es auch wichtig, den Klimawandel selbst zu verlangsamen. Parallel müssen wir aber diese Extreme besser verstehen, um uns dagegen rüsten zu können.

Thieken: Und die Schadensanfälligkeit wird zentral. Hier wollen wir ganz gezielt Daten erheben. Wichtig sind sogenannte „Längsschnitt-Studien“, in denen Individuen über eine längere Zeit begleitet werden, um Daten zu ihrem Vorsorgeverhalten, zur Wahrnehmung von Gefahren, von Schutzmöglichkeiten, von Ressourcen etc. über einen längeren Zeitraum zu erfassen. Auf dieser Grundlage können wir dann deutlich bessere Modelle entwickeln, sodass die Vorhersagen wiederum deutlich optimiert werden.

Was ist das Neue, wie erweitern Sie vorhandene Ansätze?

Thieken: Wir führen drei große Forschungsfelder zusammen: Die Naturgefahren/-prozesse, deren Wechselwirkung mit der Gesellschaft und integrierte Modelle zur Darstellung. So werden wissenschaftlich basierte Erkenntnisse differenziert und verständlich aufbereitet. Auf einer solchen Grundlage können politische Entscheidungsträger mit verschiedenen Szenarien kalkulieren. Hier planen wir Instrumente der virtuellen Realität einzusetzen, um solche Entscheidungsprozesse zu unterstützen, indem die Szenarien nachvollziehbar werden. Wir wagen den Versuch, grundlagenorientierte Forschung in die Anwendung und den Transfer zu bringen. Einen größeren Mehrwert kann es nicht geben, oder? Nehmen wir z. B. das Harding Center, das berühmt ist für seine Risikokommunikation. Risiken basieren auf Wahrscheinlichkeiten, doch viele Entscheidungsträger tun sich damit schwer, entsprechende Modelle oder Studien richtig zu interpretieren. Hier wollen wir die wertvolle Arbeit des Harding Centers nutzen, um unsere Ergebnisse besser zu kommunizieren, damit die Menschen eben auch diese Wahrscheinlichkeiten verstehen und interpretieren können.

Was bringt ein Exzellenzcluster der Universität Potsdam?

Wagener: Ein Cluster in diesem Bereich wäre ein großer Erfolg. Für Potsdam, Brandenburg und darüber hinaus. Der Bedarf an besserer wissenschaftlicher Basis für die Entscheidungsfindung von Städten, Gemeinden, Ländern, dem Bund und auch internationalen Organisationen wie der Weltbank ist riesig. Es wäre eine sehr konsequente Fortführung der Arbeit, die wir in Potsdam betreiben. Inhaltlich und in der Zusammenarbeit erwarte ich einen richtigen Push, der die interdisziplinäre Kooperation von Mathematik, Physik, Geowissenschaften, Umweltwissenschaften, aber auch mit Politik- und Verwaltungswissenschaften intensiviert und umfassender gestaltet. Wir erwarten, dass ein Exzellenzcluster zu Wasserextremen im nächsten Jahrzehnt zu bahnbrechenden Fortschritten führen wird. Wir streben eine integrierte Risikobeschreibung an, die auf einem schrittweisen Wandel unseres quantitativen Verständnisses seltener Wasserextreme und ihrer Interaktion mit der Gesellschaft (menschliches Verhalten und Steuerung) beruht. Ein integrierter wissenschaftlich fundierter Ansatz würde bedeutende Fortschritte entlang der gesamten Risikokette im integrierten System Mensch–Erde ermöglichen: vom Verständnis über die Vorhersage bis hin zum Management.

Und mit dem Cluster könnte eine neue Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern ausgebildet werden?

Van der Beek: Es kann gar nicht hoch genug eingeschätzt werden, welche Auswirkungen ein Cluster für die wissenschaftliche Gemeinschaft in Potsdam haben würde. Das würde die Entwicklung der Universität Potsdam zu der Forschungsuniversität, die wir uns wünschen, entscheidend voranbringen. Ein solches Cluster würde ein einzigartiges, international führendes exzellentes Zentrum für Wasserextreme und deren Risiken schaffen. Das Cluster würde die Ausbildung einer neuen Generation von Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern und die Entwicklung einer gemeinsamen wissenschaftlichen Kultur über akademische Disziplinen hinweg ermöglichen, was für das Verständnis und die Bewältigung der Komplexität von Wasserextremen unerlässlich ist.

Die Forschenden

Prof. Dr. Annegret Thieken studierte Geoökologie an der TU Braunschweig und Umweltwissenschaften an der Universität von Amsterdam. Seit 2011 ist sie Professorin für Geographie und Naturrisikenforschung an der Universität Potsdam.
E-Mail: annegret.thiekenuni-potsdamde

Prof. Dr. Peter van der Beek studierte Geologie an der Freien Universität Amsterdam. Mehr als 20 Jahre lang forschte er an der Université Joseph Fourier in Grenoble, Frankreich und ist seit 2020 Professor für Allgemeine Geologie an der Universität Potsdam.
E-Mail: vanderbeekuni-potsdamde

Prof. Thorsten Wagener, Ph.D. studierte Bauingenieurwesen an der Universität Siegen und der Delft University of Technology in den Niederlanden. Als Professor war er bereits an der Pennsylvania State University (USA) und der University of Bristol (Großbritannien) tätig. Seit Januar 2021 ist er Alexander von Humboldt-Professor für die Analyse hydrologischer Systeme an der Universität Potsdam.
E-Mail: thorsten.wageneruni-potsdamde

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Zwei 2023 „Exzellenz (PDF).