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Beschäftigte allein zu Haus? – Wie Homeoffice ihre Verhandlungsleistung beeinflusst

Prof. Dr. Uta Herbst (links) und Jacqueline Sube (rechts) im Interview.
Foto : Sandra Scholz
Prof. Dr. Uta Herbst (links) und Jacqueline Sube (rechts) im Interview.

Von zuhause aus arbeiten, statt täglich ins Büro zu fahren? Das ist für viele attraktiv. Seit die COVID- 19-Pandemie im Frühling 2020 zahlreiche Beschäftigte ins Homeoffice zwang, sparen sich etliche von ihnen auch drei Jahre später den täglichen Arbeitsweg. Online- Meetings, Telefonkonferenzen und andere digitale Lösungen machen es ihnen möglich, ihre Aufgaben in den eigenen vier Wänden zu erledigen. Ob das die Qualität der geleisteten Arbeit verändert, haben Uta Herbst, Professorin für Marketing, und ihre Doktorandin Jacqueline Sube in Kooperation mit Prof. Markus Voeth und seiner Doktorandin Joana Roth vom Lehrstuhl für Marketing und Business Development der Universität Hohenheim untersucht. Dabei interessierten sie sich vor allem dafür, ob man vom heimischen Schreibtisch aus genauso erfolgreich verhandelt wie bei den Geschäftspartnern vor Ort oder im Büro.

„Der durchschnittliche Arbeitnehmer verbringt etwa 30 Prozent seiner beruflichen Zeit mit Verhandlungen“, erklärt Uta Herbst. „Jeder verhandelt“, ist die Wissenschaftlerin und Verhandlungsexpertin überzeugt. Im Uni-Alltag geht es etwa um Dienstreisen oder Forschungssemester. In anderen Berufsfeldern – wie im Personalwesen, im Ein- und Verkauf, im Management von Unternehmen oder auf Ebene der Geschäftsführung – wird besonders viel verhandelt: über Preise und Lieferzeiten, über Rabatte, Gehälter, Urlaubsanträge und Vertragsklauseln.

Rund 400 Vertreterinnen und Vertreter dieser verhandlungsintensiven Berufsfelder befragten Jacqueline Sube und Joana Roth in einem Online-Survey. Sie wollten wissen, wie sich im Homeoffice bestimmte Parameter entwickeln, die großen Einfluss auf Arbeitsmotivation und Leistung haben. „Haben Sie sich heute Morgen auf Ihre Arbeit gefreut? Haben Sie Ihre gesetzten Ziele erreicht? Denken Sie, es wäre ein besseres Verhandlungsergebnis möglich gewesen? Glauben Sie, dass Sie mit diesem Partner erneut ein Geschäft abschließen werden?“ Diese und weitere Fragen sollten die Teilnehmenden beantworten – einmal für den aktuellen Zeitpunkt im Homeoffice und aus der Erinnerung heraus, als sie noch täglich im Büro waren. Die statistische Auswertung zeigte, wie sehr sich die Beschäftigten zum jeweiligen Zeitpunkt mit ihrem Verhandlungspartner, dem Arbeitgeber oder den Arbeitszielen verbunden fühlten, wie frei sie ihren beruflichen Alltag gestalten konnten oder wie sehr sie sich in ihrem Job engagierten. All das hat großen Einfluss auf die Leistungsbereitschaft und den Ausgang von Verhandlungen.

„Die Studienergebnisse müssen wir nun sehr differenziert betrachten“, sagt Jacqueline Sube. Denn es gibt gute und schlechte Nachrichten für die Freunde des Homeoffice. Wer von zuhause aus arbeitet, kann viele Entscheidungen frei treffen, seinen Arbeitsalltag selbstbestimmt organisieren und den Arbeitsrhythmus an die eigenen Bedürfnisse anpassen. „Die Autonomie nimmt zu“, erklärt die Forscherin, „und das steigert die Performance.“ Wer freier entscheiden kann, verhandelt also besser. Ebenso wächst im Homeoffice das sogenannte Ziel-Commitment: Beschäftigte identifizieren sich stärker mit den Zielen ihrer Arbeit und kommen so zu besseren Ergebnissen.

Auf der anderen Seite verringert Homeoffice das berufliche Engagement sowie das Verbundenheitsgefühl, das die Beschäftigten zu ihrem Arbeitgeber und ihrem Verhandlungspartner haben. Zuhause sinkt das Interesse, sich für die Arbeit einzusetzen – und damit auch die Leistung bei Verhandlungen. „Das ist wenig erstaunlich“, findet Uta Herbst, denn „die Anwesenheit vor Ort und der Kontakt zu Kollegen motivieren uns.“ In den eigenen vier Wänden ist die Distanz zum Unternehmen größer als im Büro, worunter offenbar die Leistungsbereitschaft leidet. Auch einige andere Parameter, die für erfolgreiches Verhandeln notwendig sind, schneiden im Homeoffice schlechter ab. So ist ein gutes Verhältnis zum Verhandlungspartner ein wichtiger Erfolgsfaktor, der durch ausschließlich digitale Kommunikation sinkt.

Die Ergebnisse zeigen: Bei Verhandlungen sollten Unternehmen Vorsicht walten lassen, denn wenn nicht optimal verhandelt wird, droht hoher ökonomischer Schaden. „Es gibt Tätigkeiten, die besser für das Homeoffice geeignet sind“, erklärt Uta Herbst. „Etwa wenn der Informationsfluss nur in eine Richtung geht. Aber wenn man gemeinsam eine Lösung finden muss, ist der persönliche Kontakt wichtig.“

In Zukunft werden sich die Unternehmen noch stärker als bisher mit dem Thema befassen müssen, davon ist das Forschungsteam überzeugt. Denn Homeoffice ist gekommen, um zu bleiben. Geschäftsführungen und Management müssen Chancen und Risiken ausloten und die Folgen analysieren, um darauf reagieren zu können. „Die bisherige Forschung zeigt, dass etwa Feedbackgespräche sehr hilfreich sein können, um negative Effekte abzufangen“, erklärt Jacqueline Sube. Notwendig ist ein Umdenken auch deshalb, weil in den kommenden Jahren eine Generation ins Berufsleben einsteigen wird, die bereits im Studium mehr Zeit zuhause als im Hörsaal verbracht hat. Viele der Studierenden wollen nur noch im Homeoffice arbeiten. Was hat das für Folgen? Bleiben Zusammenhalt und das Gefühl der Verbundenheit zur Firma auf der Strecke? „Darüber wird noch zu wenig nachgedacht“, meint Uta Herbst. „Wir sollten unsere Studie in zwei bis drei Jahren wiederholen, um diese Generation abzubilden“, sagt die Wissenschaftlerin. „Da mache ich mir wirklich Sorgen.“

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2023 „Zukunft“ (PDF).