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Die versteckte Eisschmelze – Wie Gletscher im Himalaya unter Wasser unsichtbar verschwinden

Blick auf einen Gletschersee vor einem Berg
Foto : G. Zhang
Gletschersee im Himalaya

Zahlreiche Gletscher im Himalaya verlieren deutlich mehr Masse, als bislang angenommen wurde. Wie eine aktuelle Studie eines multinationalen Forschungsteams mit Beteiligung der Universität Potsdam zeigt, liegt der tatsächliche Masseverlust rund 6,5 Prozent über bisherigen Schätzungen. Das Team, zu dem Dr. Georg Veh vom Institut für Umweltwissenschaften und Geographie der Uni Potsdam gehört, hat seine Forschungsergebnisse nun in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ veröffentlicht. Die Erkenntnisse haben auch Auswirkungen auf die Vorhersagen des weiteren Gletscherschwundes und der Wasserressourcen in der Region.

Anhand von Satellitendaten und lokalen Vermessungen von Gletscherseen stellte das Team fest, dass die Anzahl der Seen im Himalaya, die sich in direktem Kontakt mit den Gletschern befinden, in den Jahren 2000 bis 2020 um rund 47 Prozent zugenommen hat. Außerdem waren sie im selben Zeitraum flächenmäßig um 33 Prozent gewachsen, ihr Volumen nahm sogar um 42 Prozent zu. Die wachsenden Schmelzwasser-Seen bedeuten gleichzeitig einen Verlust von rund 2,7 Gigatonnen an Eismasse. Das entspricht in etwa dem Gewicht von 570 Millionen Elefanten. Bei bisherigen Studien fanden diese Verluste keine Berücksichtigung, da die dabei verwendeten Satellitendaten nur die Änderungen der Wasseroberfläche messen konnten, aber nicht das Eis, das durch Schmelze zu Wasser geworden war.

Berechnungen des Forschungsteams ergaben, dass der Masseverlust von Gletschern, die in Seen münden, bislang im Durchschnitt um rund 6,5 Prozent unterschätzt wurde. Der Verlust im zentralen Himalaya war sogar zehn Prozent größer als in vorherigen Analysen, da dort die Gletscherseen am schnellsten gewachsen sind. Ein Sonderfall ist der Galong See, wo der Verlust an Gletschermasse sogar um 65 Prozent unterschätzt wurde.

„Diese Erkenntnisse haben große Bedeutung für das Verständnis der Auswirkungen auf die regionalen Wasserressourcen“, erklärt der Erstautor der Studie Guoqing Zhang vom Institute of Tibetan Plateau Research der Chinese Academy of Sciences. „Wenn man den Masseverlust dieser Gletscher berücksichtigt, kann man ihre jährliche Massenbilanz im Vergleich zu jenen, die auf normaler Landoberfläche enden, genauer bewerten. Das zeigt den beschleunigten Masseverlust der Gletscher im gesamten Himalaya noch deutlicher.“

Die Studie deutet darauf hin, dass der Schwund von Gletschern, die in Gletscherseen enden, auch global gesehen bislang unterschätzt worden ist. Schätzungen gehen hier davon aus, dass weltweit rund 211,5 Gigatonnen oder etwa zwölf Prozent mehr Gletschermasse bei den in Seen mündenden Gletschern verloren gegangen ist, als bisher angenommen.

Co-Autor Dr. Georg Veh betont besonders die Gefahren von Flutwellen durch ausbrechende Gletscherseen: „Einige dieser Seen sind potenziell instabil und können sich plötzlich in katastrophalen Flutwellen entleeren.“ Wachsende Gletscherseen würden dieses Gefährdungspotenzial noch zusätzlich verschärfen, sagt der Geomorphologe: „Gletscher und Gletscherseen müssen daher besser überwacht werden um Risken, sowohl vor Wasserknappheit als auch vor Überflutungen, im Himalaya besser einschätzen zu können.“

 

Zur Publikation:
Guoqing Zhang, Tobias Bolch, Tandong Yao, David R. Rounce, Wenfeng Chen, Georg Veh, Owen King, Simon K. Allen, Mengmeng Wang und Weicai Wang: Underestimated mass loss from lake-terminating glaciers in the greater Himalaya
Nature Geoscience: https://www.nature.com/articles/s41561-023-01150-1
DOI: https://doi.org/10.1038/s41561-023-01150-1