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Mit der AR-Brille zum besseren Durchblick – Gerold Zeilinger will mit Augmented Reality Entscheidungen in der Landschaftsplanung erleichtern

Geowissenschaftler Dr. Gerold Zeilinger mit AR-Brille
Foto : Sandra Scholz
Geowissenschaftler Dr. Gerold Zeilinger mit AR-Brille

Viele Menschen können sich komplexe Objekte im Raum nicht vorstellen, wenn sie sie auf einem flachen Plan oder einer Karte sehen. Soll zum Beispiel eine Windkraftanlage aufgestellt oder ein Deich angelegt werden, lassen sich die Auswirkungen am einfachsten in der realen Landschaft selbst vermitteln“, sagt Gerold Zeilinger. Möglich wird das mit der Augmented Reality-Technologie, die der Geologe für die Landschaftsplanung adaptiert. „Wir nehmen kein digitales Abbild der Natur und zeigen es in einer Visualisierung in einem Raum oder in einem Labor, sondern gehen an den Ort des Geschehens, nach draußen. Das ist die Innovation“, betont der Wissenschaftler. Kommunen, Umweltämter, Landschaftsgestaltung, Architekturbüros, aber auch die Bauindustrie können damit arbeiten, um geplante Veränderungen besser diskutieren und Entscheidungen treffen zu können, so Zeilinger.

Sein Projekt „Visualisierung von Landschaftsveränderungen mittels AR in realer Umgebung“ erhielt 2021 einen FöWiTec-Preis, mit dem die Universität Potsdam den Wissens- und Technologietransfer finanziell unterstützt. Die Idee zum Projekt ist aus dem 3D-Labor heraus entstanden, das Zeilinger seit 2011 am Institut für Geowissenschaften leitet. In diesem Labor werden multidimensionale Datensätze räumlich projiziert, um Datenstrukturen sowie deren interne Beziehung visuell zu analysieren. Anders als mit Virtual Reality (VR)-Brillen hat man im 3D-Labor kein reines Computerbild vor Augen, sondern arbeitet gemeinsam immersiv am Objekt, sieht also mithilfe von 3D-Brillen die digitalen Objekte im Raum schweben. „Das ist ein großer Vorteil, was die Kommunikation anbelangt, da sich die Akteure in einer Gruppe gegenseitig sehen können“, sagt Gerold Zeilinger. „Diese Erfahrung aus dem 3D-Labor, dass die Diskussionsschiene einfach offen sein muss und man die Mimik und Gestik der anderen erfassen kann, wollen wir auch mit den AR-Brillen umsetzen.“

Darüber hinaus ist es möglich, direkt vor Ort Manipulationen der virtuellen Objekte in ihrer Lage vorzunehmen, ihre Auswirkungen serverseitig zu berechnen und diese dann „just in time“ wieder vor Ort zu visualisieren. Man kann durch Gesten zum Beispiel ein Windrad greifen und an eine andere Stelle versetzen, einen Graben oder einen Damm anlegen. Das räumliche Verschieben von Objekten ist dabei metergenau möglich. Die neue Lage geht an einen Geoinformations (GIS)-Server, der veränderte Analysen oder Berechnungen, etwa des Schattenwurfs, anstellt und dieses Ergebnis wieder zurückspielt.

„Was die technischen Anforderungen betrifft, so benötigen wir für unser Projekt 5G – lokal über ein Funknetzwerk mit einem Hub – und außerdem schnelle Modellierungen“, erläutert der Geologe. Schnell bedeutet hier, der Fragestellung angepasst hinreichend genau, aber dennoch in einer akzeptablen Zeit, sodass die Modelle tatsächlich dabei helfen können, Entscheidungen zu treffen. Mit der zukünftigen 5G-Abdeckung erwartet Zeilinger für die Kombination aus AR-Brillen vor Ort und der zeitnahen Modellierung eine zunehmende Genauigkeit.

Als Partner für sein Projekt konnte Gerold Zeilinger die Firma LandPlan OS GmbH gewinnen, die in der Landschaftsplanung tätig ist. „Sie verwenden Tablets, auf denen sie die Windkraftanlagen verschieben können. Dieser Teil ist bereits umgesetzt“, sagt er. „Aktuell arbeiten wir gemeinsam am Triggern der Analyse auf die Server und am Zurückspielen der Ergebnisse.“ Unterstützt wird er an der Universität Potsdam von Projektkoordinatorin Leila Rezaei, dem Geoinformatiker Martin Schüttig und einer Praktikantin aus dem Masterstudiengang „Remote Sensing, geoInformation and Visualization“. Von der Projektidee bereits umgesetzt ist die einfache Analyse auf dem GIS-Server. Die Interaktionen in der AR-Brille und die Geolokation der Brillen im Gelände sollen folgen. Ziel ist es, bis Mitte 2023 einen guten Demonstrator zu haben. „Dieser Prototyp soll mit vier bis fünf synchronisierten Brillen funktionieren“, sagt Zeilinger. Dabei muss sichergestellt sein, dass die Brillen die Objekte an der richtigen Position darstellen.

AR-Brillen verändern das Empfinden der Wirklichkeit. Der Blick in Echtzeit kann durch virtuelle Elemente wie Texte, Bilder, Videos oder dreidimensionale Animationen angereichert werden. Da nicht jede Person bereits damit vertraut ist und mitunter Berührungsängste bestehen, sollen potenzielle Anwenderinnen und Anwender die Möglichkeit erhalten, zur Probe eine AR-Brille aufzusetzen, um in praxisnahen Demonstrationen das Ganze durchzuspielen, kündigt Zeilinger an. Er ist zuversichtlich, mit der von ihm entwickelten Transferidee Entscheidungen zu landschaftsverändernden Maßnahmen unterstützen und dabei verstärkt auch die Bevölkerung einbeziehen zu können.

FöWiTec-Preis zur Förderung des Wissens- und Technologietransfers

Mit insgesamt 50.000 Euro fördert Potsdam Transfer – die zentrale Einrichtung für Innovation, Gründung, Wissens und Technologietransfer an der Universität Potsdam – alljährlich bis zu fünf anwendungsorientierte Forschungs- und Entwicklungsprojekte. Potsdam Transfer unterstützt bei der Entwicklung der Idee und sorgt gemeinsam mit der UP Transfer GmbH dafür, dass die Projekte erfolgreich umgesetzt werden können.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer - 2022/2023 (PDF).