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Vom Nehmen und (Zurück-)Geben – Wer selbst gefördert wurde, wird später nicht selten zum Förderer. Ein Beispiel aus dem Stipendienprogramm der Universität Potsdam

Mark Geissler (links) und Thomas Swiderski (rechts)
Foto : Nadja Bossmann
Lehramtsstudent Mark Geissler (l.) erhält ein Universitätsstipendium von der Ferdinand und Charlotte Schimmelpfennig-Stiftung, deren Zweiter Vorstand Thomas Swiderski (r.) ist.

Marc Geißler ist der geborene Lehrer. Schon in der Grundschule half er Freunden, die mit dem Unterrichtsstoff Probleme hatten. Am Gymnasium bestätigten ihm viele, dass er „oft besser erklären konnte als diejenigen, die vorne standen“, erzählt der Berliner nicht ohne Stolz. Keine Überraschung also, dass Marc Geißler auf Lehramt studiert. Den Bachelor in Chemie und politischer Bildung hat er mittlerweile mit guter Note abgeschlossen. Als erster Student in seiner Familie hängte er gleich noch einen Bachelor in Philosophie und Geschichte an. „Das Studium ist absolut mein Ding und der Lehrerberuf mein Traumziel. Aber mit 22 Jahren, nach meinem ersten Bachelor, hätte ich mir den Master und ein Referendariat noch nicht zugetraut.“

„Ich habe mit 21 gerade Abi gemacht,“ sagt Thomas Swiderski von der Ferdinand und Charlotte Schimmelpfennig-Stiftung, die Marc bei seinem zweiten Studium unterstützt. Die beiden kennen sich und sind bei ihrem Treffen in den Seminarräumen am Neuen Palais per Du.

Ein entspannter Umgang auf Augenhöhe sei durchaus beabsichtigt, erklärt Thomas Swiderski, selbst zweiter Vorstand der Stiftung, die der Jurist Ferdinand Schimmelpfennig 1987 mit seinem Immobilienvermögen in seinem Testament gründete, um bedürftige Studentinnen und Studenten zu fördern. Bedürftige, das seien meist junge Menschen, die aus sogenannten bildungsfernen Schichten kommen, einen Migrationshintergrund haben oder Waise sind.

Statt auf ganz Deutschland konzentriert sich die Schimmelpfennig-Stiftung mittlerweile auf den Raum Berlin und Potsdam. Hier unterstützt sie derzeit 55 Studierende im Rahmen des Deutschland-Stipendiums und weitere rund 40 direkt. Dabei bemüht sie sich um ein persönliches Verhältnis zu allen Geförderten.

„Wir wollen Benachteiligten nicht nur finanziell helfen, sondern auch materiell und ideell. Unsere Stipendiatinnen und Stipendiaten sind meist gut mit anderen jungen Menschen vernetzt, aber nicht über Generationen hinweg, etwa mit Mentoren“, sagt Thomas Swiderski. Neben den regelmäßigen Treffen online und in Biergärten kann er sich darum in Zukunft auch Zusammenkünfte im Hörsaal vorstellen, etwa zum Soft-Skill- Training für Bewerbungen und Präsentationen. Dabei spiele die Wahl der Studiengänge keine Rolle, betont er. Zu den Geförderten gehörten auch eine angehende Puppenspielerin und ein Dialektiker. Exotik sei willkommen.

„Ich hätte während meines ersten Studiums nie geglaubt, dass ich für ein Stipendium infrage kommen könnte. Ich dachte, das sei nur etwas für Ausnahmetalente“, sagt Marc Geißler, der sich seit seinem ersten Tag an der Uni mit der Unterstützung seiner Eltern, einem Job als selbstständiger Nachhilfelehrer und als wissenschaftliche Hilfskraft über Wasser hält.

Im Zweitstudium war für ihn allerdings ein Auslandssemester in der Schweiz geplant, das er neben seinen regulären Studienkosten finanzieren musste. Also bewarb er sich 2020 für ein Uni-Stipendium. Ein intensiver Prozess mit Empfehlungsschreiben, Leistungsübersicht und auch einem Nachweis für soziales Engagement, erinnert er sich. „Die Leistungen waren kein Problem, aber das soziale Engagement“, sagt er. „Wie soll man Engagement zeigen neben Vollzeitstudium und zwei Jobs?“

Thomas Swiderski kennt das Problem: „Wir haben derzeit mehr Anfragen, als wir fördern können. Denn die Bafög-Sätze haben sich in den letzten Jahren nicht wesentlich geändert, die Lebenshaltungskosten schon. Studierende sind darauf angewiesen, zu arbeiten. Wir wollen aber, dass sie sich primär um ihr Studium kümmern können.“

Was bringen 300 Euro Stipendium konkret? „Für mich bedeuten sie einen Mini-Job weniger und stattdessen Zeit, die ich in der Bibliothek verbringen kann“, sagt Marc Geißler. Und sie geben ihm tatsächlich auch die Möglichkeit, soziales Engagement zu zeigen – als Tutor und bei Erstsemester-Einführungen zum Beispiel. „Und das Geld kommt auch, wenn man mal krank ist“, ergänzt Thomas Swiderski, der seine Stipendiaten gern durch ihr ganzes Studium begleiten würde, nicht nur für ein Jahr, wie es durch die Unis meist geregelt ist.

Ein anderes Projekt der Schimmelpfennig- Stiftung ist bereits in Planung: der Bau eines Studierendenwohnheims mit 260 Apartments in Berlin Tegel, das 2024 fertig werden soll. „Keine 260 Wohn-Schließfächer, wo sich die Studierenden kaum begegnen, sondern ein Ort mit regelmäßigen Veranstaltungen, auch für Alumni.“ 2024 wird Marc Geißler seinen abschließenden Master machen und sich auf seine erste Lehrerstelle vorbereiten. Dass auch er in mit der Stiftung in Kontakt bleibt, ist keine Frage.

Erinnert sich Thomas Swiderski an einen besonderen Förder-Erfolg der Schimmelpfennig-Stiftung? „Na, mich selbst zum Beispiel“, sagt der Diplom-Kaufmann. „Ich komme aus einem Nichtakademiker-Haushalt und habe ab dem 12. Lebensjahr in einer Großpflegefamilie mit acht Kindern gelebt. Der Wille, dort auszubrechen und zur Uni zu gehen, war da. Aber dies auch zu tun – das hätte ich ohne Stipendium damals nicht so einfach durchziehen können.“ Swiderski nennt noch ein anderes Beispiel: einen ehemaligen Berliner Stipendiaten, der heute erfolgreicher Informatiker sei und der Stiftung aus gleichem Beweggrund seit acht Jahren jeden Monat 100 Euro zurückzahle. „Mittlerweile hat er wahrscheinlich mehr zurückgezahlt, als er je von uns bekommen hat.“

Das Universitätsstipendium Potsdam

wird im Rahmen des Deutschlandstipendium-Programms an engagierte Studierende der Universität Potsdam vergeben. Begabte, aber auch finanziell bedürftige Studierende werden unterstützt, soziales Engagement gewürdigt und gleichzeitig Studierende als potenzielle Fachkräfte sichtbar gemacht. Das Stipendium wird zu einer Hälfte von Stiftungen, Unternehmen oder Privatpersonen und zur anderen Hälfte vom Bund (BMBF) finanziert. Studierende erhalten somit 300 Euro im Monat für mindestens ein Jahr. Das Stipendium bietet, neben der finanziellen Unterstützung, die Möglichkeit zur Vernetzung mit Förderern und anderen Stipendiatinnen und Stipendiaten.

www.uni-potsdam.de/universitaetsstipendium
 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Transfer 2021/22 (PDF).