Zum Hauptinhalt springen

„Wir werden in Mitteleuropa keine Wüsten bekommen“ – Der Hydrologe Axel Bronstert über extreme Wetterereignisse

Professor Axel Bronstert im Interview. Das Foto ist von Tobias Hopfgarten.
Ein Feld mit sehr trockenem Boden. Das Foto ist von AdobeStock/vom.
Foto : Tobias Hopfgarten
Professor Axel Bronstert
Foto : AdobeStock/vom
Brandenburg dürfte sich auf noch mehr Trockenheit einstellen müssen.

Heiße Sommer, milde Winter, kahle Bäume im Welterbepark und austrocknende Seen im Umland – der Klimawandel ist in Brandenburg längst keine Floskel mehr. Gleichzeitig treten auch Starkregen und Überflutungen häufiger auf. Matthias Zimmermann sprach mit dem Hydrologen Prof. Dr. Axel Bronstert über Extremwetterereignisse rund ums Wasser, ihre Ursachen und wie mit ihnen umzugehen ist.

Dieses Expertengespräch sollte mit der Frage beginnen: „Extreme Trockenheit: Wird das Wasser knapp?“ Stattdessen gibt es Starkregen und Hochwasser. Anderes Problem oder zwei Seiten einer Medaille?

Beides sind hydrologische Extreme, sogenannte Abweichungen vom Mittelwert im Wasserhaushalt. Klar ist: Diese Extreme gehören zum Wasserkreislauf – und zwar grundsätzlich. Auch Hochwasser wie das im Juli in Westdeutschland wurden in der Vergangenheit schon dokumentiert. Allerdings gibt es in aktuellen Daten ernstzunehmende Hinweise darauf, dass diese Abweichungen zunehmen – in beide Richtungen. Das hängt zusammen und lässt sich physikalisch nachvollziehen: Durch die Erderwärmung wird mehr Wasser im Wasserkreislauf umgesetzt. Das funktioniert, global gesehen, wie ein Kochtopf: Es verdampft mehr und regnet mehr ab. Allerdings verteilt es sich nicht gleichmäßig, sondern als lokale Extreme.

Werden durch die extreme Trockenheit auch Starkregen & Co. wahrscheinlicher?

Berechnungen sagen: Steigt die Durchschnittstemperatur um drei Grad, gibt es zehn Prozent mehr Wasserumsatz im Wasserkreislauf. Das wären global etwa 100 Millimeter mehr Niederschlag, die sich aber, wie gesagt, regional sehr unterschiedlich verteilen. Beispielsweise werden Dürren und Wassermangel im Mittelmeerraum zunehmen. Einen Großteil der zusätzlichen Niederschläge gibt es dagegen über dem Meer. Aber auch Nordeuropa, wo es ohnehin schon feuchter ist, bekommt mehr Niederschläge. In Deutschland wird der Winter niederschlagsreicher, der Sommer trockener. Außerdem wird Süddeutschland tendenziell eher feuchter, Brandenburg, das zwar viele Gewässer, aber wenig Niederschläge hat, dürfte sich auf noch mehr Trockenheit einstellen müssen.

Was passiert, wenn Trockenheit und Extremniederschläge „aufeinanderprallen“?

Grundsätzlich gilt, dass trockene Landschaften mehr Regenwasser aufnehmen können als feuchtere. Sehr feuchte, sprich: bis an die Geländeoberfläche gesättigte Landschaften, wie nasse Moore, nehmen praktisch nichts mehr auf und transferieren den Regen direkt in Abfluss – und sind damit hochwasserfördernd. Dass in ausgetrocknete Böden gar kein Wasser eindringen kann, ist ein Irrtum, der ärgerlicherweise immer wieder verbreitet wird. Natürlich verringert sich die Infiltrationskapazität, wenn Böden verdichtet werden, bei städtischer Bebauung, aber auch durch Traktorenspuren auf dem Feld oder Feldweg. Bei ganz starken Niederschlagsintensitäten, von etwa 100 Millimeter pro Stunde, ist es aber weniger wichtig, auf welche Untergründe sie fallen. Das kann kein Boden vollständig aufnehmen.

In Potsdam gab es in vier der vergangenen fünf Jahre weniger Niederschläge als im langzeitlichen Durchschnitt. Geht uns tatsächlich das Wasser aus?

Es wird bei uns nicht soweit kommen, dass aus dem Hahn kein Wasser mehr kommt. Aber es ist durchaus möglich, dass Wasser knapper wird. Wie gesagt nimmt die durchschnittliche Niederschlagsmenge in Norddeutschland ab, während es im Mittel heißer wird. Das bedeutet, es verdunstet mehr, als es regnet. Das Ergebnis ist ein Absinken des Grundwasserspiegels. Seit 2018 sind das in Brandenburg ein bis zwei Meter. Das bekommen auch die Seen zu spüren, die keinen oberirdischen Zufluss haben, wie viele Seen in Nordostdeutschland, etwa der südlich von Potsdam gelegene Seddiner See. Diese Entwicklung ist auf jeden Fall beängstigend, denn sie betrifft schon jetzt und bald noch stärker die Natur. Irgendwann erreichen die Bäume mit ihren Wurzeln das Grundwasser nicht mehr.

In Potsdam schlagen Stadt und die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten (SPSG) Alarm: Ein Großteil des Baumbestands der historischen Parks ist bedroht. Die Stadt ruft ihre Bürger zum Baumgießen auf. Was kann getan werden?

Gießen? Das ist optimistisch. An einem schönen Sommertag braucht ein Baum fünf Liter pro Quadratmeter „Grundfläche“ der Krone. Bei zehn Metern Durchmesser sind das 75 Quadratmeter und 400 Liter. Eine ausgewachsene Eiche mit 20 Metern Durchmesser braucht dann 1.000 Liter – pro Tag! Aber natürlich hilft es zumindest in der größten Not ein bisschen … In Sanssouci lässt die Parkverwaltung mit kleinen Trucks bewässern. Die schaffen sicher auch nicht mehr als den berühmten Tropfen auf den heißen Stein. Langfristig dürfte man, und das hört die SPSG sicher nicht gern, nicht umhinkommen, sich über den Baumbestand Gedanken zu machen: Es gibt Bäume, die brauchen weniger Wasser. Vielleicht muss in diese Richtung gedacht werden.

Wie kann die Wissenschaft – global, aber auch lokal – helfen?

Langfristig dürfte es helfen, die Prozesse und deren Verbindung zu erforschen. Vor allem die Wechselwirkungen zwischen Hydrosphäre und Biosphäre sind noch zu wenig verstanden. Auch wenn wir in Mitteleuropa keine Wüsten bekommen, so wissen wir doch noch nicht, wie sich unsere Landschaften entwickeln werden. Wir wollen die verschiedenen Sphären der Forschung verbinden. Kurzfristiger und angewandter ist unsere Forschung zum Risikomanagement von Extremereignissen. Eine Frage, die uns antreibt, ist: Wie reduzieren wir das Risiko für Bevölkerung und Natur, etwa bei Hochwasser und extremer Trockenheit? Da kann man vieles richtig und falsch machen …

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Zwei 2021 „Familie und Beruf“ (PDF).