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Unterwegs in den Anden – Tag 12: Von Badewannen, Pferden, und Eisenbahnen

Geoforschende auf Exkursion in Argentinien

Blick auf die flat irons der Yacoraite-Formation in der oberen Quebrada de Humahuaca. Das Foto ist von Bodo Bookhagen.
Bodo Bookhagen und Manfred Strecker bei der Betrachtung einer von Sedimenten überspülten und stillgelegten Eisenbahnbrücke in der Quebrada de Yacoraite, einem Zufluss des Rio Grande de Jujuy. Das Foto ist von Gregor Lauer-Dünkelberg.
Foto : Bodo Bookhagen
Blick auf die flat irons der Yacoraite-Formation in der oberen Quebrada de Humahuaca.
Foto : Gregor Lauer-Dünkelberg
Bodo Bookhagen und Manfred Strecker bei der Betrachtung einer von Sedimenten überspülten und stillgelegten Eisenbahnbrücke in der Quebrada de Yacoraite, einem Zufluss des Rio Grande de Jujuy.

Unsere Rückfahrt beginnt um 7 Uhr morgens in Yavi und wir lassen einige Kolleginnen und Kollegen für weitere Feldarbeiten zurück. Wir wollen zu unserem Ausgangspunkt der Reise nach Salta, und die Fahrt auf der gut ausgebauten Straße führt uns durch das intermontane Humahuaca-Tal. Noch sind wir aber auf fast vier Kilometer Höhe. Durch geophysikalische Messungen ist bekannt, dass diese weiten Hochplateauebenen der Anden der oberste Teil einer bis zu fünf Kilometer mächtigen Sedimentfüllung sind. Man könnte sich diese Hochebenen wie aneinandergereihte Badewannen vorstellen, die allerdings bis zum Rand mit Sedimenten verfüllt sind bzw. überlaufen. Es bleiben fast alle Sedimente in der Quellregion und werden nicht in das Vorland transportiert, sondern nur von einer Badewanne zur nächsten. Beim Überqueren eines dieser Badewannenränder in Richtung Humahuaca – hier auch die Wasserscheide des nach Süden entwässernden Rio Grande de Jujuy – sehen wir viel ältere Gesteine. Wie zum Beispiel die uns nun sehr vertraute kreidezeitliche Yacoraite-Formation, die aufgrund von tektonischen Prozessen verstellt und jetzt erodiert den Eindruck von hochgestellten Bügeleisen vermittelt. Deshalb wurden diese Phänomene in der geomorphologischen Literatur des 19. Jahrhunderts auch als Flat Irons bezeichnet.

Auf unserer Rückfahrt nach Salta wollen wir aber unbedingt noch die berühmte 2,5 Millionen alte Uquia-Formation an der Esquina Blanca (die weiße Straßenecke) im Humahuaca-Tal der Ostkordillere untersuchen. Hier findet sich ein außergewöhnlicher Reichtum an Wirbeltier-Fossilien, der durch die Datierung der vulkanischen Aschen an der Esquina Blanca zu einer der wichtigsten Fossillagerstätten in Südamerika gehört. Die faunistischen Belege aus der Uquía-Formation deuten darauf hin, dass das Gebiet der Quebrada de Humahuaca eine größere Artenvielfalt als heute aufwies und dass die damaligen Wirbeltiere sich unter feuchteren und wärmeren Umweltbedingungen ausbreiten konnten. Kleine Pferde, Faultiere, die ausgestorbenen Riesensäuger der Glyptodonten, Hirsche, Vertreter der Kamelfamilie sowie Krokodilarten lebten hier zusammen in einem Migrationskorridor zwischen Peru und Argentinien. Während sich die sogenannten Kameliden an die neue Umgebung anpassten und ja ursprünglich über die Beringstraße und die Landbrücke von Panama in diese Region eingewandert waren, starben die Pferde in Südamerika vollkommen aus. Erst seit der Kolonialzeit gibt es wieder überall Pferde in Südamerika.

Nach einigen Kilometern Fahrt überqueren wir verlassene Eisenbahngleise und wir sehen, dass die ehemaligen Bahndämme im Tal vollkommen mit Sediment bedeckt sind, Brücken sind zum Teil nur noch ein bis zwei Meter über dem mit Sedimenten überquellenden Flusslauf. Bis 1987 konnte man diese Bahnlinie nach Bolivien noch aufrechterhalten, die für den Personenverkehr und den Warentransport kleiner Händler wichtig war, aber aufgrund der hohen Kosten und der immer wiederkehrenden Überflutungen und Sedimentablagerungen wurde die Linie schließlich stillgelegt – und damit auch alle meteorologischen Messstationen an den zahlreichen Bahnhöfen, deren Daten wir ab den 20er Jahren des vorigen Jahrhunderts für unsere Niederschlagsanalysen benutzen konnten.

Wir nähern uns nach der Umfahrung einer weiteren Bergkette den von der Yungas-Vegetation bewachsenen Berghängen der Ostkordillere. Es ist feuchtheiß, wir fühlen ganz deutlich, dass wir uns nach der Überquerung des südlichen Wendekreises des Krebses in den Subtropen befinden – einer unserer argentinischen Kollegen, der in der Puna nach Gold sucht, hat sich genau hier ein Haus gebaut – vielleicht hilft das.
Wir haben jetzt noch 120 Kilometer vor uns, ehe wir in den Flieger nach Buenos Aires einsteigen. Wir sind etwas wehmütig, aber auch voller Vorfreude auf unser Zuhause. Unsere Eindrücke waren vielfältig und teilweise unbeschreiblich schön. Die Kombination einer Exkursion mit vertieften Analysen am Abend und an einigen ganztägigen Auswertungsterminen hat uns sehr gefallen und viel Neues für unser Promotionsstudium gebracht. Wir bedanken uns bei unseren Professorinnen und Professoren für ihr unermüdliches Engagement. Wir hören aber auch, dass das Teaching Team vom Enthusiasmus und der Neugier der Beteiligten sehr beindruckt war. Muchas gracias a todos, vor allem auch an Pablo „Pichi“ Maciel und Yanina Rojo, die uns bei der Logistik des Projekts in jeder Form unterstützt haben.

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