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Ungleichzeitigkeiten in Europa – Forschungskolleg zu „Europäische Zeiten/European Times“ (EUTIM) der Europa Universität-Viadrina, der Universität Potsdam und des Forum Transregionale Studien gestartet

Metro Station in Kyiv, November 2019 | Foto: Georges Khalil
Foto : Georges Khalil
Metro Station in Kyiv, November 2019
Zum 1. April 2021 ist mit „Europäische Zeiten/European Times – A Transregional Approach to the Societies of Central and Eastern Europe“ (EUTIM) ein gemeinsames Forschungsprojekt der Europa-Universität Viadrina, der Universität Potsdam und des Forum Transregionale Studien in Berlin gestartet. Das Forschungskolleg nimmt Narrative von Zeit und Raum an den Rändern Europas in den Blick. EUTIM wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen der Richtlinie zur Förderung der Regionalstudien (Area Studies) über einen Zeitraum von zunächst drei Jahren in einem Umfang von rund 1,7 Millionen Euro gefördert.

EUTIM analysiert ausgehend von den historischen Erfahrungen und Denkweisen in den Gesellschaften Mittel- und Osteuropas ungleichzeitige Konzepte von „alt vs. neu“ und „Ost vs. West“ auf gesamteuropäischer Ebene insbesondere in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts und der Gegenwart. Ungleichzeitigkeiten entstanden in Europa immer wieder in der Folge von Revolutionen, radikalen Reformprozessen oder durch die unterschiedlichen Zukunftsvorstellungen während des Kalten Krieges, in dem die europäischen Gesellschaften in einen Zeitkäfig eingeschlossen wurden. Nach dem Fall der Berliner Mauer 1989 und den friedlichen Umbrüchen in vielen Ländern der Region wurden diese divergierenden temporalen und regionalen Ordnungen in ihrer scheinbaren Eindeutigkeit zunächst aufgebrochen, wirkten jedoch teilend weiter. Das Forschungskolleg nimmt diese Ungleichzeitigkeitseffekte systematisch und methodisch in den Blick und zeigt, wie produktiv oder destruktiv diese Zeitlichkeits-regime in Institutionen, Künsten, Wissenschaft und Gesellschaften genutzt werden.

Das an der Europa-Universität Viadrina verortete kultur- und geschichtswissenschaftliche Teilprojekt, das von einer Forschergruppe um Annette Werberger und Andrii Portnov durchgeführt wird, hinterfragt u.a. Vorstellungen des Stillstands im Kalten Krieg, da die Wissenschaft selbst von Prozessen der eilig erwarteten „Verwestlichung“ von Zeitlichkeit affiziert war. An der Universität Potsdam befasst sich eine literaturwissenschaftliche Nachwuchsforschungsgruppe um Alexander Wöll mit Künsten, in denen Ungleichzeitigkeiten aufmerksam bebildert und vertextet wurden. Trotz der gesellschaftspolitischen Forderung nach europäischer Zeitgenossenschaft können insbesondere in der Literatur künstlerische Praktiken beobachtet werden, die Ungleichzeitigkeiten offenlegen. Die Projekte bieten einen Ausgangspunkt für eine tiefgreifende Analyse der europäischen Gesellschaften und eine Reflexion europäischer oder universeller Normen in Bezug auf Zeitgenossenschaft und Modernisierung. Das Forum Transregionale Studien ist für den Bereich Wissenschaftskommunikation verantwortlich, der Formen des gemeinsamen Arbeitens ermöglicht, Transferprozesse arrangiert, Forschungsstand-punkte und -ergebnisse disseminiert und EUTIM transregional vernetzt.

Das Forschungskolleg möchte die Regionalforschung über die Leitfrage nach der Langzeitwirkung von heterogenen Zeitlichkeiten wieder stärker an die allgemeine Theoriegenese in den Kultur- und Geisteswissenschaften anbinden. Das Erkenntnispotenzial durch EUTIM ist durch den Schwerpunkt auf heterogenen Zeitlichkeitsregimen außerordentlich hoch. Der Ungleichzeitigkeitsbegriff kann in der Analyse der Transformationsprozesse in Mittel- und Osteuropa seine bedeutsame analytische Kraft entfalten und kulturelle Gegenwartskonflikte besser erläutern. Das Forschungskolleg zielt mit seinen Nachwuchsforschungsgruppen und einem strukturierten Promotionsprogramm auf die Entstehung hochwertiger Dissertationen und Habilitationen beziehungsweise Postdoc-Projekte.

Im Internet: www.eutim.eu

Veröffentlicht

Kontakt

Prof. Dr. Alexander Wöll
Telefon 0331 977-150101

Online-Redaktion

Sabine Schwarz