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Frei Raum Gedanken – Pädagogik und Architektur im Dialog – für eine Universitätsschule in Golm

Studierende der Universität und der Fachhochschule Potsdam präsentieren ihre Modelle für eine künftige Universitätsschule.
Foto : Tobias Hopfgarten
Studierende der Universität und der Fachhochschule Potsdam präsentieren ihre Modelle für eine künftige Universitätsschule.
Was jüngste und junge Menschen zum Lernen brauchen, davon hat Katrin Völkner, Ph.D., ziemlich genaue Vorstellungen. Im Projekt „Innovative Hochschule Potsdam“ ist sie in der glücklichen Lage, eine neue Schule quasi am Reißbrett zu entwerfen. Nicht als Architektin, sondern als Expertin für den Wissenstransfer in der Bildung. Gemeinsam mit ihrem Kollegen Dr. Mathias Weißbach, mit Didaktikern, Pädagogen und Psychologen sowie Fachleuten aus Politik und Verwaltung konzipiert sie eine Universitätsschule, die von den neuesten wissenschaftlichen Erkenntnissen profitiert.

Wie aber muss das dazugehörige Gebäude aussehen, will es der Heterogenität der Lernenden gerecht werden, inklusiven und differenzierten Unterricht ermöglichen und sich obendrein in die Gesellschaft hinein öffnen? Lehramts-, Pädagogik- und Architekturstudierende der Universität und der Fachhochschule Potsdam hatten ein Semester lang Zeit, ebensolche Schulbauten zu entwerfen. „Sie sollten sich nicht von realen Zwängen einschränken lassen, sondern frei darüber nachdenken, was sinnvoll ist“, berichtet Katrin Völkner. „Natürlich prallten da unterschiedliche Fächerkulturen aufeinander. Während die künftigen Lehrkräfte das pädagogische Fundament diskutierten, hatten die Architekturstudenten schon den Gebäudeentwurf im Blick. Beide Seiten mussten erst einmal eine gemeinsame Sprache finden. Das war ein wichtiges Ziel für uns“, so Prof. Dr. Nadine Spörer, die das Seminar zusammen mit Prof. Dr. Gerlind Große von der Fachhochschule und dem dortigen Architekturprofessor Karl-Heinz Winkens betreute. Zu Jahresbeginn waren die Ergebnisse im IKMZ ausgestellt.

Ein Team Studierender befasste sich mit der „Schule im gesellschaftlichen Umfeld“ und setzte seinen Gebäudekomplex auf den einstigen Golmer Müllberg, unweit des Zernsees. Eine Provokation? Thema verfehlt? Mitnichten. Vielmehr lenkten die Studierenden ihren Blick auf Zukünftiges, sehen den expandierenden Stadtteil Golm schon bald bis an den Naturpark reichen. „Dann liegt ihre Schule mittendrin und dabei nahe genug am Campus der Universität“, sagt Katrin Völkner und weist auf das Modell. Auf der Anhöhe wirkt die Anlage wie eine Akropolis. Am Westhang befinden sich ein Auditorium, eine Mensa, sogar ein griechisches Theater. „Hier wird Schule zum Begegnungsort für Kinder und ihre Eltern, die Menschen aus der Stadt, den Instituten und der Universität“, so Völkner. Wandelbare Räume, Werkstätten und Ateliers ermöglichen jede Form von Unterricht. Wo am Tag gelernt wird, treffen sich abends Vereine und Gruppen, um gemeinsam zu musizieren, Sport zu treiben, sich fortzubilden oder Kommunales zu diskutieren. Auch ist genügend Platz für Schulgärten und einen Marktplatz, auf dem das angebaute Gemüse seine Käufer findet. Fahrradwege führen zu Dorf und See, Instituten und Bahnhof.

Natürlich ist diese Schule den ganzen Tag geöffnet, nicht nur für Lernende und Lehrende, sondern manchmal auch für den Handwerker von der benachbarten Baustelle, den Koch aus der Mensa oder die Musikerin aus dem städtischen Orchester. Denn die Kinder können auch von ihnen lernen. Sie sollen mal in der Gruppe unterrichtet werden, gemeinsam diskutieren oder etwas ausprobieren und mal versunken sein in ein eigenes Projekt. Wie sich solch ein Ganztagsbetrieb architektonisch widerspiegeln muss, damit befasste sich ein zweites Team Studierender. „In ihrer Schule gibt es ein Herz, einen Mittelpunkt, von dem aus sich die Kinder nach einer Phase des Ankommens entscheiden, in welchen Räumen sie sich wie lange mit einem Lehrinhalt beschäftigen wollen“, erklärt Völkner. Es gibt Lerninseln für den Fachunterricht, Gruppen- und Einzelarbeitsplätze, Boxen für Gespräche mit den Lernbegleitern, Räume zur Bewegung und zur Entspannung. Und es gibt Rückzugsorte, auch für die Lehrerinnen und Lehrer.  

Die geplante Universitätsschule ist eine inklusive Schule für alle, von der ersten bis zur 13. Klasse, durchlässig bis zum Abitur und mit individueller Förderung, sodass sich jedes Mädchen, jeder Junge nach seinen Möglichkeiten und seinen besonderen Bedürfnissen gut entwickeln kann. Dies bedeutet, dass Lehrkräfte, Therapeuten, Psychologen, Sozial- und Förderpädagogen Hand in Hand arbeiten müssen. „Eine Gruppe von Studierenden stellte sich im Seminar die Frage, was solche multiprofessionellen Teams benötigen“, sagt Katrin Völkner und zeigt den Entwurf. Die Studierenden planen multifunktionale, aber auch medizinische und therapeutische Räume. Lernnischen sollen als variable Arbeitsräume dienen. Zudem entwarfen sie Besprechungsräume, in die sich Schülergruppen und Lehrkräfte, Studierende und Dozierende der Uni sowie externe Kooperationspartner einbuchen können. Vorgesehen sind ein Familien- und Jugendzentrum sowie neben Werkstätten, Aula, Bibliothek und Küche einige Labore und Büros für Koordinatoren der Universität, denn schließlich soll die Schule ja der Lehrerbildung und Bildungsforschung dienen.

 Katrin Völkner und Mathias Weißbach sehen den Schulraum als Experimentierfeld für neues Lernen, in dem die Kinder und Jugendlichen die Handelnden sind. „Lernen heißt ausprobieren, Fehler machen, etwas verwerfen und noch einmal von vorn beginnen“, sagt Weißbach und zieht den Vergleich zum klassischen Labor. Das übrigens würde sich gar nicht innerhalb der neuen Schulmauern befinden, sondern in den Instituten, gleich nebenan in der Universität. Dort gibt es auch eine Sternwarte, eine große Bibliothek, ein Musikinstitut, den Hochschulsport und jede Menge Experten: Molekularbiologinnen, Astrophysiker, Vulkanologen, Klimaforscherinnen.

Als einzige lehrerbildende Einrichtung in Brandenburg nimmt die Universität Potsdam eine Vorreiterrolle ein. „Wir sind das Denklabor für die Schulen der Region“, sagt die Bildungswissenschaftlerin Nadine Spörer. „Zugleich brauchen wir den Erfahrungsschatz aus der Schulpraxis, Vorschläge aus Wirtschaft und Politik, Hinweise von Eltern und die Ideen der Schülerinnen und Schüler“, ergänzt die Professorin. Nur so lasse sich ein überzeugendes Konzept für die Universitätsschule entwerfen und umsetzen.

Das von Potsdam Transfer geleitete Projekt „Innovative Hochschule Potsdam“ wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung gefördert. Im Teilprojekt Bildungscampus tragen die Humanwissenschaftliche Fakultät und das Zentrum für Lehrerbildung und Bildungsforschung die wissenschaftliche Verantwortung. Weiteres unter www.inno-up.de

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2020 „Bioökonomie“.