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Spurensuche – Ernährungsforscher wollen die Wissenslücken über Spurenelemente schließen

Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von menschlichen Neuronen; grün: das neuronale Netzwerk, blau: die Zellkerne. | Foto: Tanja Schwerdtle.
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Fluoreszenzmikroskopische Aufnahme von menschlichen Neuronen; grün: das neuronale Netzwerk, blau: die Zellkerne. | Foto: Tanja Schwerdtle.

Iod, Zink, Eisen, Kupfer, Selen und Mangan sind essenzielle Spurenelemente, von denen unser Körper winzige Mengen benötigt. Das Grundlagenwissen über diese Mikronährstoffe ist jedoch noch dünn. In der DFG-Forschungsgruppe „TraceAge“ erforschen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler die komplexen Wechselbeziehungen der Spurenelemente und ihre Rolle im Alterungsprozess sowie bei Erkrankungen älterer Menschen.

Dort, wo die Laborwürmer leben, ist es dunkel. Aber das macht ihnen nichts aus. In ihren Petrischalen im Brutschrank haben sie alles, was sie brauchen: Genügend Bakterien als Futter, eine angenehme Temperatur von 20 Grad Celsius und viele Artgenossen. Der durchsichtige, nur etwa einen Millimeter große Fadenwurm Caenorhabditis elegans ist eigentlich im Boden zuhause, lebt aber schon seit den 1960er Jahren als Haustier auf Agarplatten in den wissenschaftlichen Laboren dieser Welt.

Auch hier, am Institut für Ernährungswissenschaft, kennt und schätzt man den Wurm als Modellorganismus. „Er ist sehr gut erforscht und lässt sich genetisch einfach verändern“, erklärt Doktorandin Jessica Baesler. Außerdem sind Würmer leicht zu halten, vermehren sich schnell und lassen sich einfach untersuchen. Diese Eigenschaften nutzt auch die Doktorandin, um mithilfe des Wurms herauszufinden, wie sich eine bestimmte Diät auf seine Entwicklung auswirkt.

Folgen von Mangel oder Überversorgung sind wenig erforscht

Die Versuche von Jessica Baesler sind Teil der großangelegten Studie „TraceAge“, in der sechs Forschungsteams mit insgesamt 36 Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern aus der Epidemiologie, klinischen Medizin, Toxikologie, analytischen Chemie, Lebensmittelchemie und Ernährungsphysiologie erforschen, wie bestimmte Stoffe in der Ernährung die Gesundheit älterer Menschen beeinflussen. Es geht um Spurenelemente, die der Körper nur in winzigen Dosen benötigt.

In „TraceAge“ nehmen die Forscherinnen und Forscher sechs dieser Mikronährstoffe in den Blick: Selen, Iod, Kupfer, Zink, Eisen und Mangan sind Elemente, die etwa das Immunsystem regulieren, an der Bildung von Proteinen beteiligt sind oder Hormone aktivieren. „Der Mensch muss Spurenelemente aufnehmen, um überleben zu können“, betont Professorin Tanja Schwerdtle, die die Studie leitet. Das Wissen darüber ist jedoch erst wenige Jahrzehnte alt. Die Forschungen dazu, wie Mikronährstoffe auf die Gesundheit oder das Altern wirken, sind entsprechend jung. „Wir wissen noch sehr wenig“, fasst Tanja Schwerdtle zusammen. Generell gelte aber: In Deutschland sind die Menschen relativ gut mit Spurenelementen versorgt, ein ausgeprägter Mangel tritt selten auf. Einige Menschen – besonders Frauen – haben zu wenig Eisen im Blut und zeigen Symptome einer beginnenden Anämie. Auch für Selen gehen die Forscher eher von einer Unterversorgung aus, da die Böden in Deutschland arm an dem Spurenelement sind und Selen dadurch auch in Nahrungspflanzen nur in geringen Mengen vorkommt. „Bei Selen wissen wir aber nicht genau, wie viel wir davon tatsächlich benötigen“, erklärt Schwerdtle. Ist der Körper über- oder unterversorgt, könnte das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krebs oder Diabetes steigen. „Es ist ein sehr heikles Thema und es gibt nur wenige bekannte Marker, die uns anzeigen können, ob jemand gut versorgt ist“, sagt die Forscherin.

Bessere Messmethoden und Vorhersagen

Ähnliches gilt für die übrigen Spurenelemente, die im Fokus von „TraceAge“ stehen. Die Forscher interessieren sich vor allem für das Zusammenspiel der Mikronährstoffe. „Es macht keinen Sinn, die einzelnen Stoffe isoliert zu betrachten, denn sie interagieren miteinander“, erklärt Tanja Schwerdtle. Das Ziel der Forscher ist es auch, genauere Messmethoden für Spurenelemente und deren Effekte zu entwickeln. Aus dem Gesamtbild aller Parameter wollen sie einen Fingerprint erstellen, der den Gesundheitsstatus eines Menschen anzeigt. Dafür müssen sogenannte Funktionsmarker entwickelt werden. Das können Stoffwechselprodukte, Moleküle, bestimmte Proteine oder auch Hormone sein, die sich im Blutserum befinden und anzeigen, wie gut der Körper mit einem bestimmten Mikronährstoff versorgt ist. Zugleich sollen diese Marker Vorhersagen über mögliche Erkrankungen erlauben, die aus einem Mangel oder einer Überversorgung entstehen.

Für diese Ziele legt auch Jessica Baesler ihre Fadenwürmer unter das Mikroskop. Die Tiere haben zuvor eine bestimmte Diät erhalten. In den Versuchen wurden sie jeweils mit einzelnen oder mehreren Spurenelementen über- oder unterversorgt. Nun betrachtet Baesler unter dem Mikroskop, wie sich die Würmer entwickeln. Legen sie mehr oder weniger Eier? Schlängeln sie sich wie gewohnt über den Nährboden oder bewegen sie sich anders als sonst? Gibt es Deformationen oder Auffälligkeiten an Organen? Aus diesen Parametern kann die Doktorandin ablesen, ob den Würmern ihre jeweilige Diät gut oder schlecht bekommt.

Spurenelemente sind an neurodegenerativen Störungen beteiligt

Wie sich die Würmer bewegen, kann auch Hinweise darüber geben, ob das Nervensystem beschädigt ist. Dieser Aspekt ist bei den Untersuchungen besonders wichtig, denn Spurenelemente scheinen an neurodegenerativen Störungen wie etwa Alzheimer, Parkinson oder der Huntington-Krankheit beteiligt zu sein. Das Genom bestimmter Würmer ist so verändert, dass sie anfälliger für diese Neuronenschäden sind. Findet Baesler Anzeichen dafür, dass sich etwa bei ihren „Alzheimer- Würmern“ Schäden bei bestimmten Diäten häufen, kann sie diese auf molekularer Ebene mit markierten Nervenzellen des Fadenwurms noch einmal genauer untersuchen. Außerdem analysiert sie, welche Gene aktiv sind und welche Proteine gebildet werden oder in welchen Zellen und Organen sich die Spurenelemente anreichern. Ihre Ergebnisse sollen Erkenntnisse darüber liefern, ob und wie Spurenelemente neurodegenerative Störungen auch beim Menschen beeinflussen.

Das Wurmmodell der „TraceAge“-Forscher ist nur eine von vielen Ebenen, auf denen die verschiedenen Fragen untersucht werden. Auch Zellkulturen, Mäuse und die umfangreichen Daten der EPIC-Potsdam-Studie nutzen die Wissenschaftler, um ein ganzheitliches Bild darüber zu erlangen, wie Spurenelemente wirken. Aus dem Datenschatz der EPIC-Langzeitstudie, die seit den 1990er Jahren Blutproben und Daten von Tausenden Probandinnen und Probanden sammelt, sind bereits die ersten spannenden Ergebnisse zutage getreten.

Im Alter ändert sich die Spurenelementaufnahme

Die Serumanalysen der Testpersonen, denen im Abstand von 20 Jahren Blut abgenommen wurde, bestätigten eine Hypothese, die Ernährungsforscher schon länger beschäftigt: Mit dem Alter nimmt die Kupferkonzentration im Serum zu, während die Zinkkonzentration sinkt. Eine veränderte Ernährung im Alter könnte dieses Phänomen erklären. Doch die „TraceAge“-Forscher konnten im Mausversuch zeigen, dass sich auch bei älteren Mäusen die Zink- und Kupfergehalte verschoben, obwohl sie die gleiche Ernährung erhielten wie jüngere Mäuse. Stattdessen vermutet Tanja Schwerdtle unter anderem, „dass sich physiologische Prozesse im Darm im Alter ändern und die Zinkaufnahme schwieriger wird“. Dies ist nicht nur für das Immunsystem, sondern auch für Alterungsprozesse bedeutend, da viele zinkgebundene Enzyme an der Reparatur von DNA-Schäden beteiligt sind.

Noch stecken die Wissenschaftler mitten in den Arbeiten. Zugleich planen sie bereits die nächsten großen Untersuchungen, denn das Forschungsfeld der Spurenelemente ist größtenteils noch unbestellt. Neben den neurodegenerativen Erkrankungen wird die Knochengesundheit in den Fokus rücken. Die Messanalytik muss optimiert und verfeinert werden, mit bildgebenden Verfahren wollen die Forscher künftig ermitteln, in welchen Gehirnregionen oder Organen sich die Spurenelemente anreichern. Außerdem sollen andere Altersgruppen beachtet werden wie auch die Frage, wie sich Mikronährstoffe in der Schwangerschaft auswirken. Wechselwirkungen zwischen Spurenelementen und Vitaminen sind ebenso noch unerforscht.

Auf Forscher und Fadenwürmer wartet also noch jede Menge Arbeit. Die Würmer dürften es gelassen sehen: Wenn ihnen in ihrem Brutschrank die Nahrung ausgeht, fallen sie in eine Starre und überdauern die Hungerphase bis zu drei Monaten im Dauerlarvenstadium. Ist wieder genug Futter vorhanden, erwachen sie und wachsen weiter.

Das Projekt

„TraceAge – Interaktionen von essenziellen Spurenelementen in gesunden und erkrankten älteren Menschen“ ist eine Forschungsgruppe, die von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördert wird. Sie untersucht interdisziplinär die Interaktionen wichtiger Spurenelemente sowie ihre Rolle bei Erkrankungen und entwickelt neue Messmethoden.

Beteiligt: Universität Potsdam, Deutsches Institut für Ernährungsforschung Potsdam Rehbrücke, Friedrich- Schiller-Universität Jena, Charité – Universitätsmedizin Berlin, Technische Universität Berlin

Laufzeit: 2017–2019

www.uni-potsdam.de/traceage

Die Wissenschaftlerin

Prof. Dr. Tanja Schwerdtle studierte Chemie und Lebensmittelchemie an der Universität Karlsruhe. Seit 2013 ist sie Professorin für Lebensmittelchemie an der Universität Potsdam.
E-Mail: tanja.schwerdtleuni-potsdamde

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal Wissen - Zwei 2019 „Daten“.