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Die Welt besser machen – Bei UPride engagieren sich junge Menschen für Toleranz und Vielfalt der Geschlechter

Nadja Hartwich, Moritz Winkler, Benjamin Biewald und Oliver Timm (v.l.n.r.) von der Hochschulgruppe UPride. Foto: Tobias Hopfgarten.
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Nadja Hartwich, Moritz Winkler, Benjamin Biewald und Oliver Timm (v.l.n.r.) von der Hochschulgruppe UPride. Foto: Tobias Hopfgarten.

„Stonewall ist für mich die Geburtsstunde des queeren Aktivismus“, sagt Benjamin Biewald. „Damit wurde ein Prozess in der westlichen Welt in Gang gesetzt, der seither nie sein Ende erreicht hat“, ergänzt die 20-jährige Nadja Hartwich. Schließlich ging es den Aktivistinnen und Aktivisten im Sommer 1969 in der New Yorker Christopher Street um den Kampf um Freiheiten, die bis heute ständig von neuem verteidigt werden müssten.

Die beiden Studierenden gehören zur Hochschulgruppe UPride, die sich Anfang des Jahres neu formiert hat. Ihre Vorgängerinnen und Vorgänger hatten im letzten Jahr das Studium beendet und einen Facebook-Aufruf gestartet, um die Gruppe am Leben zu erhalten. Heute gibt es wieder zwölf Mitglieder. Die meisten von ihnen studieren im Bachelor, einige auch im Master – von Biologie über Geschichte bis zu Physik. Was sie vereint, ist das Engagement für die Vielfalt romantischer, geschlechtlicher und sexueller Orientierungen.

„Ich möchte Schriftsteller sein, um mehr Präsenz in den Medien über ganz verschiedene Identitäten zu schaffen“, sagt Oliver Timm. Der junge Student mit den rosa gefärbten Haaren und dem fröhlichen Lächeln hat gerade ein Theaterstück über eine junge, aromantische und asexuelle Protagonistin geschrieben. Bisher dominiere der klassische Coming-of-Age-Film über homosexuelle Paare, andere Geschlechtsidentitäten seien in der Populärkultur noch kaum angekommen. Das möchte Timm ändern.

Doch was genau bedeutet eigentlich aromantisch? „Das ist eine Person, die keine romantische Anziehung verspürt“, erklärt Hartwich. Deswegen ist sie jedoch nicht zwangsläufig asexuell, das heißt, sie kann durchaus eine sexuelle Anziehung zu anderen Menschen verspüren. Die jungen Mitglieder der Hochschulgruppe kennen sich mit den unterschiedlichen Schattierungen im Feld der Geschlechtsidentitäten und Sexualitäten aus. Und mit den neu entstehenden Bezeichnungen, die meist unter dem Ausdruck „queer“ versammelt werden: Von Transgender über Genderfluid bis Queergender. Von pansexuell bis bisexuell. „Wir diskutieren viel über Begrifflichkeiten, doch die sind nicht in Stein gemeißelt“, sagt Hartwich.

Manche Menschen haben Angst vor queeren Begriffen, scheuen sich, Wörter wie „lesbisch“ oder „schwul“ in den Mund zu nehmen oder sind unsicher mit der richtigen Verwendung. Diese Sorge brauche aber niemand zu haben. „Wenn wir selbst ein falsches Label bekommen, klären wir unser Gegenüber einfach auf“, sagt der 19-jährige Biewald. Denn letztlich könne nur jede und jeder Einzelne für sich selbst sprechen. „Zumal es auch innerhalb der queeren Communitys häufig falsche Zuschreibungen und Ungerechtigkeiten gibt – nicht alle sind zum Beispiel gleich sichtbar.“ Auch dem wollen die Studierenden etwas entgegensetzen.

Ein erstes großes Erfolgsprojekt war die queere Themenwoche, die die jungen Menschen zum 50. Stonewall-Jubiläum im Juni veranstalteten. „Wir wollen alternativen Identitäten Raum schaffen“, erklärt Moritz Winkler. Einen Erfolg sehen die Studierenden deswegen in der Unisex-Toilette, die es seit dem vergangenen Frühjahr auf dem Campus Neues Palais gibt. „Wir sind dem Präsidenten sehr dankbar dafür.“ Sie werden regelmäßig besucht, von allen Geschlechtern. „Und sie sind immer sehr sauber“, sagt Timm und lacht. Damit sich etwas ändert, muss man politisch vorgehen – da sind sich die Studierenden einig. „Wir wollen nicht Symptome bekämpfen, sondern politische Ursachen“, sagt Biewald.

Deswegen beschäftigt die Hochschulgruppe auch die Anpassung des Personenstandsgesetzes, die es seit Ende des vergangenen Jahres erlaubt, im Geburtenregister kein Geschlecht sowie die Bezeichnung „divers“ anzugeben. Zu diesem Thema ist die Gruppe mit dem Koordinationsbüro für Chancengleichheit in Kontakt. In einer neuen Arbeitsgemeinschaft zur dritten Geschlechtsoption werden sich künftig Studierendenvertreterinnen, die zentrale Gleichstellungsbeauftragte Christina Wolff und ihre Stellvertreterin Stephanie Wittenburg, zwei dezentrale Gleichstellungsbeauftragte sowie weitere Expertinnen und Experten darüber austauschen, in welchen Formularen, Bereichen und Strukturen die Kategorie Geschlecht von Bedeutung und wo sie womöglich verzichtbar ist. „Für einen Immatrikulationsbescheid ist die Anrede mit ‚Frau‘ oder ‚Herr‘ auf den ersten Blick nicht unbedingt relevant“, sagt Wolff. Für Statistiken sei die Zuordnung allerdings von großem Interesse, um zum Beispiel unterrepräsentierte Gruppen ausmachen und fördern zu können. „Wir wollen alle Argumente mit Bedacht diskutieren.“

Die Hochschulgruppe UPride ist auch über die Grenzen der Universität hinaus aktiv. Jeden dritten Dienstag im Monat treffen sich die Studierenden mit interessierten Menschen aus Potsdam in wechselnden Cafés und Bars. Sie wünschen sich, dass Queerness in Potsdam auch im Alltagsleben noch stärker präsent ist. Mit vielen Akteuren, wie der AIDS-Hilfe Potsdam, dem Landesverband AndersARTiG, dem Jugendnetzwerk Lambda Berlin-Brandenburg oder dem schwul-lesbischen Café La Leander sind die Studierenden schon gut vernetzt. „Unser Stammtisch wird von Mal zu Mal voller“, sagt Hartwich.

Engagement ist naturgemäß zeitaufwendig. Schließlich sind die Studierenden gerade mitten in der Prüfungsphase, da kann sie die Organisation einer queeren Themenwoche schon etwas in Zeitnot bringen. „Wir sind blutige Anfänger“, sagt Winkler. „Aber wir haben Lust, die Welt besser zu machen.“

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal 2/2019.

Text: Jana Scholz
Online gestellt: Jana Scholz
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde

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