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Fruchtbare Partnerschaft – Mathematiker aus der Ukraine und Potsdam lösen stochastische Probleme

Sylvie Roelly (2. v. l.) zu Besuch bei den ukrainischen Kollegen in Kiew. Foto: Roelly
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Sylvie Roelly (2. v. l.) zu Besuch bei den ukrainischen Kollegen in Kiew. Foto: Roelly

Den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern, ist der Mathematikerin Prof. Dr. Sylvie Roelly seit Jahrzehnten ein wichtiges Anliegen. Deshalb unterstützt sie aktiv die von der Alexander von Humboldt-Stiftung (AvH) geförderte Partnerschaft zwischen den Instituten für Mathematik der Universität Potsdam und der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine.

Die Deutsch-Französin Sylvie Roelly forschte 1989 mit einem Stipendium für Nachwuchswissenschaftler der AvH in Bielefeld. Dort lernte sie die ukrainische Mathematikerin Alexandra Antoniouk kennen. Jetzt ist Sylvie Roelly als Professorin für Wahrscheinlichkeitstheorie an der Universität Potsdam und Alexandra Antoniouk als Forscherin und Vizedirektorin im Institut für Mathematik der Nationalen Akademie der Wissenschaften der Ukraine in Kiew tätig. Die beiden arbeiten eng zusammen, um den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern. In den vergangenen Jahren hat Sylvie Roelly sechs junge Leute aus der Ukraine ko-betreut, zu ihnen gehört Dr. Tania Kosenkova, die seit vier Jahren ihre wissenschaftliche Mitarbeiterin ist.

Seit dem vergangenen Jahr gibt es ein neues Projekt, das Sylvie Roelly und Alexandra Antoniouk initiiert und bei der AvH eingeworben haben. Möglich wurde das Vorhaben, weil mit einem speziellen Alumni-Programm Partnerschaften zwischen deutschen und ausländischen Instituten gefördert werden. Damit will die Stiftung nachhaltige Grundlagen für internationale wissenschaftliche Kooperationen über längere Zeiträume schaffen. In diese Form der Zusammenarbeit sollen auch Doktoranden und Postdoktoranden integriert werden, die als potenzielle Bewerber für ein Forschungsstipendium der Humboldt-Stiftung infrage kommen.

„Singuläre Diffusionen: analytische und stochastische Ansätze“ heißt das aktuelle Projekt der beiden Wissenschaftlerinnen, das noch bis 2021 läuft. Fünf deutsche Mathematiker und zehn aus Kiew lösen gemeinsam stochastische Probleme. Gegenseitige Besuche, wissenschaftliche Veröffentlichungen und Ko-Betreuungen füllen die Kooperation mit Leben. Sylvie Roelly war im September 2018 für zwei Wochen in Kiew.

Gerade zu Ende gegangen ist ein gemeinsamer Workshop, der an der Uni Potsdam stattfand. Auch hier ging es um Singuläre Diffusionen. Die Wahrscheinlichkeitstheoretiker beschäftigen sich mit diesen Dynamiken sowohl unter analytischen als auch unter stochastischen Aspekten. Die Wissenschaftler versuchen, zufällige Komponenten so präzise wie möglich zu beschreiben. Singuläre stehen im Vergleich zu regulären Diffusionen eher seltener im Fokus der Forschungen. Ein Beispiel: Denken wir uns eine Erdfläche, auf die Regen fällt. Der Regen dringt durch eine zufällige Bewegung in die Erde ein, schnell oder lang-sam, tief oder weniger tief, rechts oder links. Um die damit verbundenen stochastischen Fragestellungen zu untersuchen, müssen die Mathematiker die (In)Homogenität der Erde berücksichtigen: „Je nach der Qualität der Erde verlaufen die Bewegungen des Wassers unterschiedlich. Kleine Steine oder unterschiedliche Erdstrukturen sorgen dafür, dass sich Charakteristiken der Bewegungen ändern“, sagt Sylvie Roelly. Diskontinuitäten in der Struktur der Erde sorgen für Singularitäten der zufälligen Bewegungen und stellen für die Forscher komplexe und interessante Phänomene dar. Vergleichbare Prozesse gibt es bei der Bewegung von Teilchen in der Luft. Auch hier sind die zu untersuchenden Parameter zufällig, das heißt nicht vorhersehbar. Ihre Verteilung wird lediglich quantitativ beschrieben.

 „Ich  unterstütze  gern  das  Anliegen  der  Humboldt-Stiftung,  junge  Leute  zu  fördern,  ihnen  zu  helfen,  das  deutsche  akademische  System  kennenzulernen“,  begründet  Sylvie  Roelly  ihr  Engagement.  Sie  war  1995  erstmals  nach  der  Unabhängigkeit  in  der  Ukraine,  einem  Land  mit  großer  mathematischer  Tradition.  Die  ökonomische  Situation  in  der  Wissenschaft war damals schwierig und ist es teils noch heute. „Deshalb empfinde ich es für uns  Wissenschaftler  aus  den  reicheren  europäischen Ländern als moralische Pflicht, dem Nachwuchs aus solchen Ländern die Möglichkeit zu bieten, sich zu entfalten. Wissenschaft ist international, und jeder sollte eine Chance bekommen“, betont Sylvie Roelly.

Text: Dr. Barbara Eckardt
Online gestellt: Agnes Bressa
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde