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Erosion durch Klimaveränderungen? Geoforscher entdecken Fehler bei der Interpretation thermochronologischer Daten

Der Nanga Parbat im Westhimalaya weist im weltweiten Vergleich die höchsten Erosionsraten auf. Foto: Rasmus Thiede.
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Der Nanga Parbat im Westhimalaya weist im weltweiten Vergleich die höchsten Erosionsraten auf. Foto: Rasmus Thiede.

In jüngster Zeit vermuteten viele Geowissenschaftler, dass es einen direkten Zusammenhang zwischen Klima und globaler Abtragung (Erosion) gebe. Ein Team um die Potsdamer Geowissenschaftlerin  Taylor Schildgen hat nun jedoch gezeigt, dass die Analyse globaler thermochronologischer Datensätze derzeit nicht ausreichend genau ist, um eine direkte Beziehung zwischen Erosion und Klimaabkühlung im globalen Maßstab über die letzten 2.6 Jahrmillionen unserer Erdgeschichte hinweg zu bestätigen. Die Forschungsergebnisse des Teams, zu dem außer Taylor F. Schildgen (Deutsches GeoForschungsZentrum GFZ/Universität Potsdam) auch Pieter A. van der Beek (Université Grenoble Alpes), Hugh D. Sinclair (University of Edinburgh) und Rasmus C. Thiede (Christian-Albrechts-Universität zu Kiel, vormals Universität Potsdam) gehören, sind nun in der renommierten Fachzeitschrift Nature veröffentlicht worden.

Seit einigen Jahrzehnten sind Geowissenschaftler von der Vorstellung fasziniert, dass die Veränderung globaler Erosionsraten an der Erdoberfläche mit klimatischen Veränderungen in Verbindung stehen könnte. Solche Verbindungen könnten entstehen, weil schnellere Erosion zu einer verstärkten Silikat-Verwitterung und damit zu einer effizienteren Speicherung organischer Kohlenstoffe im Boden in Form von Sedimentbecken führen kann. Beide Vorgänge könnten beoachtete globale Abkühlungen durch eine Reduktion von Kohlenstoffdioxyd in der Atmosphäre erklären. Denn im jüngsten Zeitabschnitt des Erdzeitalters, dem Quartär, kommt es zum raschen Wechsel zwischen Eis- und Warmzeiten. Die vergangenen 2.6 Millionen Jahre sind außerdem von einem globalen Trend der Abkühlung geprägt. Dies könnte ein Indiz für die Beziehung zwischen Abtragung und Klima sein, da Geoforscher auch zeigen konnten, dass der Wechsel zwischen Kalt- und Warmzeiten die Erosion fördert.

Die globale Zunahme der Erosionsraten über die letzten Millionen Jahre hinweg brachten Geoforscher bisher mit dem Wechsel von Kalt- und Warmzeiten in Verbindung, da eine weltweite Zunahme von Sedimentablagerungen in den Ozeanbecken gemessen wurde. Dazu im Wiederspruch standen Studien, die andeuteten, dass die globalen Erosionsraten über diese Zeit konstant geblieben sein könnten und dass die scheinbare Zunahme der Sedimentation in den Ozeanen möglicherweise durch fehlerhafte Erhaltung der Sedimentproben, Lücken in der Ablagerung und unterschiedliche Messverfahren und -intervalle erzeugt wurden. In der letzten Zeit haben  Geowissenschaftler globale thermochronologische Datensätze zusammengetragen, die die Abkühlung von Gesteinen aufzeigen, wenn sich diese der Erdoberfläche zum Beispiel durch Erosion nähern. Kürzlich präsentierte Ergebnisse von thermischen Modellierungen deuten auf eine Verdoppelung der Erosionsraten in Hochgebirgen in den letzten 2.6 Jahrmillionen hin.

Das Forscherteam um Taylor Schildgen überprüfte den Ansatz dieser thermischen Modellierung für 30 der auf stärkere Erosion hinweisenden Datensätze. Ihre Analyse zeigt in 23 dieser Datensätze mögliche Fehlinterpretationen auf, die durch räumliche Verzerrungen verursacht worden sein können. Solche räumlichen Verzerrungen können entstehen, wenn zum Beispiel Daten von Proben mit unterschiedlichen Abkühlungsgeschichten, begrenzt durch wichtige geologische Grenzen, kombiniert werden. So kann es passieren, dass räumliche Unterschiede irrtümlich als thermische Prozesse interpretiert werden. In den meisten der 23 fehlerhaften Fälle, so die Wissenschaftler in der Zeitschrift Nature, erfolgte eine Kombination von Daten aus Regionen, die unterschiedlichen tektonischen Regionen zugeordnet werden müssen. In vier Fällen kann der Anstieg der Erosionsraten statt durch klimatische Veränderungen auch durch intensiver werdende tektonische Prozesse, zum Beispiel eine beschleunigte Gebirgsbildung, erklärt werden. Zusammen zeigen diese 27 Datensätze, dass die Verbindung von schnellerer Erosion und Klima sich so nicht nachweisen lässt und dass diese These durch eine Vernachlässigung lokaler geologischer Bedingungen entstand – und zu systematischen Fehlern in der Analyse großer thermochronologische Datensätze führte. Nur in drei von 30 Datensätzen konnte das Forscherteam eine klimatisch verursachte Zunahme der Erosion bestätigen, die tatsächlich mit dem rapiden Einschneiden von Gletschertälern in Verbindung gebracht werden kann.

Die Ergebnisse des Teams um Taylor Schildgen deuten darauf hin, dass die Analyse thermochronologischer Daten derzeit noch keine ausreichende Genauigkeit über Jahrmillionen hinweg bietet, um die mögliche Verbindung von Klima und Abtragung im globalen Maßstab zu untersuchen. Den Forschern zufolge gibt es momentan keine eindeutigen Belege für eine direkte Beziehung zwischen Erosion und Klimaabkühlung. Dennoch sehen sie das Potenzial lokaler thermochronologischer Untersuchungen, die treibenden Prozesse hinter der globalen Abkühlung und den Veränderungen der Erosionsraten besser zu verstehen.

Kontakt: Prof. Taylor Schildgen, PhD
Telefon: 0331 288-27507
E-Mail: tschilduni-potsdamde
Link zum Beitrag: www.nature.com/articles/d41586-018-05563-6

Text: Taylor Schildgen
Übersetzung: Simon Schneider
Online gestellt: Jana Scholz

Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde