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Licht ins Dunkel bringen – Nachwuchsgruppe Angewandte Analytische Photonik testet neuartige Technologie unter realen Bedingungen

Optische Fasern bei innoFSPEC. Foto: Roland Hass.
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Optische Fasern bei innoFSPEC. Foto: Roland Hass.

Industriekontakte sind für den Chemiker Dr. Roland Hass und seine Nachwuchsgruppe   Angewandte Analytische Photonik wichtig. Die Forscherinnen und Forscher beschäftigen sich mit der Photonendichtewellen (PDW)-Spektroskopie. Deren Vorteil besteht darin, dass mit ihr komplex zusammengesetzte Materialien wie Wandfarben, Cremes oder Milch während der Herstellung analysiert werden können. Diese Prozesse vor Ort zu testen, ist für beide Seiten äußerst gewinnbringend. 

Optische Fasern sind Lichtwellenleiter und dienen im Wesentlichen dem Transport von Licht. Mit ihrer Hilfe kann Licht beispielsweise „um die Ecke gebogen“ werden. Es gibt verschiedene Arten von Fasern mit unterschiedlichen Eigenschaften. So können optische Elemente mit Filterfunktion eingebracht, mehrere Fasern gebündelt oder eine Faser in mehrere aufgeteilt werden. Beispielsweise verwenden Astrophysiker des Leibniz-Institutes für Astrophysik Potsdam (AIP) fasergebundene Lichtfilter, um die Emissionen des Himmels für erdgebundene astronomische Beobachtungen zu unterdrücken. Sie gehen der Frage nach, wie sich solche Filterlinien in integrierte optische Komponenten einbauen lassen. Physikochemiker der Universität Potsdam benutzen diese Fasern wiederum, um Laserlicht in einen chemischen Reaktor zu leiten. Gemeinsame Projekte wie diese führten zur Gründung von innoFSPEC, dem Zentrum für Innovationskompetenz an der Universität Potsdam und dem AIP. 

Biologische Prozesse live analysieren

Anfangs sollte innoFSPEC Synergien zwischen den doch sehr unterschiedlichen Disziplinen Physikalische Chemie, Astrophysik und Astrophotonik schaffen. Grundlagenforschung stand im Mittelpunkt. Später konzentrierten sich die Forscher darauf, die entwickelten Ideen, Konzepte und Technologien auf ihr Anwendungspotenzial zu prüfen. Mit seinen derzeit sieben verschiedenen Forschungsgruppen deckt innoFSPEC inzwischen das gesamte Spektrum von grundlagen- und anwendungsorientierter Forschung und Entwicklung bis hin zu Transferprojekten und Ausgründungen ab.

Besonders daran orientiert ist die Nachwuchsgruppe Angewandte Analytische Photonik (AAP). Ihr Leiter Roland Hass hat an der Universität Potsdam studiert und promoviert. Schon in seiner Dissertation hat sich der Chemiker mit der Weiterentwicklung der PDWSpektroskopie beschäftigt. Anschließend wechselte er in die Industrie, ehe er sich in einem internationalen Auswahlverfahren für die Leitung der Nachwuchsgruppe AAP durchsetzte.

Roland Hass und sein Team sind auf die Erforschung und Entwicklung sowie die praktische Anwendbarkeit dieser innovativen Technologie und deren Einsatz in der Prozessanalytik, auf die Entwicklung und Kombination von weiteren faseroptischen Komponenten für Spektroskopie und Sensorik fokussiert. Ziel der Forscher ist es unter anderem, eine bessere räumliche Auflösung in hochkonzentrierten, großskaligen industriellen Prozessen zu erreichen. Die Wissenschaftler arbeiten daran, die von ihnen entwickelten Technologien unter realen Bedingungen in der Praxis zu erproben. Hilfreich sind hierfür die Kontakte zu Partnern in der Lebensmittel-, der Pharma-, der Polymer- und der Kosmetikindustrie. 

Die Gruppe ist auch deshalb erfolgreich, weil ihnen eine effektive und moderne instrumentelle Ausstattung zur Verfügung steht. Dazu gehören neuartige Methoden, wie die PDW-Spektroskopie sowie weitere Messtechniken für die Prozessanalytik flüssiger Dispersionen. Der Vorteil der PDW-Spektroskopie besteht darin, dass sie auch für hoch konzentrierte, sehr trübe Dispersionen, wie Wandfarben, Hautcremes, Milch oder Ersatznahrung, Anwendung finden kann. Inline-Messungen von Teilchengrößen im Nano- undMikrometer-Bereich sind mit dieser Technologie möglich. So können die Forschenden beispielsweise bei der Herstellung von Leimen direkt im Reaktor das Größenwachstum der Nanopartikel während der Zugabe von Monomeren verfolgen. Monomere sind Moleküle, die weiter zu Polymeren reagieren. Auch bei biotechnologischen Prozessen, wie der Fermentation von Hefe, lässt sich das Biomassewachstum inline beobachten. Wenn derartige Analysen bereits während des Herstellungsprozesses durchgeführt werden können, lassen sich beispielsweise Fehlproduktionen vermeiden oder die Qualitätskontrolle von Produktionsprozessen besser steuern.

Die Industrie hat großes Interesse an einer Zusammenarbeit

Flüssigkeiten, die eine extrem starke Trübung aufweisen, sind optisch schwer zu charakterisieren, weil in ihnen mindestens die Absorption und Streuung von Licht parallel stattfinden. „Wir haben eine nach unserem Wissen weltweit einzigartige Methode entwickelt, mit deren Hilfe diese stark streuenden und absorbierenden Systeme während ihrer Prozessierung vermessen werden können“, sagt Roland Hass. Die Forschungsgruppe will diese Methode nun als Messtechnologie etablieren. Wenn beispielsweise bei der Käseherstellung Enzyme zu Milch hinzugegeben werden, ist die PDW-Spektroskopie in der Lage zu bestimmen, welche strukturellen Veränderungen wann stattfinden. Normalerweise würde man eine Probe nehmen, sie vorbehandeln, gegebenenfalls abkühlen, verdünnen und anschließend in einen Analysator einsetzen. Ein zeitraubendes Verfahren. Hinzu kommt, dass durch die Zeitverzögerung der Prozess nicht mehr korrekt charakterisiert werden kann.

„Mit der neuen Methode erhält man die Informationen in Echtzeit direkt während der Prozessierung und bei sehr großen Konzentrationen“, erklärt der Chemiker. An diesen hohen Konzentrationen ist die Industrie außerordentlich interessiert, weil eine vergleichsweise große Ausbeute in kurzer Zeit erreicht werden kann. „Die Industrie, Lebensmittelkonzerne, Brauereien, Polymerindustrie, wird hellhörig, wenn sie von der Möglichkeit der Überwachung solcher Prozesse erfährt.“ Deshalb erhalten Roland Hass und sein Team immer wieder Angebote für Forschungskooperationen mit nationalen und internationalen Industriepartnern. Die Gruppe hat mobile Geräte, mit denen sie die Technologie in die Anlagen der Unternehmen vor Ort implementieren, sie dort durch Messkampagnen unter realen Bedingungen austesten kann.

Um das Potenzial dieser Technologie noch effektiver nutzen zu können, gründeten Dr. Roland Hass, Dr. Oliver Reich und Prof. Dr. Hans-Gerd Löhmannsröben 2013 die Firma PDW Analytics GmbH, eine Ausgründung aus innoFSPEC. „Auf diese Weise bekommen wir einen erheblichen Wissenszuwachs nach Golm, der unsere Forschung sehr stark beflügelt“, so Roland Hass. Dies wird auch den Technologiecampus von GO:UP bereichern. Hier sollen nämlich durch innoFSPEC in Zusammenarbeit mit dem Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung und den Unternehmen vor Ort sogenannte Joint Labs eingerichtet werden.

DER WISSENSCHAFTLER

Dr. Roland Hass studierte Chemie an der Universität Potsdam. Derzeit leitet er die Gruppe Angewandte Analytische Photonik im Zentrum für Innovationskompetenz innoFSPEC an der Universität Potsdam und führt zusammen mit Dr. Oliver Reich die Geschäfte der PDW Analytics GmbH.
roland.hassuni-potsdamde

DAS PROJEKT

Die Nachwuchsgruppe Angewandte Analytische Photonik widmet sich dem Ziel, die Entwicklung und Verknüpfung faseroptischer photonischer Komponenten für Spektroskopie und Sensorik voranzutreiben. Ein Ziel der Arbeiten von AAP ist die Evaluierung und Implementierung neuer faseroptischer sowie photonischer Komponenten für die PDW-Spektroskopie. Besonders im Fokus steht das sogenannte Sondenmultiplexing, das eine räumliche Auflösung großskaliger Produktionsprozesse  ermöglicht. Aufgrund der rein faseroptischen Sondentechnologie führt die PDW-Spektroskopie erstmals zur Prozesscharakterisierung auch in apparativ und technisch anspruchsvollen Prozessumgebungen.
Förderung: Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF)
Laufzeit: 2016–2021

Text: Dr. Barbara Eckardt
Online gestellt: Marieke Bäumer
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde