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Zehn Fragen für ein Buch – JewBus, Jewish Hindus & other Jewish Encounters with East Asian Religions

JewBus, Jewish Hindus & other Jewish Encounters with East Asian Religions. Foto: Jana Scholz
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JewBus, Jewish Hindus & other Jewish Encounters with East Asian Religions. Foto: Jana Scholz

Zehn Fragen für ein Buch – gestellt an Nathanael Riemer, Rachel Albeck-Gidron und Markus Krah, Herausgeber von „JewBus, Jewish Hindus & other Jewish Encounters with East Asian Religions“, in PaRDeS: Zeitschrift der Vereinigung für Jüdische Studien e.V., Nummer 23. Universitätsverlag Potsdam, 2017.

Was steht in Ihrem Buch – in drei Sätzen?

Riemer: Wir haben uns als Herausgeber der vorliegenden PaRDeS-Ausgabe zum Ziel gesetzt, die jüdischen Beziehungen zu den Kulturen Asiens in den Mittelpunkt zu rücken, um vorhandene Forschungslücken zu schließen. Die internationalen Beiträge, die über ein Call-for-Paper-Verfahren eingereicht und anschließend begutachtet wurden, spiegeln das derzeitige Interesse der zu dieser Thematik arbeitenden Wissenschaftler wider. Die eingegangenen Beiträge lassen sich unter chronologischen Gesichtspunkten in zwei große Gruppen einordnen: Vier Artikel haben ihren Schwerpunkt im 19. Jahrhundert und setzen sich mit unterschiedlichen Perspektiven jüdischer Intellektueller auf hinduistische und buddhistische Kulturen auseinander. Dagegen rücken die sechs Texte der zweiten Gruppe zeitgeschichtliche Phänomene in den Mittelpunkt, die von Alan Ginsberg über den Einfluss indischer Sufimusik auf israelische Musiker bis zu einer Übersetzung des Babylonischen Talmuds ins Japanische reichen.

Hat Ihr Buch eine Geschichte? (Wie ist es entstanden: aus einer Tagung, einem Projekt, einer Dissertation?)

Riemer: Vor einigen Jahren ist mir im Gespräch mit Kollegen aufgefallen, dass man im Kontext der Jüdischen Studien überwiegend nur „nach Westen“ schaut, während die jüdischen Kulturen Asiens – und die gab und gibt es durchaus – weitgehend ignoriert werden. Wenig später entwickelte sich in mir eine weitere Frage: Warum nimmt die Forschung den Einfluss von Christentum und Islam gelegentlich als „problematisch“ wahr, während die Aneignung religiöser Aspekte aus den polytheistisch-buddhistischen und hinduistischen Kulturen (Meditations- und Gebetstechniken, Musik, etc.) in den USA und Israel inzwischen eine Selbstverständlichkeit ist? Um diese Phänomenen zu erkunden, habe ich den Themenschwerpunkt für die vorliegende PaRDeS-Aufgabe formuliert und mir dann zwei kooperative Mitherausgeber gesucht: Dr. Rachel Albeck-Gidron von der Bar-Ilan University in Israel und Dr. Markus Krah, mein Kollege an der Universität Potsdam.

Warum ist Ihr Buch wie kein anderes?

Albeck-Gidron: Dieser Band vereinigt Beiträge über die Beziehungen zwischen Judentum und Buddhismus sowie Judentum und Hinduismus und vergleicht somit nicht nur verschiedene Religionen, sondern verschiedene religiöse Konzepte. Denn die westlichen und östlichen Zivilisationen entwickelten eine Sprache des religiösen Denkens, die so unterschiedlich sind, dass es zweifelhaft ist, ob das Wort „Religion“ ihnen beiden in demselben Sinne dient. Das Verhältnis zwischen dem christlichen Monotheismus und den Religionen Ostasiens ist natürlich in den letzten Jahrhunderten untersucht worden, während für die Frage nach der Beziehung zwischen dem Judentum und diesen Religionen vergleichsweise wenig Forschungen vorliegen. Die Ansatzpunkte im vorliegenden Band sind entsprechend neu. So überraschen beispielsweise die Beziehungen zwischen Rabbinern im neunzehnten Jahrhundert und dem Umfeld des Hindu-Tempels. Neugierde weckt auch die Dokumentation einer Übersetzung des Babylonischen Talmuds ins Japanische – sowohl wegen des interessanten Kontextes, in dem es entstanden ist, als auch wegen der faszinierenden Probleme, die während der Übersetzung auftreten. Überraschend ist die Tatsache, dass relevante Verbindungen zwischen der neuen hebräischen Literatur und der alten und modernen japanischen Sprache existieren. Ebenso spannend ist die Interdisziplinarität des Bandes, die historische, kulturelle, literaturwissenschaftlich-interpretative und poetische Beiträge miteinander verschränkt. Trotz einer sich über mehrere Jahrhunderte erstreckenden gegenseitigen Beeinflussung Europas und Ostasiens ist die Betrachtung dieser Beziehung noch nicht ausreichend geschehen.

Sie veröffentlichen im Universitätsverlag Potsdam – und damit open access. Warum?

Riemer: Als ich die Zeitschriftenreihe PaRDeS vor mehr als zehn Jahren aufbaute, überzeugten mich die damaligen Kolleginnen des Universitätsverlages Potsdam von dem Open-Access-Verfahren: Die Publikation erscheint zu einem „barrierefreien“ Preis als Druckausgabe und kann materiell in Bibliotheken konserviert werden. Gleichzeitig wird die Zeitschrift kostenlos online publiziert und ist weltweit zugänglich. Auch technisch ist die Zeitschrift „barrierefrei“, da die PDF-Dateien in Audiodateien umgewandelt und sehschwache Menschen in die Forschung einbezogen werden können. Ferner stellen farbige Abbildungen, hebräische und arabische Schriftzeichen, etc. keinen Mehraufwand dar – eine Leistung, die die meisten Verlage nicht ohne Weiteres bieten. Nicht zuletzt sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter des Universitätsverlages sehr kompetent und kooperativ.

Wer sollte Ihr Buch lesen?

Krah: Das Buch ist spannend für alle, die sich für die vielfältigen Kontakte zwischen Judentum und ostasiatischen Religionen in Geschichte und Gegenwart interessieren. Diese Kontakte sind komplex, und die Einflüsse sind wechselseitig. Wer also ein wissenschaftliches Faible hat für die Vielfalt spiritueller Traditionen, findet in der PaRDeS-Ausgabe viele Dinge, die ihn oder sie ansprechen werden.

Was lesen Sie selbst?

Krah: Ich bin begeistert von Efrat Gal-Eds Biografie des jiddischen Dichters Itzik Manger, die auch im aktuellen Heft von PaRDeS rezensiert wird.


Albeck-Gidron: Ich lese „Religion and Nothingness“ von Keiji Nishitani, einem faszinierenden japanischen Philosophen der Kyoto-Schule, der die moderne westliche Philosophie seit dem 17. Jahrhundert mit dem Zen-Denken vergleicht. Einige seiner Beobachtungen über Descartes veränderten mein Verständnis der modernen Philosophie, das sich aus Descartes‘ persönlich-logischem Schreiben ergibt.


Riemer: Seit geraumer Zeit versuche ich Yuval Noah Hararis prophetisches Werk „Homo Deus. Eine Geschichte von Morgen“ zu Ende zu lesen.

Was hat Spaß gemacht beim „Buchmachen“ – und was eher nicht?

Krah: Herausgeberarbeit klingt erst einmal selbstlos: Man schreibt wenig selbst, sondern arbeitet mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zusammen und an deren Texten. (Diese Arbeit kann manchmal auch mühsam sein, vor allem, wenn es um formale Dinge geht, die der Zeitschrift dann aber eine einheitliche Erscheinung geben.) Aber der eigene intellektuelle Gewinn ist dennoch groß. Man lernt unglaublich viel durch diese Arbeit. Das beginnt schon mit der Konzeption, denn als Herausgeber will man ja ein interessantes Thema setzen und nicht ein Sammelsurium lose verbundener Texte produzieren. Und das Redigieren der Texte ist die intensivste Form zu lesen und bringt dadurch den größten Erkenntnisgewinn.

Auf einer Skala von 1 bis 10: Wie gut ist Ihr Buch?

Riemer: Jedes Buch kann „gut“ sein und hinterlässt doch Desiderate.

Wenn Sie könnten: Würden Sie sich für das Buch einen Preis verleihen – und wenn ja, welchen?

Riemer: Darüber decken wir den Mantel der Bescheidenheit.

Und nun noch drei Sätze zu Ihnen …

Albeck-Gidron: Es ist immer spannend an einem fremden Ort universitär zu arbeiten. Ich tat dies in Stanford, Osaka, Doshisha und in Potsdam. Die intellektuelle Sprache, die universitäre Soziologie und die „vibes“ sind an jedem Ort grundsätzlich verschieden: Offenbar hat die Globalisierung noch nicht gänzlich gesiegt. Es war schön, in Potsdam mit den anderen beiden Herausgebern zusammenzuarbeiten!


Riemer: Nach einigen Jahren Herausgebertätigkeit bin ich dankbar, dass ich diese Aufgabe nun in gute Hände weitergeben kann.


Krah: Nach einem Jahr als Mitherausgeber freue ich mich darauf, diese Aufgabe zu übernehmen. Der Name unserer Zeitschrift hat verschiedene Bedeutungen; eine davon ist das hebräische Wort für einen Obstgarten. Für mich ist die Herausgeberschaft wie Gartenarbeit: Arbeit, die auch anstrengend sein kann, aber ein Ausgleich zur eigentlichen Arbeit, die bei mir vor allem mit dem US-amerikanischen Judentum zu tun hat. Im Obstgarten PaRDeS kann ich mich auch anderen Pflanzen und Früchten zuwenden, die im reichen Feld der Jüdischen Studien gedeihen.

„Zehn Fragen für ein Buch“ öffnet die Tür zum Potsdamer Universitätsverlag und stellt regelmäßig Neuerscheinungen vor. „JewBus, Jewish Hindus & other Jewish Encounters with East Asian Religions“ ist hier online verfügbar.
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