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Keine faulen Kompromisse – Die Verhandlungsexpertin Uta Herbst forscht und lehrt an der universitären Negotiation Academy Potsdam

Prof. Dr. Uta Herbst. Foto: Karla Fritze.
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Prof. Dr. Uta Herbst. Foto: Karla Fritze.

„Verhandeln ist wie Klavier spielen“, sagt Uta Herbst und lacht. „Wer es lange genug übt, kann es irgendwann.“ Ihr Lachen steckt an, überzeugt. Uta Herbst weiß, wovon sie spricht. Sie ist Professorin für Marketing an der Universität Potsdam. Einer ihrer Schwerpunkte ist das Verhandlungsmanagement, ein Feld, das gerade in Deutschland bislang kaum bestellt wurde. Uta Herbst hat sich daran gemacht, Verhandeln zur Sache des Managements zu machen – und der Forschung. Nach dem Antritt ihrer Professur an der Universität Potsdam hat sie sich einen Traum erfüllt und 2013 die Negotiation Academy Potsdam (NAP) gegründet. Eine ideale Plattform für Verhandlungsforschung – und ihre Ergebnisse.

Verhandlungsgeschick ist Übungssache

„Verhandeln kann man lernen“, sagt Uta Herbst. „Wer erfolgreich verhandeln will, sollte gut vorbereitet sein. Man sagt: 80 Prozent in die Vorbereitung stecken und nur 20 Prozent in die eigentliche Verhandlung. Außerdem gilt es, immer seine Interessen im Blick zu behalten – und offen sein für alternative Wege, diese zu erreichen. Wer stur auf seiner Position beharrt, verpasst den besseren Deal. Und man sollte aktiv verhandeln, wer vorlegt, steuert, wo es hingeht.“ Ein Patentrezept für den ultimativen Verhandlungserfolg sei das aber natürlich nicht, fügt die Wissenschaftlerin hinzu. „Verhandeln kann man lernen, aber man muss es auch üben.“ So wie sie selbst. Immerhin sei sie zu ihrem heutigen Spezialgebiet ebenfalls ein Stück weit zufällig gekommen, gibt sie selbstbewusst zu. Verhandeln sei ihr nicht in die Wiege gelegt worden und auch keineswegs immer leicht gefallen. „Eigentlich bin ich Kommunikationswissenschaftlerin, habe lange mit dem Gedanken geliebäugelt, Journalistin zu werden“, sagt sie. „Aber dann habe ich gemerkt, dass ich weniger über Dinge berichten als sie mitgestalten wollte. Also habe ich mich dem Marketing zugewandt.“

Während ihrer Promotion im Bereich des Industriegütermarketings beschäftigte sie sich damit, wie Geschäftskunden, also etwa zwei Firmen, miteinander verhandeln. „Dabei stellte ich fest, dass in der Betriebswirtschaftslehre, aber auch in der Praxis, Verhandlung als managementfreie Zone betrachtet wurde“, erklärt die Wissenschaftlerin. „Man dachte: ‚Verhandlungen geschehen zwischen zwei Personen, das können wir sowieso nicht managen.‘ Also wurde es dem Verhandlungsgeschick des Einzelnen überlassen.“ Untersuchungen zufolge geht Unternehmen dadurch bis zu 30 Prozent Umsatz durch die Lappen. Seit rund fünf Jahren finde nun ein Umdenken statt: Firmen ließen ihre Mitarbeiter entsprechend schulen, um in Verhandlungen besser abzuschneiden.

Frisch promoviert war für Uta Herbst schnell klar, dass sie dem Verhandlungsmanagement treu bleiben würde. Doch zunächst ließ sie sich in die Praxis locken: „Nach der Promotion wurde ich von BASF angeworben und habe im Einkauf gearbeitet. Die dachten wohl, weil ich zum Verhandlungsmanagement geforscht habe, könne ich verhandeln“, sagt sie lachend. „Aus heutiger Sicht würde ich sagen: Ich hätte es sicher besser machen können. Aber ich war immer gut vorbereitet – und war darum wohl nicht schlechter als andere.“

Doch ihre Leidenschaft für die Forschung behielt letztlich die Oberhand und als sich die Chance bot, ging sie zurück in die Wissenschaft. Nach Juniorprofessuren an der European Business School Oestrich-Winkel und der Universität Tübingen erhielt sie 2012 den Ruf nach Potsdam auf eine Professur für Marketing. Binnen kürzester Zeit wurde Verhandlungsmanagement nicht nur Forschungsschwerpunkt, sondern auch Bestandteil ihrer Lehre.

Männer verhandeln lieber als Frauen

Aber wie kann man Verhandeln eigentlich lehren – und lernen? „Idealerweise durch Coachings, am besten in Gruppenseminaren, in denen man Ansätze und Techniken nicht nur erklärt bekommt, sondern sie auch gleich ausprobieren kann“, sagt Uta Herbst. Auf diese Weise ließen sich die spezifischen Verhandlungssituationen aufzeigen und wie man in ihnen agieren sollte. Also etwa: Geht es (nur) um Geld oder ist der Deal komplexer? Verhandelt man allein oder in Gruppen? Begegnet man sich auf Augenhöhe oder ist die sogenannte Negotiation Power ungleich verteilt? Selbst durch die Lektüre von Studien zum Thema könne man bereits seine Verhandlungsperformance steigern. Diese habe im Übrigen eine steile Lernkurve: „Am Anfang geht es rasch bergauf“, so die Wissenschaftlerin. „Ein geschulter Neuling muss nicht viel schlechter verhandeln als ein ‚alter Hase‘.“

Gutes Beispiel hierfür sind die Studierenden, die sie in ihren Lehrveranstaltungen in die Verhandlungswelt einführt. Beim deutschlandweiten Verhandlungswettbewerb „Battle of Universities“, den Uta Herbst schon 2008 mit ins Leben gerufen hat, räumten 2013 prompt Potsdamer Studierenden-Teams die ersten beiden Plätze ab. Anfang 2015 begründete sie dann einen Wettbewerb, in dem wortwörtlich jeder aus Berlin und Brandenburg sein bzw. ihr Verhandlungsgeschick testen und unter Beweis stellen konnte. Auch hier schaffte eine Studentin der Uni Potsdam den Sprung aufs Siegertreppchen neben verhandlungserfahrene Firmengründer. Ein doppelter Erfolg für die These, dass sich Verhandeln lernen lässt. „Denn allgemein verhandelten Männer lieber als Frauen – und im Durchschnitt auch besser“, erklärt Uta Herbst. Die Ursache lasse sich anhand des sogenannten „Fünf-Faktoren-Modells“ aus der Persönlichkeitspsychologie erklären. Diesem zufolge kann man jeden Mensch auf den folgenden Skalen einordnen: Neurotizismus, Extraversion, Offenheit für Erfahrungen, Gewissenhaftigkeit und Verträglichkeit. „Im weltweiten Durchschnitt gesehen, sind Frauen weniger extrovertiert als Männer, neurotischer, kompromissbereiter. Das erklärt, warum sie seltener verhandeln und oft schlechtere Ergebnisse erreichen.“

Nicht zuletzt mithilfe des Wettbewerbs will Uta Herbst zeigen, dass es keineswegs so sein muss – und Verhandlungsgeschick nicht allein eine Frage des Charakters ist. Das zu betonen, lässt sie keine Gelegenheit aus: „Man sollte sich bewusst machen, was Verhandeln für eine Aufgabe ist: Es gilt, einen Konflikt zu lösen. Und der Weg zum für beide Seiten passenden Deal liegt nicht darin, sich vorschnell in der Mitte zu treffen“, so die Forscherin. „Damit umgeht man die eigentliche Aufgabe. Und was man erhält, ist allzu oft ein fauler Kompromiss.“ Sie ist spürbar in ihrem Element. Vielmehr gelte es, die Interessen des anderen auszuloten und eigene deutlich zu machen, ohne selbst alle Karten auf den Tisch zu legen. „Viele sind zu ruhig in Verhandlungen, fragen kaum, warten lange ab. Dabei legt beispielsweise die sogenannte ‚Anchoring Theory‘ nahe, dass derjenige, der in einer Verhandlung das erste Angebot abgibt, klar im Vorteil ist. Denn um dieses Angebot wird anschließend verhandelt.“

Uta Herbst erforscht persönliche Verhandlungsstile

Doch als Wissenschaftlerin will Uta Herbst Verhandlungsmanagement nicht nur lehren, sondern vor allem erforschen und weiterentwickeln. Rollenspielszenarien wie in besagtem Wettbewerb bieten hierfür experimentartige Voraussetzungen. Noch besser, weil realitätsnäher und gewissermaßen Feldforschung, sei indes der Blick in die Wirtschaft. „Vertriebsprotokolle von Unternehmen bieten bestmögliche Datensätze für unsere Forschungsprojekte“, sagt sie. „Und umgekehrt können wir dadurch den Firmen helfen, ihre Verhandlungsergebnisse tatsächlich zu verbessern. Unternehmen, mit denen wir zusammenarbeiten, verzeichnen Gewinnsteigerungen von bis zu zehn Prozent.“

Derzeit untersuchen Uta Herbst und ihr Team beispielsweise persönliche Verhandlungsstile. Dabei interessiert sie, wie authentisch Menschen in Verhandlungen agieren – und wie man es tun sollte, um erfolgreich zu sein. „Unsere Ergebnisse legen nahe: Sie können so unauthentisch sein, wie sie wollen“, sagt die Wissenschaftlerin lachend, „sie müssen nur authentisch rüberkommen.“ In einem zweiten Projekt widmen sie sich dem sogenannten concession management, also der Frage, wie Menschen Zugeständnisse machen und wie sie Forderungen stellen. Einen weiteren Schwerpunkt des Lehrstuhls bildet die Zieleforschung und wie es sich auf Verhandlungen auswirkt, welche Ziele man sich setzt. „Man kann das mit dem Spitzensport vergleichen“, erklärt Uta Herbst. „Wenn ich als Weitspringer 8 Meter springen kann, dann sollte ich mir auch das Maximum vornehmen und mich nicht mit 7,50 Meter zufrieden geben. In der Praxis ist das häufig noch nicht der Fall. In Unternehmen gelten oftmals eher sogenannte ‚Reservationsziele‘, also etwa Mindestmargen. Dann bewegt man sich natürlich dauerhaft am unteren Limit. Wir untersuchen, welche Zielsetzungen auch bestmöglich zum Ziel führen.“

Besonders spannend ist zudem die Frage des Outsourcing im Verhandlungsmanagement. So ist es naturgemäß wichtig, die eigenen Interessen und Ziele genau zu kennen, um sie in einer Verhandlung durchsetzen zu können. Doch wer zu stark involviert sei, verhandele möglicherweise schlechter, erklärt Uta Herbst. „Oftmals steckt beispielsweise der Geschäftsführer zu tief drin, auch emotional, und sollte die eigentliche Verhandlung anderen überlassen, beispielsweise einer Unternehmensberatung oder einem vertrauenswürdigen Geschäftspartner.“ Im Übrigen sorge dies dafür, dass Frauen mitunter doch besser verhandelten als Männer – dann nämlich, wenn es um etwas geht, das sie eigentlich nicht interessiert: beim Autokauf etwa. „Eine Erfahrung, die ich sogar in der Familie schon machen konnte“, fügt sie lachend hinzu.

Schon Kinder verhandeln – mit unterschiedlichen Strategien

Ohnehin schaltet der neugierige Blick der Verhandlungsforscherin auch zu Hause nie ganz ab. Als Mutter von drei Kindern hilft ihr das Wissen um die Geheimnisse erfolgreicher Verhandlungen auch schon mal dabei, den Alltag zu meistern. „Mein Großer machte mit sechs Jahren schon fleißig Tauschgeschäfte mit mir“, sagt sie schmunzelnd. „Aber grundsätzlich wird in Erziehungsfragen nicht verhandelt. Ich sage da immer: ‚Die Negotiation Power liegt hier klar bei Mama und Papa!‘“

Dennoch ist sie sich sicher, dass für die Verhandlungsforschung auch Kinder überaus interessant sind. So „verhandelten“ Zweijährige auf lediglich zwei scheinbar primitive Weisen: mit großen Kinderaugen oder lautem Gebrüll. Dabei sind beide Vorgehensweisen auch im Konzert „großer“ Verhandler gang und gäbe, als sogenannte Push- und Pull-Strategien – also Drohen und Schmeicheln. Und schon im Alter von sechs Jahren verfügten Kinder über ein ausgeklügeltes Arsenal von Verhandlungsstrategien. „In einem meiner nächsten Projekte will ich mir diese einmal genauer ansehen!“

Die Negotiation Academy Potsdam – Deutschlands erste Einrichtung für Verhandlungsforschung

An Themen mangelt es Uta Herbst nicht. In der Verhandlungsforschung gibt es noch viel zu tun. Grund genug für sie, 2013 mit der Negotiation Academy Potsdam Deutschlands erste Einrichtung für Verhandlungsforschung zu gründen. Die NAP führt Wissenschaft und Wirtschaft auf dem Feld des Verhandlungsmanagements zusammen und fungiert zugleich als Vermittlerin in die Öffentlichkeit. Die NAP ruht auf drei Säulen: Research, Executive Education sowie Wissenschaft und Praxis. In der ersten Säule bündelt sie die Ergebnisse der Verhandlungsforschung weit über die Uni Potsdam hinaus. Die Mehrheit aller Publikationen zur Verhandlungsforschung im deutschsprachigen Raum erscheint in der neuen Schriftenreihe der NAP. Erfolgreiche Paper und Konferenzbeiträge zeigen, dass die NAP schon jetzt auf Hochtouren läuft.

Die Vermittlung der Ergebnisse in die Praxis der Verhandlungsführung bildet die zweite Säule der Akademie. Neben ihren Lehrveranstaltungen an der Uni organisiert Uta Herbst mit ihrem Team zahlreiche weitere Seminare, für Studierende von MBA-Programmen ebenso wie für Mitglieder der Akademie oder auch maßgeschneidert für Firmen. Zusätzlich „gönnt“ sich Uta Herbst zwei Seminare pro Jahr, in denen sie Verhandlungsmanagement unter genderspezifischen Fragestellungen beleuchtet – als „persönliches Hobby“, wie sie selbst sagt. In der dritten Säule initiiert die NAP den Austausch zwischen Wissenschaft, Wirtschaft, Politik, aber auch der interessierten Öffentlichkeit über Verhandlungsforschung und -praxis. So ließ Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble zur Eröffnung der NAP die Verhandlungen zum Einigungsvertrag 1990 Revue passieren und im Herbst 2015 gab der Vorsitzender der Gewerkschaft der Lokführer Klaus Weselsky Einblicke in den Tarifkonflikt mit der Deutschen Bahn. Ab 2016 wird dann die NAP alle zwei Jahre die Negotiation Medal vergeben – an außergewöhnliche Verhandlungsexperten.

„Auf diesem Wege wollen wir den Leuten die Verhandlungsforschung näherbringen – und natürlich zeigen, was wir hier machen in Potsdam“, sagt Uta Herbst. „Wir haben eine extreme Lernkurve hingelegt, haben mit vielen Wissenschaftlern und Unternehmen Kontakte geknüpft, viel angeschoben. Aber ich denke, wir müssen noch zwei Jahre richtig Gas geben. Immerhin wollen wir die NAP zur Nummer 1 in Deutschland machen, was Verhandlungsforschung angeht.“ Maximale Ziele eben.

Die Wissenschaftlerin

Prof. Dr. Uta Herbst studierte Kommunikationswissenschaften an der Universität Hohenheim, wo sie auch zur Präferenzmessung in industriellen Verhandlungen promovierte. Seit 2012 ist sie Professorin für Marketing an der Universität Potsdam, seit 2013 Direktorin der Negotiation Academy Potsdam, seit 2014 Direktorin von Potsdam Transfer.

Havard Business Manager veröffentlicht ihre aktuelle Studie zum Verhandlungsmanagement. „Führungskräfte verhandeln oft ungeschult“ so Prof. Dr. Uta Herbst im Harvard Business Manager. Um Defizite auszugleichen veranstaltet sie Seminare.

Kontakt

Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät
August-Bebel-Str. 89, 14482 Potsdam
E-Mail: uta_herbstuni-potsdamde

Die Negotiation Academy Potsdam wurde 2013 von Prof. Dr. Uta Herbst, Professorin für Betriebswirtschaftslehre der Universität Potsdam, gegründet. Anliegen ist es, neueste Erkenntnisse aus der Verhandlungsforschung in die Praxis zu überführen. Der Arbeit der Academy liegt ein ganzheitliches Verständnis von Verhandlungen als Managementprozess zugrunde: Betrachtet werden nicht nur die Verhandlungsführung, sondern auch vor- und nachgelagerte Managementaufgaben. 
negotiation-academy-potsdam.de

Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Agnes Bressa
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde