Zum Hauptinhalt springen

Feld-Forschung – Wie Umweltstrukturen das Risiko einer Lyme-Borrelien-Infektion beeinflussen

Mehr als 2.500 Zecken hat Christiane Hönicke in den vergangenen drei Jahren gesammelt. Foto: Daniel Rolke
Foto :
Mehr als 2.500 Zecken hat Christiane Hönicke in den vergangenen drei Jahren gesammelt. Foto: Daniel Rolke

Sie sind nicht nur lästige Blutsauger. Zecken können auch gefährlich werden. Denn sie übertragen ernste Krankheiten wie Lyme-Borreliose und Frühsommer-Meningoencephalitis (FSME). Die Biologin Christiane Hönicke untersucht, wie die Form der Landnutzung das Vorkommen der Parasiten und ihren Befall mit Lyme-Borreliose-Erregern beeinflusst. Dabei konzentriert sie sich auf landwirtschaftliche Nutzflächen – denn diese bedecken den größten Teil Deutschlands.

Die Tiere, auf die es Christiane Hönicke abgesehen hat, sind nicht leicht zu entdecken. Doch mit einem großen weißen Flanelltuch an einem Holzstab spürt die Biologin die kleinen Milben auf. Geübt lässt sie die Zeckenflagge über die Wiese gleiten. „Die Übergangsbereiche zwischen Sträuchern und Wiesen sind besonders beliebt“, erklärt die Biologin. Und tatsächlich: Nach wenigen Metern krabbeln zwei schwarze Punkte über das weiße Tuch. Acht Beine haben die Zecken – es sind erwachsene Tiere. Eines ist schwarz, das andere hat einen rotbraunen Rand. „Das schwarze ist das Männchen, das rötliche das Weibchen“, erklärt Christiane Hönicke. Gefährlich für den Menschen ist vor allem das Weibchen. Denn es saugt tagelang, häufig sogar mehr als eine Woche lang, Blut aus seinem Wirt und kann dabei Lyme-Borrelien übertragen. Diese ausgiebige Blutmahlzeit ist wichtig für das Tier, damit es Eier legen und sich vermehren kann. Männchen saugen dagegen nur wenige Minuten und übertragen keine Lyme-Borrelien.

Mehr als 2.500 Zecken hat Christiane Hönicke in den vergangenen drei Jahren gesammelt. Dazu ist sie regelmäßig in die Uckermark gereist. Hier untersucht das Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e.V. (ZALF) rund um die Forschungsstation Dedelow eine Versuchsfläche mit einer Größe von 450 Quadratkilometern. Das Gebiet wird landwirtschaftlich genutzt. Doch das ist für die Untersuchungen von Christiane Hönicke kein Problem, im Gegenteil: „Meine Studie findet in der Agrarlandschaft statt. Wenn man bedenkt, dass ein Großteil der Fläche Deutschlands – je nach Berechnungsmethode bis zu 60 Prozent – von der Landwirtschaft genutzt wird, wird deutlich, welchen Einfluss das auf die Ökosysteme haben kann“, so Hönicke. Diesen Einfluss zu untersuchen, ist Ziel des ZALF-Querschnittprojekts Agro ScapeLabs (Agricultural landScape Laboratories), in dem auch die Forschung von Christiane Hönicke eingebunden ist. Die Größe der Versuchsfläche ermöglicht es den Forschern, nicht nur kleinräumige Einzelstandorte, sondern ganze Landschaftsabschnitte zu untersuchen und dabei komplexe Wechselwirkungen zu berücksichtigen. Betreut wird die Doktorandin von Wissenschaftlern der Universität Potsdam, der Technischen Universität Braunschweig und des ZALF. Die Biologin untersucht die Frage, wie sich die Form der Landnutzung auf die Zeckenpopulationen und ihre Wirtstiere auswirkt, welche Umweltparameter die Durchseuchung mit Borrelien fördern und welche sie beeinträchtigen.

Insgesamt über 100 unterschiedliche Standorte – Hecken und andere Übergangsbereiche an Ackerflächen, Wäldern, Uferböschungen und Wiesen – besuchte Christiane Hönicke mit der Zeckenflagge. Zusätzlich fing sie mit Lebendfallen Mäuse ein. Die Kleinsäuger sind wichtige Wirte der Parasiten und die Anzahl der Zecken auf den Mäusen gibt Auskunft über die Größe der Zeckenpopulation. Während sie alle Mäuse anschließend wieder freiließ, nahm die Biologin die Zecken mit ins Labor. Hier untersuchte sie die sogenannten Holzböcke molekularbiologisch. Konnte sie in der isolierten DNA Abschnitte des Erregergenoms nachweisen, war der Holzbock mit Borrelien infiziert. Etwa bei zehn Prozent der Zecken war dies der Fall. Dabei unterschied die Wissenschaftlerin auch zwischen verschiedenen Borrelienarten, denn nicht alle Arten sind für den Menschen gefährlich. „Im Anschluss an den DNA-Nachweis folgt eine Sequenzierung der DNA, mit der man über Datenbanken die jeweilige Borrelienart identifizieren kann“, beschreibt Christiane Hönicke das Vorgehen. Insgesamt können fünf der in Deutschland heimischen sieben Arten der Lyme-Borrelien Krankheitssymptome beim Menschen auslösen.

„Die Larven der Zecke können noch keine Borreliose übertragen“, erklärt Christiane Hönicke. Denn zuvor muss die Larve an einem infizierten Tier – meist einem Kleinsäuger wie etwa einer Maus – die erste Blutmahlzeit zu sich nehmen. Anschließend häutet sich die Larve zur Nymphe, die nun schon Borrelien übertragen kann. Saugt die infizierte Nymphe an einem anderen Tier oder einem Menschen, wandern die Erreger aus dem Mitteldarm zu den Speicheldrüsen und über die Mundwerkzeuge in die Haut des Wirts. Dies geschieht jedoch erst nach etwa 24 Stunden. „Deshalb ist es ganz wichtig, eine Zecke möglichst schnell zu entfernen“, betont Christiane Hönicke.

Nach den Arbeiten im Freiland und im Labor ermittelt die Wissenschaftlerin nun mit statistischen Methoden, in welchen Landschaftsstrukturen Zecken besonders häufig oder selten auftraten und wie hoch die Durchseuchung mit Borrelien war. „Welchen Einfluss haben etwa der Anbau oder die Größe der Ackerflächen – diese Fragen sind der Ausgangspunkt meiner Arbeit.“ Bereits jetzt kann die Biologin sagen, dass es große Unterschiede auf kleinem Raum gibt: „An der einen Stelle finden wir Borrelien in den Zecken und zehn Meter weiter sind keine infizierten Zecken mehr vorhanden.“ Woran das liegt, versucht sie nun zu analysieren. „Das hängt sicherlich von vielen Faktoren ab – etwa Wind, Vegetation, Feuchtigkeit und auch den Wirtstieren“, so Hönicke. Mit den gesammelten Daten entwickelt die Wissenschaftlerin ein mathematisches Modell, das diejenigen Faktoren identifizieren kann, die den größten Einfluss auf das Zecken- und Borrelienvorkommen haben. „Es ist natürlich auch das Ziel, Vorhersagen darüber treffen zu können, welche Landschaftsstruktur das Risiko der Infektion für den Menschen senkt oder anhebt“, verdeutlicht Christiane Hönicke.

Schon heute wissen Forscher, dass die Form der Landnutzung erheblichen Einfluss auf den Borrelienbefall von Zecken haben kann. „Rehe, Ziegen, Schafe oder Kühe sind nicht empfänglich für Borrelien“, erklärt Christiane Hönicke. Und mehr noch: Beißt eine infizierte Zecke eines dieser Tiere, ist anschließend auch die Zecke frei von Borrelien. Noch ist unbekannt, warum das so ist. „Den genauen Mechanismus erforscht man gerade“, so die Biologin. „Auf Weideflächen werden tatsächlich weniger mit Borrelien infizierte Zecken gefunden. Lei-der ist die Weidewirtschaft meist aus der Landnutzung verschwunden“, ergänzt sie. „Gerade dieses Beispiel zeigt, wie der Mensch über die Landschaftsnutzung Einfluss nehmen kann.“

Das Projekt


AgroScapeLabs (Agricultural landScape Laboratories) erforscht als Pilotprojekt Auswirkungen der Landnutzung auf Biodiversität und Ökosystemfunktionen.
Beteiligt: ZALF (Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e.V.), Universität Potsdam, Technische Universität Braunschweig
Internetseite: www.scapelabs.org/index.php?id=111

Die Wissenschaftlerin

Christiane Hönicke studierte Biologie in Halle (Saale). 2011 begann sie an der Universität Potsdam ihre Doktorarbeit, die sie seit 2013 am Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung e.V. (ZALF) fortsetzt.

Kontakt

Universität Potsdam
Institut für Biochemie und Biologie
Maulbeerallee 1
14469 Potsdam
E-Mail: christiane.hoenickeuni-potsdamde

Lyme-Borreliose

Benannt ist die Lyme-Borreliose nach dem amerikanischen Ort Old Lyme, Connecticut, wo das Krankheitsbild erstmals 1975 beschrieben wurde. Die Erreger der Erkrankung gehören zu den Bakterien und werden durch Zeckenstiche übertragen. Sie lösen beim Menschen unterschiedliche Symptome aus. Die Wanderröte – eine kreisförmige, von der Einstichstelle nach außen wandernde Hautrötung– tritt häufig ein bis zwei Wochen nach der Infektion auf. Später kann es zu Fieber, Gelenkentzündungen, Lähmungen und sogar zu Entzündungen des Nervensystems kommen. Gegen die Lyme-Borreliose gibt es keinen Impfstoff.

Text: Heike Kampe, Online gestellt: Agnes Bressa
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde

Veröffentlicht

Sachgebiet