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Wenn die Flut kommt – Catherine Abon arbeitet an einem Hochwasser-Frühwarnsystem für die Philippinen

Foto: Medico International
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Mit ihren 7000 Inseln sind die Philippinen der fünftgrößte Inselstaat der Welt – und ein Urlaubsparadies. An der Grenze zwischen Philippinischer und Eurasischer Kontinentalplatte gelegen, ist der Archipel jedoch auch gefährdet durch Vulkanismus und Erdbeben. Laut Angaben der „United Nations University – Institute for Environment and Human Security“ standen die Philippinen 2012 weltweit auf Platz drei der Gefahrenskala für die Wahrscheinlichkeit von Naturkatastrophen – nach Vanuatu und Tonga. In der Regenzeit von Juni bis November kommt es aufgrund von Taifunen und des Südwestmonsuns auch immer wieder zu heftigen Regenfällen und damit verbundenen Hochwasserereignissen. Welche verheerenden Ausmaße die Taifune annehmen können, ist spätestens seit Haiyan im November 2013 bekannt. Um die Folgen der verheerenden Flutwellen abzumildern, arbeiten Forscher an einem Frühwarnsystem.

Catherine Abon kennt die Gefahren. Sie stammt aus dem Norden der Philippinen. Seit Herbst 2011 arbeitet sie an der Universität Potsdam, um als Doktorandin an einer Verbesserung der Flut-Frühwarnsysteme in ihrem Heimatland mitzuwirken. Ein Dozent ihrer Universität, der University of the Philippines, ermutigte sie, nach Promotionsprogrammen im Ausland zu suchen – natürlich, um ihr Fachwissen wieder nach Hause zu bringen. Durch eine Werbung wurde die heute 30-Jährige auf das sogenannte GeoSim-Helmholtz Graduiertenkolleg für „Explorative Simulation of Earth Sciences“ aufmerksam. Wissenschaftler unterschiedlichster Disziplinen des Geo- ForschungsZentrums Potsdam, der Freien Universität Berlin und der Universität Potsdam sind darin zusammengeschlossen, um Forschung und Lehre auf dem Gebiet der explorativen Simulation in den Geowissenschaften auszubauen.

Dieser fachübergreifende Gedanke spiegelt sich auch in dem Projekt von Catherine Abon wieder. „Ich wende mathematische Werkzeuge an, um geowissenschaftliche Prozesse sichtbar zu machen“, erzählt die junge Wissenschaftlerin. Mit der Mathematik hat sie sich am Anfang jedoch noch etwas schwer getan. Zwar belegte sie im Studium einige Grundkurse, aber die Anwendung auf konkrete Fragestellungen erfordert tiefer gehende Kenntnisse. Doch ihre Fragen und Probleme kann sie in der „Hochwasser-Gruppe“, wie sie sie nennt, diskutieren. Die Gruppe besteht aus Doktoranden und Postdoktoranden, die sich alle in irgendeiner Weise mit Hochwasser beschäftigen. Und auch ihre Doktorväter haben immer ein offenes Ohr. „Idealerweise betreuen mich sowohl ein Geowissenschaftler als auch ein Mathematiker“, sagt Catherine Abon und meint damit Professor Axel Bronstert vom Institut für Erd- und Umweltwissenschaften der Universität Potsdam und Professor Ralf Kornhuber vom Fachbereich Mathematik und Informatik der Freien Universität Berlin.

Catherine Abon kam nach Potsdam, um zu untersuchen, ob sich Wetterradarsysteme für hydrologische Simulationen nutzen lassen. „Es gibt auf den Philippinen neue Radarsysteme, die Stürme erfassen, aber die für andere Anwendungen wie Hochwasserwarnung noch nicht gänzlich geeignet sind“, so Abon. „Ich versuche, mit Hilfe der Software der Universität Potsdam auch diesen Bereich abzudecken.“ Sie erfasst die vom Radar aufgezeichneten Regenfälle so, dass daraus Prognosen für Flutwellen hervorgehen können. Dabei hilft ihr das Programm „wradlib“, das von Erd- und Umweltwissenschaftlern aus dem Bereich Hydrologie und Klimatologie an der Universität Potsdam entwickelt wurde und als freie Software im Internet zur Verfügung steht. „Am Lehrstuhl der Uni Potsdam wurde das Programm bislang schwerpunktmäßig in Deutschland eingesetzt. Nun funktioniert es auch mit den Daten der philippinischen Systeme. Man muss Programme erst robust machen, sodass sie auch in anderen Fällen zuverlässig arbeiten. Die Software hat schon mehr als 40 Nutzer rund um den Globus.“

Es sind vor allem die Erkenntnisse, die sie auf ihrem Weg gewinnt, die ihre Arbeit so spannend machen, erzählt Catherine Abon. Einerseits gebe es den eindeutig praktischen Nutzen der Hochwasserwarnung. Anderseits gebe es auch einen wissenschaftlichen Erkenntnisgewinn, den sie aus der Arbeit mit den Daten ziehe und der dabei helfe, hydrologische Prozesse besser zu verstehen. „Neue Sachen zu entdecken, macht das Sitzen hier am Schreibtisch spannend. Der Alltag besteht nun einmal aus Sitzen. Die Highlights sind die Kaffeepause und das Mittagessen. Aber wenn ich die Ergebnisse erziele, die ich wollte, dann könnte ich die ganze Welt küssen.“

Bisher waren Prognosen über Regenfälle auf den Philippinen nur mit Hilfe punktueller Niederschlagsmessern möglich. Von der Auswertung der Radarinformationen erhofft sich Catherine Abon vor allem zuverlässigere und rechtzeitigere Hochwasser-Vorhersagen, da die Radarsysteme Niederschlagsmengen noch präziser erfassen können.

Die Filipina möchte Katastrophen vorbeugen, gerade weil die Menschen ihres Landes immer wieder so betroffen sind. Als der Taifun Haiyan das Land verwüstete, erlitt auch sie hier in Deutschland eine Art Trauma. „Meine Verwandten blieben zwar verschont, aber es war für mich furchtbar, die Menschen in meiner Heimat so leiden zu sehen. Und das, weil der Wind viel stärker war, als erwartet.“ Aufmerksam verfolgte sie von Deutschland aus die Hilfsaktionen, war gerührt, wie viele Menschen mit anpackten. Sie organisierte selbst Spendenaktionen, um aus der Ferne wenigstens ein bisschen zu helfen.

Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe guter Frühwarnsysteme, erzählt Catherine Abon. Das „Philippine Institute of Volcanology and Seismology“ ist zum Beispiel sehr aktiv im Erkunden der Vulkane und Erdbeben. In Metro Manila gibt es auch das „Effective Flood Control Operation System“, das Regenfälle überwacht und die Hochwasserableitung reguliert. „Das Problem ist nur, dass dennoch Chaos ausbricht, wenn es zu Katastrophen kommt.“ Die allgegenwärtige Gefahr von Naturkatastrophen ist in den Köpfen der Bevölkerung noch immer nicht präsent. „Zwar wird schon in der Grundschule über Taifune und Flutwellen gesprochen, aber nicht ausreichend darüber, was sie anrichten können.“ Catherine Abon erinnert sich daran, dass nach einem großen Erdbeben im Jahr 1999 alle Schulen verpflichtet waren, mehrmals im Jahr KatastrophenÜbungen durchzuführen. Aber nach nur kurzer Zeit wurden diese wieder eingestellt. „Menschen haben die Angewohnheit, schlimme Erlebnisse in ihrem Leben aus dem Gedächtnis zu löschen. Es mangelt uns an einer Erinnerungskultur.“ Zu den Maßnahmen, die bisher unzureichend umgesetzt werden, gehören auch Vorschriften für ein erdbebensicheres Bauen oder das Festlegen von Bereichen, die nicht bewohnt werden dürfen, weil sie zum Beispiel besonders gefährdet für Überschwemmungen sind. Dennoch blickt Catherine Abon optimistisch in die Zukunft. „Das Bewusstsein für die Gefahr, die von der Natur ausgeht, hat sich durch die vielen Flutwellen und Taifune in den letzten Jahren schon geändert. Auch Hilfsorganisationen sorgen für eine gute Aufklärungsarbeit. Sie gehen in die Kommunen, informieren die Menschen über mögliche Gefahren und die Maßnahmen, die jeder Einzelne treffen kann, um Schäden so gering wie möglich zu halten.“

Ob Catherine Abon im Herbst direkt in ihre Heimat zurückkehrt, weiß sie nicht. Noch hat sie keine Pläne für die Zeit nach ihrem Promotionsabschluss. Da Wissenschaftler auf den Philippinen sehr umworben sind, macht sie sich um die Jobsuche keine großen Sorgen. „Ich habe die romantische Vorstellung, dass ich in meiner Heimat alt werde, aber noch bin ich jung und will die Welt erkunden.“

Die Wissenschaftlerin

Catherine Abon ist Doktorandin am Institut für Erd- und Umweltwissenschaften der Universität Potsdam. Als Mitglied der Forschergruppe Hydrologie/Klimatologie unter der Leitung von Prof. Dr. Axel Bronstert arbeitet sie an einem Hochwasser-Frühwarnsystem für die Philippinen.

Kontakt

Universität Potsdam
Institut für Erd- und Umweltwissenschaften
Karl-Liebknecht-Str. 24-25
14476 Potsdam
cabonuni-potsdamde

Text: Sophie Läger, Online gestellt: Agnes Bressa