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Feine Unterschiede erkennen – Neue Studie zur Sprachentwicklung bei Säuglingen im globalen Süden

Medieninformation 09-09-2025 / Nr. 080

Wie Kinder ihre Muttersprache lernen, untersuchen Potsdamer Psycholinguisten nicht nur in Deutschland, sondern im weltweiten Vergleich. Ein Team um Prof. Dr. Natalie Boll-Avetisyan und Dr. Rowena Garcia ist dazu in die Philippinen gereist, um vor Ort in einem mobilen Labor zu erforschen, in welchem Alter und unter welchen Bedingungen Kinder subtile Lautunterschiede wahrnehmen. Zudem interessierte sie, wie die Umgebung diese Wahrnehmung beeinflussen kann. „Unsere Forschung ist eine der ersten ihrer Art, die sich auf die Sprachwahrnehmung bei Säuglingen konzentriert, die im globalen Süden aufwachsen“, erklärt Boll-Avetisyan. „Unser mobiles Babylab hat uns dabei gute Dienste erwiesen. Es erlaubt experimentelle Feldstudien auch in Regionen, die infrastrukturell nicht gut erreichbar sind“, so die Projektleiterin. Die Ergebnisse ihrer Arbeit haben die Forschenden jetzt im Journal „Developmental Psychology“ veröffentlicht.

In ihrer Feldstudie konzentrierten sich die Forschenden auf die Unterscheidung zwischen den nasalen Lauten /n/ und /ŋ/ (gesprochen wie „ng“ im Wort eng) im Tagalog, der in den Philippinen am häufigsten gesprochenen Sprache. „Die Ergebnisse zeigen, dass Babys im Alter zwischen zehn und zwölf Monaten in der Lage sind, diese Unterschiede zu erkennen, während jüngere Säuglinge zwischen vier und sechs Monaten dies nicht tun“, erklärt die Erstautorin der Studie Dr. Rowena Garcia. 
Diese Erkenntnisse unterstützen die Theorie der akustischen Salienz, die besagt, dass Kinder zum Erlernen schwer zu unterscheidender Sprachlaute zunächst ausreichend Erfahrung mit ihrer Umgebungssprache benötigen.
Damit widerspricht die Studie der Theorie, dass alle Babys von Geburt an alle Lautunterschiede wahrnehmen können. Sie weist zudem auf mögliche sprachübergreifende und kulturelle Unterschiede in den Entwicklungswegen von Säuglingen hin. Diese Ergebnisse stimmen mit früheren Forschungen in asiatischen Ländern überein, die ebenfalls eine späte Unterscheidung in der Muttersprache nahelegen. Es ist derzeit noch unklar, warum die Entwicklung der Sprachwahrnehmung im östlichen Teil des Globusses anders verläuft als im Westen. Ob dies mit besonderen sprachlichen Aspekten oder den Gegebenheiten, unter denen Babys aufwachsen, zu tun hat, wird Gegenstand zukünftiger Forschung sein müssen. 
„Unsere Arbeit unterstreicht die Notwendigkeit weiterer Forschung, um die komplexen Faktoren zu verstehen, die die Sprachentwicklung bei Säuglingen prägen“, sagt Prof. Dr. Natalie Boll-Avetisyan. „Insbesondere sprachübergreifende Vergleiche könnten helfen, die unterschiedlichen Entwicklungen besser zu verstehen und dazu beizutragen, global fundierte Theorien über die Sprachentwicklung zu entwickeln.“

Die Studie im Internet:
Garcia, R., Valdez, M. C., & Boll-Avetisyan, N. (2025). Infants discriminate subtle nasal contrasts late: Evidence from field psycholinguistic experiments on Tagalog-learning infants in the Philippines. Developmental Psychology. Advance online publication. https://dx.doi.org/10.1037/dev0002053  

Fotos:
2025_080_Foto 1_Rowena Garcia.jpg: Ein Stadtteil in Metro Manila, in dem die Teilnehmer leben. Foto: Dr. Rowena Garcia
2025_080_Foto 2_Rowena Garcia.jpg: Das mobile Babylab im Gemeindesaal der Nachbarschaft. Der verdeckte Teil ist der Bereich, in dem die Teilnehmer sitzen, wobei das Baby auf dem Schoß der Betreuungsperson sitzt. Foto: Dr. Rowena Garcia

Kontakt: Prof. Dr. Natalie Boll-Avetisyan, Professorin für Developmental Psycholinguistics
E-Mail: natalie.boll-avetisyanuni-potsdamde 
Telefon: 0331 977-2374


Medieninformation 09-09-2025 / Nr. 080