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Hilft Vitamin C gegen Krebs? – Der Potsdamer Uni-Professor Burkhard Kleuser betrachtet den Klassiker im neuen Licht

Prof. Dr. Burkhard Kleuser | Foto: Karla Fritze
Photo : Karla Fritze
Prof. Dr. Burkhard Kleuser
Eine gesunde Ernährung kann Wunder wirken. Vor allem Vitamine sind wichtig: Sie geben uns Kraft, unterstützen die Verdauung und das Zellwachstum. Doch was ist tatsächlich dran an der Wunderwaffe? Kann Vitamin C wirklich eine aufkommende Erkältung stoppen? Und welche anderen Qualitäten hat dieser gut verträgliche, wasserlösliche Stoff noch?

Der Ernährungswissenschaftler Burkhard Kleuser stellt klar: „Egal ob man Vitamin C einnimmt oder nicht, die Erkältung dauert genauso lange.“ Dabei verweist der Leiter des Lehrstuhls für Toxikologie am Institut für Ernährungswissenschaft der Universität Potsdam auf Studien, die eindeutige Ergebnisse liefern. Trotzdem ist Vitamin C ein wichtiges Molekül, weil es unter anderem am Aufbau von Bindegewebe beteiligt ist und als Antioxidans fungiert. Selbst in geringen Mengen ist es in der Lage, sensible Moleküle wie Proteine, Lipide, Kohlenhydrate und Nukleinsäuren vor einer Schädigung durch Radikale und reaktive Sauerstoffspezies zu bewahren.

Als Wissenschaftler interessiert Kleuser ein ganz anderer Zusammenhang, nämlich wie Vitamin C Moleküle beeinflusst, die in der Epigenetik eine zentrale Rolle spielen. Darunter versteht man Mechanismen, die die Aktivität von Genen modulieren. So können Gene stillgelegt oder aktiviert sein. Epigenetische Prozesse können bei Krebserkrankungen fehlgeleitet sein. „Das wurde lange von der Forschung übersehen“, erläutert der Molekularbiologe, „ist seit gut zehn Jahren aber ein großes Feld. Wir fokussieren uns auf die Frage, wie Vitamin C daran mitwirkt, fehlgeleitete Prozesse wieder richtig zu stellen – vor allem bei Leukämie-Erkrankungen.“ Erst seit Kurzem ist bekannt, dass Vitamin C bei der Regulierung von „Ten-Eleven-Translocation“ (TET)-Enzymen ein wichtiger Faktor ist. Diese Enzym-Familie verursache im Bereich der Epigenetik DNA-Veränderungen, erläutert der Forscher. „Im Fall von Krebs bedeutet das: Diese TET-Enzyme können stillgelegte Gene aktivieren und somit die aus dem Ruder gelaufenen Zellteilungen wieder in geordnete Bahnen lenken.“ Damit könnte Vitamin C unterstützend in der Tumorbekämpfung eingesetzt werden. Und der Wissenschaftler ergänzt: „Damit Vitamin C überhaupt therapeutisch in der Krebsbehandlung wirken kann, muss es in extrem hoher Dosierung direkt ins Blut gegeben werden.“ Da hilft es nicht, täglich große Mengen Obst zu essen, Pulver oder Vitamintabletten einzuwerfen. Das körpereigene Transportsystem sei bei etwa 200 mg Vitamin C am Tag gesättigt, alles darüber hinaus wird ausgeschieden. „Noch ist es also zu früh für den therapeutischen Einsatz“, gibt Kleuser zu bedenken. „Wir müssen erst noch verstehen, wie Vitamin C den Mechanismus genau beeinflusst.“

„Daran forschen wir gerade“, ergänzt Dr. Christian Gerecke, der als Postdoc im Team von Prof. Kleuser arbeitet. „Wir wollen aufklären, wie eine Aktivierung von Enzymen durch Vitamine überhaupt funktionieren kann – ein faszinierender Mechanismus.“ Hierzu werden im Labor Krebszellen mit Vitamin C behandelt, TET-Enzym-Aktivitäten gemessen und epigenetische Veränderungen an der DNA untersucht. Gerecke hat das Ziel, die Krebsforschung voranzubringen. Schon in seiner Doktorarbeit beschäftigte er sich mit der Identifizierung von Biomarkern für die Krebsfrüherkennung. „Krebs mit Vitaminen zu behandeln, galt lange Zeit als pseudowissenschaftlich“, so der Forscher. „Erst vor etwa zehn Jahren kam das aus der ‚Voodoo-Ecke“ heraus.“ Gerecke und Kleuser erinnern an die Anfänge: „Der Entdecker von Vitamin C und Nobelpreisträger, Linus Pauling, wurde jetzt erst rehabilitiert“, berichtet Kleuser. „Schon Pauling hatte damals vermutet, dass Vitamin C bei Krebserkrankungen hilft. Er hatte zwar keine großen Studien durchgeführt, wohl aber einige Fallbeispiele.“ Doch als die Wirkung wissenschaftlich belegt werden sollte, kam es bei entsprechenden Klinischen Studien zu einem entscheidenden Fehler: „Das Vitamin C wurde nicht wie in den Fällen von Pauling intravenös, sondern oral verabreicht. Es erzielte aufgrund der zu geringen Dosierung keine positiven Effekte und der Nobelpreisträger galt als widerlegt“, berichtet der Potsdamer Professor. „Bis jetzt!“

Dazu passt die Beobachtung, dass bei Krebspatienten ein sehr niedriger Vitamin C-Spiegel gemessen wird. „Das sollte man mit im Auge behalten“, bemerkt Dr. Christian Gerecke. „Es wäre kein großer Aufwand, Krebspatienten mit hoch dosiertem Vitamin C zu versorgen, zumal der Stoff gut verträglich ist. Da laufen derzeit viele Studien mit unterschiedlichen Schwerpunkten“, zeigt sich der Forscher zuversichtlich.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2020 „Bioökonomie“.