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„So lehren wir Streitkultur“ – Neujahrsempfang 2020 an der Universität Potsdam

Uni-Präsident Prof. Oliver Günther hält seine Rede beim Neujahrsempfang 2020. | Foto: Karla Fritze
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Uni-Präsident Prof. Oliver Günther hält seine Rede beim Neujahrsempfang 2020. | Foto: Karla Fritze

„In der Wissenschaft hat die Politik nur Platz als Gegenstand der Forschung und Lehre. Aber an der Universität hat die Politik auch einen Platz an sich. Dort haben politische, weltanschauliche oder religiöse Meinungen durchaus einen Anspruch darauf, artikuliert zu werden“, sagte Prof. Oliver Günther, Ph.D. auf dem Neujahrsempfang der Universität Potsdam am 15. Januar in Griebnitzsee. Vor rund 500 Gästen –  darunter auch rund 30 Studierende, die lautstark dagegen protestierten, dass Vertreter aller Parteien  des Landtags und der Stadtverordnetenversammlung zur Veranstaltung eingeladen worden waren – betonte er die Bedeutung von Hochschulen für die Wahrung und Entwicklung von Rede- und Meinungsfreiheit: „Die politische Debatte ist aus meiner Sicht essenzieller Bestandteil unseres Erziehungs- und Bildungsauftrags. Ein Rückzug in den Elfenbeinturm führt in die Irre. Vielmehr ist der offene, persönliche und natürlich auch kontroverse Austausch von politischen Argumenten auf dem Campus wichtig. So lehren und lernen wir debattieren, so lehren und lernen wir Streitkultur. Natürlich wird der Campus damit zum Forum für Diversität und Pluralität, für ein sehr breites Spektrum an Meinungsäußerungen, darunter auch viele, mit denen man als Betrachter oder Teilnehmer teilweise große Probleme hat. Aber genau das macht den politischen Diskurs doch aus.“ Und: „Nicht nur erlaubt, sondern erwünscht ist aus meiner Sicht auch, dass Forscherinnen und Forscher sich – außerhalb des Labors – als Bürger engagieren, wie dies in der Klimadebatte so erfrischend oft erfolgt ist – z.B. in der Scientists-for-Future-Bewegung, die die Fridays-for-Future-Demonstrationen der Schüler unterstützt. Wissenschaftler eröffnen über ihre Erkenntnisse Handlungsspielräume. Handeln muss – nach Würdigung der wissenschaftlichen Erkenntnisse – die Politik. Umso wichtiger, dass der Dialog zwischen Politik und Wissenschaft gut funktioniert und häufig gepflegt wird.“

Brandenburgs neue Wissenschaftsministerin Dr. Manja Schüle wiederum warb in ihrem Grußwort „für die Bedeutung von Wissenschaftsfreiheit in unserem Land. Gerade in Zeiten von Populismus, Neo-Nationalismus und ‘Fake News‘ brauchen wir starke Hochschulen und Wissenschaftseinrichtungen mit freier Forschung und offener Debatte, als Orte der Begegnungen, internationale Brückenbauer und starke Stimme im öffentlichen Diskurs. Wir wollen kluge, kreative und innovative Köpfe aus der ganzen Welt nach Brandenburg locken – dafür brauchen wir Weltoffenheit statt Abschottung.“ Die Ministerin würdigte die Entwicklung der Universität Potsdam „in den vergangenen fast 30 Jahren zu einer überregional und international anerkannten wissenschaftlichen Einrichtung und zu einer Adresse leistungsstarker Forschung und moderner Lehre sowie eines intensiven Technologie- und Wissenstransfers. Mit ihren eindrücklichen Erfolgen in den vergangenen Jahren macht sie deutlich: Zukunft wird in Potsdam, wird in Brandenburg gemacht.“

Wachstum mit Qualität

In seiner Neujahrsansprache benannte Professor Oliver Günther die Herausforderungen des weiteren Wachstums der Universität: In den Gesundheitswissenschaften entsteht gemeinsam mit der BTU Cottbus-Senftenberg und der Medizinischen Hochschule Brandenburg eine siebte Fakultät. Für den Ausbau der Lehrerbildung hat das Land 20 zusätzliche Professuren bereitgestellt, die jetzt ausgestaltet werden müssen. Zusammen mit den vom Bund finanzierten zwölf neuen Tenure-Track-Professuren erlebt die Universität einen personellen und finanziellen Aufwuchs um fast ein Drittel. Auch die Zahl der Studierenden wächst und liegt in diesem Wintersemester erstmals über 21.000. Ein derzeit diskutiertes Leitbild für die Lehre soll dazu beitragen, die Qualität des Studiums zu sichern.
Im neuen Jahrzehnt wird die Universität Potsdam ihren Wachstumskurs fortsetzen, beim Ausbau des Wissenschafts- und Wirtschaftsstandorts Golm ebenso wie in der Digitalisierung. Überall entstehen neue Gebäude, für die Lehre und für die drittmittelstarke Forschung. Nicht zuletzt wird das europäische Großprojekt – der Aufbau der European Digital UniverCity (EDUC) mit Partnern in Frankreich, Tschechien, Ungarn und Italien – die Universität vor interessante Aufgaben stellen. Immerhin hat sie als jüngste Hochschule im Verbund die Führungsrolle übernommen.

Verleihung des Voltaire-Preises 2020

Der Neujahrsempfang bot den festlichen Rahmen für die Verleihung des diesjährigen Voltaire-Preises für Toleranz, Völkerverständigung und Respekt vor Differenz. Die mit 5.000 Euro dotierte Auszeichnung ging 2020 an den ungarischen Medien- und IT-Rechtler Dr. Gábor Polyák. Er setzt sich in einem schwierigen politischen Umfeld unermüdlich für Presse- und Medienfreiheit ein. So gibt Polyák dem analytischen, offenen, unparteiischen Wort eine Stimme in dieser Welt. „Die Bedeutung seiner Arbeit ist für den ungarischen Kontext kaum zu überschätzen – und sie reicht zugleich weit darüber hinaus. Denn Medien- und Meinungsfreiheit sind für ihn der Schlüssel zu einer integrativen, gesamteuropäischen Sphäre von Wissens- und Informationstransfer“, sagte Susanne Strätling, Professorin für Ostslavische Literaturen und Kulturen der Universität Potsdam, die die Laudatio hielt. Polyák sei ein Wissenschaftler, der mit seiner Arbeit die institutionellen Bedingungen eines grenzüberschreitenden demokratischen Miteinanders schütze. Gábor Polyák forscht und lehrt an einer der Partneruniversitäten der Universität Potsdam im Verbund der European Digital UniverCity (EDUC), in der sich der europäische Gedanke in einer ganz neuen Form der akademischen Kooperation verwirklicht. „Mit Partnern wie Gábor Polyák von der Universität Pécs können wir diese Kooperation im besten Sinne gestalten – zukunftsweisend in der Besinnung auf die Ideale der Aufklärung, die dem Voltaire-Preis seinen Namen geben“, so Strätling.

Gründerprojekte ausgezeichnet

Traditionell bietet der Neujahrsempfang den festlichen Rahmen für weitere Ehrungen und Auszeichnungen: Der mit 500 Euro dotierte Technologietransferpreis von Potsdam Transfer und der UP Transfer GmbH ging in diesem Jahr an Tobias Scheffer, Professor für Maschinelles Lernen.
Auch der mit 500 Euro dotierte Guido-Reger-Gründerpreis wird alljährlich auf dem Neujahrsempfang von Potsdam Transfer verliehen. Ihn erhielten diesmal Philipp Hommelsheim und Tobias Waitschies für das StartuP Carmino.

Die vollständige Rede des Präsidenten der Universität Potsdam, Prof. Oliver Günther, Ph.D., vom Neujahrsempfang 2020 finden Sie hier.

Text: Antje Horn-Conrad/Matthias Zimmermann
Online gestellt: Sabine Schwarz
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde