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Essen für die Zukunft – Warum Algen und Salzpflanzen mehr und mehr unseren Speiseplan bestimmen könnten – und sollten

Halophyten IGZ Biooekonomie | Foto: Susanne Baldermann
Foto : Susanne Baldermann
Halophyten IGZ Biooekonomie
Es sind radikale Zukunftsszenarien, die die Forschung derzeit beschäftigen. Durch den Meeresspiegelanstieg, Dürre und Überflutungen könnte es in Zukunft weniger Boden geben, der landwirtschaftlich nutzbar ist. Auch der wachsende Bedarf an Wohnraum könnte Agrarflächen zurückdrängen. Die aktuelle weltpolitische Situation mit Akteuren wie den USA oder China, die zunehmend den Außenhandel einschränken, könnte dazu führen, dass Staaten stärker auf die Produktion im eigenen Land angewiesen sind. „No land“ und „No trade“, so lauten die beiden Extrem-Szenarien, die Forscherinnen und Forscher im Projekt „food4future“ vor Augen haben. Doch sie arbeiten schon an den Lösungen: die in Gestalt von Lebensmitteln aus Makroalgen und salztoleranten Pflanzen in unseren Mägen landen könnten.

21 Teilprojekte an ganz unterschiedlichen Forschungseinrichtungen und aus verschiedenen Disziplinen gehören zum Verbundprojekt food4future, das über fünf Jahre vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) gefördert wird. Susanne Baldermann, Professorin für Lebensmittelchemische Analytik sekundärer Pflanzenstoffe an der Universität Potsdam und am Leibniz-Institut für Gemüse- und Zierpflanzenbau (IGZ), nimmt in einem der Teilprojekte Makroalgen sowie Halophyten unter die Lupe. Makroalgen sind großblättrige Meeresalgen, während Halophyten, also Salzpflanzen, auf salzhaltigen Böden gut gedeihen. So wachsen seit Mitte 2019 in den Laboren am IGZ in Großbeeren sowohl Braun-, Grün-, und Rotalgen als auch Queller, Wildkohl und Quinoa.

In Smoothies, Pesto oder Brot sollen sie in naher Zukunft unseren Speiseplan bereichern. Das hat nicht nur ökologische Vorteile, sondern könnte auch der Gesundheit zugutekommen. „Sowohl Algen als auch Salzpflanzen wie Wildkohl und Queller, die zum Beispiel in Küstenregionen zuhause sind, haben viele günstige bioaktive Inhaltsstoffe“, erklärt die Lebensmittelchemikerin Susanne Baldermann. „Etwa Antioxidantien, Glucosinolate, Mineralstoffe und Spurenelemente.“ Algen sind zudem reich an Omega-3-Fettsäuren, die sonst vor allem in Fisch enthalten sind. Beide Organismen könnten auch eine Quelle für Proteine und somit eine gute Alternative zu tierischem Eiweiß sein. „Eine nachhaltige Agrarwirtschaft ist nur mit nachhaltiger Ernährung zu schaffen. Und das wiederum bedeutet, dass wir pflanzliche Lebensmittel bevorzugen müssen“, erklärt Monika Schreiner, Koordinatorin des Verbundprojekts und Professorin am IGZ. „Schon jetzt gibt es eine Versorgungslücke mit pflanzlichem Eiweiß, über 70 Prozent müssen eingeführt werden.“

Weltweit versalzen die Böden zunehmend und Pflanzen sind erhöhtem Stress ausgesetzt. Die nachhaltige Kultivierung von Organismen, die an salzhaltige Böden oder Salzwasser gut angepasst sind, kann einen Beitrag leisten, um die globale Ernährung zu sichern – da sind sich die Forscherinnen sicher. „Im Moment sind wir dabei, die Kultivierung in künstlichen Räumen zu erproben“, sagt Schreiner. Denn die Vision ist der regionale, platzsparende Anbau – zum Beispiel mitten in der Stadt. Die Wissenschaftlerinnen wollen ganz neue Orte zur Kultivierung erschließen, wie ungenutzte Tunnelsysteme, Begleitflächen an S-Bahn-Strecken oder Industriebrachen. Die passenden Behältnisse werden in einem anderen Teilprojekt am Fraunhofer-Institut für Angewandte Polymerforschung (IAP) produziert. „Und zwar aus Leichtbaumaterialien, wie man sie ähnlich aus dem Flugzeugbau kennt“, erklärt Projektmanagerin Julia Vogt. „Sie können an die Eigenschaften der verschiedenen Organismen und die räumlichen Gegebenheiten angepasst werden.“ Zudem sind sie leicht, langlebig und einfach zu handhaben – vielleicht können unsere Lebensmittel damit irgendwann im eigenen „Kühlschrank“ gedeihen.

„Aktuell müssen wir sowohl bei den Makroalgen als auch bei den Halophyten die Kultivierungsbedingungen optimieren“, so die Lebensmittelchemikerin. „Licht, Temperatur, die jeweilige Salzkonzentration – denn jeder Organismus ist unterschiedlich tolerant gegenüber Salz. Am Ende wollen wir eine optimale Ausbeute von Biomasse mit für die menschliche Gesundheit optimierten Inhaltsstoffen haben.“

Ein erstes Produkt ist sogar schon fast bereit für den Markt: ein Smoothie aus Halophyten, den das Team gemeinsam mit Partnern aus der Wirtschaft kreiert hat. „Der Geschmack wurde von den bisherigen Verkostern positiv bewertet. Wir würden diesen gerne in größeren Mengen produzieren.“ Sie hofft, dass relativ schnell Algen zugegeben werden können, um gesunde Fette zu integrieren. Die Prioritäten sind klar: „Es muss lecker sein“, sagt Susanne Baldermann. „Niemandem ist geholfen, wenn ein gesundes Lebensmittel den Kunden am Ende nicht schmeckt.“

www.food4future.de

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2020 „Bioökonomie“.