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Dissertationsprojekt

„Wir hassen alles, was gegen Deutschland geht“. Alfred Hugenberg, die „wilhelminische Generation“ und die nationalsozialistische „Machtergreifung“

Photo: https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/hugenbio
Alfred Hugenberg (19.6.1865-12.3.1951)

Während die Angeklagten des Hauptkriegsverbrecherprozesses in ihren Nürnberger Zellen auf die Urteilsverkündung des internationalen Gerichtshofes warteten, saß Alfred Hugenberg (1865-1951) unbehelligt auf seinem Gut Rohbraken in der Nähe von Detmold. Für die Mittelbayerische Zeitung war dies offenbar eine nicht nachvollziehbare und unhaltbare Situation. Schließlich sei „gerade er der eigentliche und unumstrittene Vater der Naziherrschaft“. Für die Beschuldigten von Nürnberg stand das juristische Urteil demnach noch aus; den moralischen Schuldspruch über den ersten Reichsminister für Wirtschaft, Landwirtschaft und Ernährung in der Regierung Hitler hatten die Zeitgenossen bereits gesprochen. Man liest vom „Totengräber des Bürgertums und der Weimarer Republik“, dem „Steigbügelhalter“ oder „Todfeind der Demokratie“. Konrad Adenauer nannte ihn den „Mann, der den Parlamentarismus in Deutschland zugrunde gerichtet hat“.

In den folgenden Jahrzehnten hat die Geschichtswissenschaft einiges dafür getan, diese Prädikate zu untermauern. Wie schon die Zeitgenossen hat die historische Zunft eine geradezu zwangsläufige Entwicklung in der Biografie und Politik Hugenbergs festzustellen vermocht: Angefangen bei seinem frühen Engagement für die Gründung des Alldeutschen Verbandes 1890, seiner Anstellung bei der Preußischen Ansiedlungskommission für Westpreußen und Posen, über seine annexionistischen Pläne während des Ersten Weltkrieges (verbunden mit seiner Stellung als Generaldirektor bei der Friedrich Krupp A.G.), seine grundsätzliche Verneinung des Staats- und Regierungssystems von Weimar, den radikalen Kurswechsel seiner Partei, den er mit seinem Amtsantritt als Vorsitzender der Deutschnationalen Volkspartei (DNVP) vollzog, das Volksbegehren gegen den Youngplan (einschließlich des „Freiheitsgesetzes“), die Tagung der „Nationalen Opposition“ in Bad Harzburg, mündete sie fast schon teleologisch in seiner Beteiligung am „Kabinett der nationalen Konzentration“ vom 30. Januar 1933 unter Hitler.

Ein genauer Blick auf die Endphase der Weimarer Republik offenbart mehrere Brüche und Zerwürfnisse im persönlichen Verhältnis Hugenbergs zum aufstrebenden Führer der NSDAP im Speziellen und in den durch sie vertretenen Parteien im Allgemeinen. Das Treffen in Bad Harzburg verlief alles andere als harmonisch; es gehört demnach zu einem der großen Mythen der Geschichtsschreibung, dass sich hier die Regierung von 1933 bereits zwei Jahre zuvor angebahnt habe. Auch an der finanziellen Unterstützung der nationalsozialistischen Partei von Seiten des Hugenberg-Konzerns und einer propagandistischen Unterstützung durch die ihm angeschlossenen Zeitungen während der Anti-Youngplan-Kampagne wurden schon berechtigte Zweifel angemeldet. Das Auseinanderfallen der „Nationalen Opposition“ belegt eindrucksvoll das Verhalten Hugenbergs und Hitlers im Vorlauf der Reichspräsidentschaftswahl 1932. In den folgenden Reichstagswahlkämpfen im Juli und November 1932 haben sich NSDAP und DNVP erbittert bekämpft. Und dennoch ist es gelungen, den „Herrn über Presse und Film“, wie Hugenberg im Volksmund genannt wurde, für das Kabinett Hitler im Januar 1933 zu gewinnen.

Dieses Projekt versucht nun, sich unter kultur- und mentalitätsgeschichtlichen Fragestellungen dem Politiker Alfred Hugenberg zu nähern, um sein Denken und Handeln begreifbar zu machen. Die historische Forschung erklärte mit den Erlebnissen der Frontsoldaten und der Kriegsjugend des Ersten Weltkriegs die Radikalisierung der Politik und den Aufstieg des Nationalsozialismus. In dieser Arbeit wird danach gefragt, wie die älteren Jahrgänge der noch vor der Reichsgründung 1871 Geborenen die umwälzenden Erfahrungen von Weltkrieg, Niederlage und Versailler Vertrag aufnahmen, werteten, verarbeiteten und welche politischen Konsequenzen sie daraus zogen. Im Mittelpunkt der Untersuchung stehen dabei die Jahre von 1924, als die Reichstagsfraktion der DNVP mit der teilweisen Zustimmung zu den Dawesgesetzen aus Hugenbergs Sicht den ersten Verrat an ihren Grundsätzen beging, bis 1933, als Hugenberg für fünf Monate das Amt eines Vierfachministers bekleidete. 

Photo: https://www.dhm.de/lemo/bestand/objekt/hugenbio
Alfred Hugenberg (19.6.1865-12.3.1951)