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Memorandum für eine engagierte VN-Politik Deutschlands

Die letzten Wochen haben mit den Meldungen der Nachrichtenagenturen über die Einigung in letzter Minute über die Änderung des Beitragsschlüssels der Mitgliedstaaten für die Vereinten Nationen kurz vor Weihnachten, über die Ratifizierung des von einer VN-Staatenkonferenz in Rom 1998 beschlossenen Statuts über die Gründung eines Internationalen Strafgerichtshofs durch die Bundesrepublik Deutschland und über die Bundestagsdebatten über die deutschen Friedenstruppeneinsätze und ihre Bedeutung für die Reform der Bundeswehr deutlich gemacht, welche Bedeutung die Arbeit der Vereinten Nationen inzwischen auch für den politischen Alltag in Deutschland gewonnen hat, aber auch, vor welchen großen personellen, finanziellen und politischen Problemen nach wie vor die Vereinten Nationen bei der Erfüllung ihrer Aufgaben stehen.

Wie viele politische Debatten und informelle Meinungsäußerungen aus den politischen Institutionen, aber auch Beiträge in den Massenmedien in Deutschland belegen, gibt es eine deutliche Diskrepanz zwischen der politischen und finanziellen Verantwortung, die Deutschland als ein wirtschaftlich und politisch starkes Industrieland in den Vereinten Nationen eigentlich übernehmen müßte und die auch die Staatenmehrheit in den Vereinten Nationen von ihm erwartet, und der Haltung vieler politisch Verantwortlicher in den Fraktionen des Bundestages und in den Ministerien, die eher zögern, diese Verantwortung zu übernehmen, weil sie mit finanziellen Mehrbelastungen und mit politischen Risiken verbunden ist.

Der Forschungskreis Vereinte Nationen als ein informeller Zusammenschluß engagierter Wissenschaftler, Politiker, Diplomaten und Journalisten, die sich für eine aktivere VN-Politik und –Forschung in Deutschland einsetzen, möchte deshalb mit dem Memorandum seiner beiden Mitglieder Professor Dr. Klaus Hüfner und Dr. Helmut Volger für eine engagierte VN-Politik Deutschlands werben, welche die bestehenden Möglichkeiten und politischen Spielräume stärker nutzt, neue Konzepte entwickelt, um die bestehenden Reformblockaden in den Vereinten Nationen zu überwinden, und mehr finanzielle Lasten und personelle Verantwortung übernimmt.

Für diese VN-Politik muß selbstverständlich sowohl in der Öffentlichkeit als auch in den politischen Gremien geworben werden, weil beim Thema Vereinte Nationen viele überholte Denkklischees und Fehlinformationen anzutreffen sind, was z.B. die organisatorischen Strukturmängel betrifft, an deren Behebung inzwischen das VN-Sekretariat energisch arbeitet.

Die Bereitstellung größerer finanzieller Ressourcen ist angesichts der Notwendigkeit zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte in Deutschland nur zu erreichen, wenn in den politischen Gremien konkreter und kontinuierlicher über die Arbeit der Vereinten Nationen diskutiert wird und sich daraus eine veränderte Prioritätensetzung zugunsten der Vereinten Nationen ergibt.

Es sollte uns zu denken geben, wenn der gesamte reguläre Haushalt der Vereinten Nationen, denen die Verantwortung für den Weltfrieden und die internationale Sicherheit und die Hilfeleistung bei humanitären Katastrophen und globalen Problemen von den Staaten der Welt anvertraut worden ist, die Hälfte des Etats der Feuerwehr von Tokyo beträgt.

Wir würden uns freuen, wenn die Vorschläge des Memorandums eine intensive Diskussion in der Politik und in der öffentlichen Meinung über die deutsche VN-Politik anregen könnten, aus der sich dann vielleicht neue Möglichkeiten und Konzepte für die konkrete Politik ergeben.

 

Potsdam, den 22. Januar 2001

Prof. Dr. Klaus Hüfner und Dr. Helmut Volger