Hybridedition des Briefwechsels der Brüder Grimm mit Georg Friedrich Benecke
Foto: Staats- und Universitätsbibliothek Göttingen, Cod. Ms. W. Müller I, 20 Bl. 126r
1. Ziel des Projekts
Die Korrespondenz der Brüder Grimm mit Georg Friedrich Benecke, von der zur Zeit 728 Briefe bekannt sind, soll erstmals vollständig herausgegeben und durch einen Sachkommentar erschlossen werden. Ihr überwiegender Teil ist bisher nicht ediert. Die Edition soll konventionell auf Papier und kostenfrei im Internet zugänglich gemacht werden, wobei im Internet zusätzliche Leistungen, vor allem Faksimiles aller Originalbriefe, vorgesehen sind, während die gedruckte Edition das Material kompakt zusammenfasst. Es handelt sich um einen wissenschaftlichen Werkstattbriefwechsel, der in großer Dichte Sachthemen diskutiert. Etwa zur Hälfte liegt er in der Spezialform von Adversarien vor, wobei Jacob Grimm und Benecke jeweils in einer eigenen, nummerierten Serie Fragen und Thesen formulierten, die der andere im freigebliebenen rechten Bereich der Seite beantwortete.
2. Bedeutung
Benecke gehörte neben den Brüdern Grimm zu den wichtigsten Gründerpersönlichkeiten der Germanistik. Schon als die Brüder Grimm ihre Arbeiten begannen und die Erforschung neuerer Sprachen und Literaturen nur in Nischen des Wissenschaftssystems Platz fand, war Benecke (1762—1844) als Experte für Altdeutsch anerkannt. Zu seinen Studenten gehörte Karl Lachmann, ebenfalls eine der einflussreichsten Gründerpersönlichkeiten des Fachs. Auch mit ihm führten die Brüder Grimm einen umfangreichen wissenschaftlichen Briefwechsel, der innerhalb des etwa 20.000 nachgewiesene Briefe umfassenden Corpus der Grimmschen Korrespondenz und hinsichtlich seiner wissenschaftshistorischen Bedeutung dem mit Benecke vergleichbar ist. Während der Grimmsche Briefwechsel mit Lachmann vor fast 100 Jahren in einer fundamentalen zweibändigen Ausgabe vorgelegt wurde, blieb die Herausgabe der Korrespondenz zwischen den Grimms und Benecke Desiderat. Ihre inhaltliche Bedeutung liegt in Beneckes prägendem Einfluss auf die philologischen Methoden Jacob und Wilhelm Grimms, in seiner fördernden Mitwirkung an ihrem wissenschaftlichen Erfolg und vor allem in der brieflichen Begleitung der ersten Bände von Jacob Grimms Deutscher Grammatik, auf der Grimms internationaler wissenschaftlicher Ruhm in erster Linie beruht. Wesentliche von Jacob Grimm entwickelte grammatische und sprachhistorische Modelle und Begriffe werden in seinem Briefwechsel mit Benecke noch vor der Publikation diskutiert und erprobt.
3. Kooperation und Einbettung in umfassendere Projekte
Die gedruckte Fassung des Benecke-Briefwechsels soll im Rahmen der kritischen Grimm-Briefausgabe vorgelegt werden, von der seit 2001 neun Bände bei S. Hirzel in Stuttgart erschienen sind. Die digitale Edition soll einer der Pilotbeiträge zu einem digitalen Grimm-Archiv sein, wo neben weiteren Briefwechseln auch andere Materialien der Brüder Grimm abrufbar sein sollen. Derzeit wird das digitale Grimm-Archiv von den Arbeitsstellen Grimm-Briefwechsel an der Humboldt-Universität zu Berlin und der Universität Kassel in Kooperation mit dem Kompetenzzentrum für elektronische Erschließungs- und Publikationsverfahren in den Geisteswissenschaften an der Universität Trier vorbereitet.
4. Beteiligte Personen
Der Briefwechsel wird von Holger Ehrhardt (Universität Kassel), Berthold Friemel (HU-Berlin), Vinzenz Hoppe (Universität Potsdam) und Philip Kraut (HU-Berlin) herausgegeben. Holger Ehrhardt edierte den Briefwechsel der Brüder Grimm mit Herman Grimm sowie unlängst zusammen mit Berthold Friemel ein Tagebuch Wilhelm Grimms. Berthold Friemel ist Hauptautor des Grimm-Briefverzeichnisses und hat in diesem Zusammenhang die beiden Adversarienfolgen Beneckes und Jacob Grimms im Detail rekonstruiert und diese Rekonstruktion auch separat in einem Aufsatz vorgestellt. Vinzenz Hoppe ist Mitherausgeber der Briefwechsel der Brüder Grimm mit den Brüdern Schlegel, mit Ferdinand Glöckle und mit Johann Martin Lappenberg, die 2016 in der kritischen Ausgabe gedruckt werden sollen. Philip Kraut ist Herausgeber bzw. Mitherausgeber der Grimm-Briefwechsel mit Gustav Freytag und Franz Joseph Mone im bisher neuesten Band dieser Ausgabe, der 2014 erschien.