Skip to main content

Aufbau eines vorsätzlichen Erfolgsdelikt (Straftataufbau)

A. Einleitung

Der folgende Beitrag beschäftigt sich mit dem gutachterlichen Aufbau einer strafrechtlichen Deliktsprüfung. Genauer geht es um die Prüfung des vorsätzlichen, vollendeten Begehungsdelikts. Die Prüfung, ob ein Täter sich wegen eines bestimmten Delikts strafbar gemacht hat, erfolgt in einem Gutachten nach überwiegender Ansicht in drei Schritten: Tatbestandsmäßigkeit, Rechtswidrigkeit und Schuld.

 

B. Straftataufbau

Bevor mit einer gutachterlichen Prüfung begonnen werden kann, muss natürlich zunächst gefragt werden, nach welchem Straftatbestand sich der Täter überhaupt strafbar gemacht haben könnte. Zur Beantwortung dieser Frage sind Sachverhalt und Aufgabenstellung genau zu lesen. Unter Umständen können nämlich bestimmte Deliktsgruppen ausgeschlossen worden sein oder es ist nur nach der Strafbarkeit eines ganz bestimmten Delikts gefragt. Sobald eine Norm mit passenden Tatbestandsvoraussetzungen gefunden wurde, kann mit der Strafbarkeitsprüfung des Täters begonnen werden.

 

I. Tatbestandsmäßigkeit

Zunächst wird die Tatbestandsmäßigkeit geprüft. Hier sind alle gesetzlichen (und u. U. ungeschriebenen) Merkmale eines Tatbestands des StGB zu prüfen. Bei den Vorsatzdelikten wird zwischen objektivem und subjektivem Tatbestand unterschieden. Während es im objektiven Tatbestand um das äußere Erscheinungsbild der Tat geht, kommt es im subjektiven Teil auf die Gedanken und Motivation des Täters an.

 

1. Objektiver Tatbestand

a) Taterfolg

Bei den Erfolgsdelikten ist es für die Strafbarkeit des Täters zunächst erforderlich, dass der Erfolg des zu prüfenden Tatbestandes eingetreten ist. Dieser ergibt sich stets aus dem Gesetz. Taterfolge sind z.B. bei einem Totschlag gem. § 212 Abs. 1 StGB der Tod eines anderen Menschen oder bei einer Sachbeschädigung die Beschädigung oder Zerstörung einer fremden beweglichen Sache, § 303 Abs. 1 StGB.

Dagegen stehen die sog. Tätigkeitsdelikte. Diese setzen keinen Erfolg voraus, sondern es genügt, wenn der Täter die im Gesetz umschriebene Handlung verwirklicht. Beispiele sind die Aussagedelikte gem. §§ 153 ff. StGB. In diesem Fall genügt bereits das Tätigen einer falschen Aussage für die Strafbarkeit. Ob der Täter das Gericht letztendlich täuschen kann, ist für diese Frage unerheblich.

 

b) Tathandlung

Das Verhalten des Täters muss eine Handlung im strafrechtlichen Sinne darstellen. Handlungsfähig sind alle natürlichen Personen ohne Rücksicht auf ihr Alter oder den Geisteszustand.

Eine Handlung ist jedes menschliche Verhalten, das vom Willen beherrscht oder zumindest beherrschbar und damit auch vermeidbar ist. Die Handlung muss willentlich ablaufen, d.h. bloße Reflexbewegungen sowie Verhaltensweisen im Schlaf werden nicht erfasst. Eine Handlungsqualität ist auch bei krankheitsbedingt nicht beherrschbaren Körperbewegungen zu verneinen (z.B. epileptische Zuckungen). Keine Handlungen sind ferner Verhaltensweisen, die durch äußere unwiderstehliche Gewalt unmittelbar erzwungen werden (sog. vis absoluta).

Beispiel: T stößt O gegen eine Fensterscheibe, die dadurch zerbricht. Eine Strafbarkeit des O wegen Sachbeschädigung gem. § 303 Abs. 1 StGB entfällt schon mangels einer Handlung im strafrechtlichen Sinne. Hier liegt ein Fall der vis absoluta vor.

Dies darf nicht mit Fällen verwechselt werden in denen der Wille nur gebeugt wird (sog. vis compulsiva). In diesem Fall liegt nämlich eine Handlung im strafrechtlichen Sinne vor.

Beispiel: T zwingt O mit vorgehaltener Schusswaffe und unter Androhung von Schlägen eine bestimmte Straftat zu begehen. Hier liegt eine Handlung des O vor, der zwar nicht freiwillig, aber dennoch willentlich reagiert. Eine andere Frage bleibt, ob die Handlung des O gerechtfertigt oder entschuldigt ist.

 

c) Kausalität

Darüber hinaus setzt die Erfüllung des objektiven Tatbestands voraus, dass der Täter durch seine Handlung den konkreten tatbestandsmäßigen Erfolg verursacht. An dieser Stelle soll eine Verbindung zwischen dem Handeln des Täters und dem eingetretenen Erfolg hergestellt werden. Diese Kausalität ist zwar ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal, wird aber dennoch vorausgesetzt. Ob eine Handlung für den Erfolg kausal ist, wird im Strafrecht nach überwiegender Ansicht mit Hilfe der sog. Äquivalenztheorie (auch conditio-sine-qua-non-Formel genannt) bestimmt. Nach dieser Theorie ist jede Handlung kausal, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele. Bei der Anwendung dieser Theorie denkt man sich also die Handlung des Täters weg und fragt, ob der konkrete Taterfolg ohne die Handlung eingetreten wäre. Ist diese Frage zu verneinen, war die Handlung für den konkreten Erfolg kausal.

Beispiel: T sticht auf den O ein, der an den Folgen seiner Verletzungen verstirbt. Unter Anwendung der Äquivalenztheorie ist jetzt zu fragen, ob der Tod des O in der konkreten Form auch ohne das Einstechen des T eingetreten wäre: Hätte T nicht auf den O eingestochen, wäre dieser nicht infolge der Verletzungen gestorben. Die Handlung des T (das Einstechen) war somit kausal für den konkreten Taterfolg (der Tod des O durch die Stichverletzungen).

Entscheidend ist, dass es auf den Taterfolg in seiner konkreten Form ankommt (also zu diesem Zeitpunkt, mit diesen Mitteln usw.)! Die Möglichkeit, dass der Erfolg später aufgrund anderer Ereignisse und in anderer Weise ebenfalls eingetreten wäre, ist für die Frage nach der Kausalität irrelevant.

Die Äquivalenztheorie geht sehr weit. Denn nach dieser Theorie sind in dem Beispiel selbst die Eltern des T für den Tod des O verantwortlich. Hätten die Eltern den T nicht gezeugt, wäre dieser nicht geboren worden und hätte später nicht auf O einstechen können. Diese Uferlosigkeit wird jedoch auf der Ebene der objektiven Zurechnung korrigiert und eingedämmt.

 

d) Objektive Zurechnung

Für die Erfüllung des objektiven Tatbestandes ist zuletzt erforderlich, dass dem Täter der Taterfolg objektiv zurechenbar ist. Wie bereits erwähnt dient diese Stufe auch dazu, die weitreichende Äquivalenztheorie einzuschränken. Es geht um die Frage, ob der eingetretene Erfolg in den Verantwortungsbereich des Täters fällt, indem er grade als sein Werk (und nicht das eines Dritten, des Opfers selbst oder des Zufalls) erscheint. Nach der anerkannten Grundformel ist der Taterfolg objektiv zurechenbar, wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im konkreten Erfolgseintritt realisiert. Bei der Anwendung dieser Definition kann zwischen verschiedenen Fallgruppen unterschieden werden.

 

aa) Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr

In folgenden Fällen hat der Täter grade keine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen und die objektive Zurechnung ist zu verneinen:  

Es ist keine rechtlich relevante Gefahr geschaffen worden, wenn der Grad der bewirkten Gefährdung so gering ist, dass er das allgemeine Lebensrisiko nicht übersteigt. Hierunter fallen insb. weit entfernte Bedingungen (z.B. die Zeugung eines späteren Täters) sowie unbeherrschbare Kausalverläufe (insb. Naturgewalten). Eine rechtlich relevante Gefahr besteht auch dann nicht, wenn das Verhalten des Täters ein erlaubtes Risiko darstellt. Dies ist bei Verhaltensweisen der Fall, die trotz ihrer Gefährlichkeit aufgrund ihres sozialen Nutzens erlaubt sind (sog. Lehre von der Sozialadäquanz). Klassisches Beispiel ist die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr.

Auch in Fällen der Risikoverringerung ist die objektive Zurechnung ausgeschlossen. Der Täter greift in einen Geschehensverlauf ein und schwächt durch sein Verhalten einen bereits drohenden Erfolg ab. Die eingreifende Person handelt mit dem Ziel, das Schadensrisiko zu verringern. Bei einem solchen Verhalten kann nicht von der Schaffung einer rechtlich missbilligten Gefahr gesprochen werden.

Beispiel: Die Freunde A und S stehen neben dem Haus der S und unterhalten sich. Als A durch Zufall einen Blick nach oben wirft erkennt er, dass sich einer der Dachziegel gelöst hat und droht hinunterzufallen und die S am Kopf zu treffen. Im letzten Moment stößt A die S zur Seite, sodass sie nicht am Kopf, sondern an der Schulter getroffen und nur leicht verletzt wird.

Ferner muss der Verstoß gegen eine Verhaltensnorm nicht zwingend zur Schaffung einer rechtlich relevanten Gefahr führen. Es ist vielmehr auf deren Schutzzweck abzustellen. Nur, wenn die verletze Verhaltensnorm gerade dem Schutz des betroffenen Rechtsguts dienen soll, wurde eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen. Ob die verletzte Sorgfaltspflicht ihrem Sinn und Zweck nach auch grade den verwirklichten Erfolg vermeiden soll, muss durch Auslegung ermittelt werden.

Beispiel: Autofahrer A überschreitet auf einer Landstraße die erlaubte Höchstgeschwindigkeit. In Bielefeld angekommen verursacht A einen Unfall wobei ein Kind, das grade die Straße überqueren wollte, schwer verletzt wird. Die Kausalität ist problemlos gegeben: Hätte A sich vorher an die Begrenzung gehalten, wäre er später am Unfallort angekommen und das Kind hätte die Straße bereits überquert. Es fehlt aber an der objektiven Zurechnung. A hat mit seinem Verhalten auf der Landstraße zwar gegen die Regeln der StVO verstoßen, jedoch hat eine Geschwindigkeitsbegrenzung den Schutzzweck die Verkehrsteilnehmer im konkreten Straßenbereich vor gesteigerten Gefahren zu schützen. Der Schutzzweck liegt nicht darin, dass Fahrzeuge bestimmte Orte erst später erreichen sollen.

 

bb) Die Realisierung der Gefahr im Erfolg

Hat der Täter eine rechtlich relevante Gefahr geschaffen, muss sich diese auch im konkreten Erfolg realisieren. Bei dieser Frage sind vor allem die folgenden Fallgruppen bedeutsam:

Zunächst sind die Fälle des sog. atypischen Kausalverlaufs zu nennen. Dabei realisiert sich im Erfolg nicht die Gefahr, die der Täter durch sein Verhalten geschaffen hat. Es liegt vielmehr ein Werk des Zufalls und nicht eines des Täters vor. Ein atypischer Kausalverlauf ist gegeben, wenn der eingetretene Erfolg völlig außerhalb dessen liegt, was nach dem gewöhnlichen Verlauf der Dinge und nach der allgemeinen Lebenserfahrung noch in Rechnung zu stellen ist.

Beispiel: T hat die Absicht den O zu töten und verletzt diesen durch einen abgegebenen Schuss lebensgefährlich. Letztendlich stirbt O jedoch durch einen Genickbruch, da er von der Trage fällt, als einer der herbeigerufenen Sanitäter einen Herzinfarkt erleidet. Hier realisiert sich im Tod des O nicht die Gefahr, die der T geschaffen hat und der Taterfolg ist dem T nicht objektiv zurechenbar. Es ist jedoch an die Strafbarkeit wegen Versuchs zu denken.

Darüber hinaus hat sich die vom Täter gesetzte Gefahr nicht im Erfolg realisiert, wenn der Erfolg in den Verantwortungsbereich des Opfers oder eines Dritten fällt. Hierzu gehören die Fälle der freiverantwortlichen Selbstgefährdung sowie das eigenverantwortliche Dazwischentreten eines Dritten:

Im Fall der freiverantwortlichen Selbstgefährdung bzw. Selbstschädigung schädigt bzw. gefährdet sich das Opfer selbst, wodurch es zu einer Durchbrechung des Zurechnungszusammenhangs kommt. Nach dem Prinzip der Eigenverantwortlichkeit ist jeder grundsätzlich nur für sein eigenes Verhalten verantwortlich. Dem Täter soll kein Taterfolg zugerechnet werden, wenn dieser allein vom Opfer zu verantworten ist. So bleiben etwa die Selbsttötung oder die Selbstverletzung straflos und demzufolge kann „erst recht“ nicht bei einer bloßen Mitwirkung daran wegen Tötung oder Körperverletzung bestraft werden. Damit die Tat dem Verantwortungsbereich des Opfers zugeordnet werden kann, müssen jedoch zwei Voraussetzungen erfüllt sein: Erstens muss das Opfer „freiverantwortlich“ handeln. Diese Freiverantwortlichkeit entfällt, wenn die Selbstschädigung aufgrund der §§ 19, 20, 35 StGB oder § 3 JGG entschuldigt wäre oder die Entscheidung des Opfers zur Selbstgefährdung oder –Verletzung nach den Regeln der Einwilligung unwirksam ist. Die ist meist der Fall, wenn die Entscheidung auf wesentlichen Willensmängeln beruht, sie also z.B. durch Täuschung, Irrtum oder Unkenntnis von bekannten Risikofaktoren herbeigeführt wurde. In solchen Fällen liegt keine freie Selbstgefährdung vor. Zweitens muss sich das Opfer wirklich „selbst“ schädigen; es darf nicht durch den Täter verletzt werden. Die Abgrenzung erfolgt nach überwiegender Ansicht danach, wer die Tatherrschaft über den unmittelbaren Schädigungsakt hatte.

Beispiel: A spritzt sich Heroin und stirbt infolge einer Überdosis. Das Heroin hat A von B bekommen. Trotz tödlicher Wirkung des Rauschgifts kann B nicht wegen eines Tötungsdelikts bestraft werden. Er hat A nur dabei unterstützt, sich bewusst und freiverantwortlich selbst zu schädigen. Der Tod des A kann ihm nicht zugerechnet werden.

Anders wäre es, wenn B dem A wissentlich verunreinigtes Heroin beschaffen hätte und A dies nicht mitgeteilt hätte. Zwar setzt sich A die Spritze auch dann selbst, er unterliegt jedoch einem Irrtum über die Gefährlichkeit des Stoffes, weil B ihn nicht aufgeklärt hat. B hat also die Tatherrschaft kraft überlegenen Wissens. Es liegt somit keine freiverantwortliche Selbstschädigung mehr vor und objektive Zurechnung bleibt bestehen.

Ebenfalls unter die Abgrenzung nach Verantwortungsbereichen fällt die Fallgruppe des eigenverantwortlichen Dazwischentretens eines Dritten. In diesen Fällen setzt ein Ersttäter eine Kausalkette in Gang, es tritt jedoch ein Zweittäter dazwischen und führt letztendlich den tatbestandlichen Erfolg herbei. Dann stellt sich folgende Frage:Ist die Tat noch als Werk des Ersttäters anzusehen oder fällt sie infolge des Dazwischentretens in den Verantwortungsbereich des Dritten? Grundsätzlich gilt, dass die Verantwortung des Ersttäters endet, wenn der Dritte vorsätzlich oder grob fahrlässig und damit voll verantwortlich eine neue, selbstständig auf den Erfolg hinwirkende Gefahr schafft, die sich dann allein im Taterfolg realisiert.

Beispiel: T hat O mit Tötungsvorsatz angeschossen und schwer verletzt liegen gelassen. O wurde noch rechtzeitig ins Krankenhaus gebracht. Arzt A, der in O seinen Todfeind erkennt, nimmt sich dessen an und verabreicht ihm unauffällig eine Spritze mit tödlichem Gift, um ihn loszuwerden. A hat sich wegen Mordes gem. § 211 StGB (Heimtücke) strafbar gemacht. Dagegen scheitert die Strafbarkeit des T wegen vollendeten Totschlags an der objektiven Zurechnung. Im Tod des O verwirklicht sich nicht die Gefahr, die T durch seinen Schuss gesetzt hat, sondern eine neue Gefahr, die A durch sein Dazwischentreten geschaffen hat. Bei T ist jedoch an die Versuchsstrafbarkeit zu denken.

Zuletzt ist der sog. Pflichtwidrigkeitszusammenhang zu nennen. Eine durch pflichtwidriges Verhalten geschaffene Gefahr des Täters schlägt sich auch dann nicht im Erfolg nieder, wenn dieser Pflichtwidrigkeitszusammenhang fehlt. Diese Fallgruppe wird jedoch insb. bei den Fahrlässigkeitsdelikten relevant und wird in dem dazugehörigen Beitrag [in Vorbereitung] genauer erläutert.

 

2. Subjektiver Tatbestand

Der subjektive Tatbestand ist der zweite zu prüfende Teil der Tatbestandsmäßigkeit. Dieser bezieht sich auf die innere Einstellung und die Gedanken des Täters. Er setzt sich aus dem Vorsatz und unter Umständen aus weiteren besonderen subjektiven Tatbestandsmerkmalen zusammen.

 

a) Vorsatz

Gem. § 15 StGB ist es für die Strafbarkeit des Täters erforderlich, dass dieser vorsätzlich handelt. Ausnahme ist, dass das Gesetz fahrlässiges Handeln ausdrücklich mit Strafe bedroht. Der Vorsatz wird definiert als der Wille zur Verwirklichung eines Tatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Tatumstände. Der Vorsatz muss sich also auf die objektiven Tatbestandsmerkmale beziehen und er muss zum Zeitpunkt der objektiven Tatbestandsverwirklichung vorhanden sein. Ein nur im Vorfeld der Tat bestehender Vorsatz (sog. dolus antecedens) oder ein erst nachträglich gefasster Vorsatz (sog. dolus subsequens) reichen nicht aus. Nach der Definition ist es für die Bejahung des Vorsatzes erforderlich, dass der Täter mit Wissen und Wollen handelt. Es kann zwischen drei Vorsatzformen unterschieden werden, bei denen diese beiden Vorsatzelemente jeweils unterschiedlich gewichtet werden:

Die erste mögliche Vorsatzform ist die Absicht (dolus directus 1. Grades). Diese zeichnet sich dadurch aus, dass das Wollenselement des Täters überwiegt. Es kommt ihm also gerade darauf an, den tatbestandlichen Erfolg zu verwirklichen. Das Wissenselement ist dagegen eher schwach ausgeprägt. Diesbezüglich reicht die Vorstellung, dass es zur Erfüllung des tatbestandlichen Erfolgs kommen kann.

Beispiel: A kann den B nicht leiden und will ihn unbedingt töten. Er schießt von weitem auf B, wobei er sich nicht sicher ist, ob er den B aus der Distanz treffen wird.

Die zweite mögliche Form ist der direkte Vorsatz (dolus directus 2. Grades). In diesem Fall sieht der Täter sicher voraus, dass sein Handeln den Erfolg herbeiführen wird. Somit überwiegt das Wissenselement. Bezüglich des Wollens spielt es keine Rolle, ob dem Täter das Geschehen erwünscht ist oder nicht. Er muss sich nur damit abfinden.

Beispiel: A kann seinen derzeit krank im Bett liegenden Schwager S eigentlich gut leiden und wünscht sich dessen Tod nicht. Um einen Versicherungsbetrug zu begehen, zündet A gleichwohl das gemeinsame Haus an, wobei er weiß, dass sich S zu dieser Zeit in dem Haus befindet. Dass A den Tod des S nicht wünscht, ändert nichts am Vorsatz.

Die letzte Vorsatzform ist der Eventualvorsatz (dolus eventualis). Dieser stellt die schwächste Vorsatzform dar. Weder das Wollens- noch das Wissenselement sind besonders ausgeprägt. Es ist ausreichend, wenn der Täter auf der intellektuellen Seite die Verwirklichung des Tatbestandes ernsthaft für möglich hält und diese auf der voluntativen Seite billigend in Kauf nimmt. An dieser Stelle ergeben sich häufig Abgrenzungsprobleme zur sog. bewussten Fahrlässigkeit. Im Fall der bewussten Fahrlässigkeit hält der Täter es nämlich ebenfalls für möglich, dass der objektive Tatbestand erfüllt wird, er vertraut jedoch pflichtwidrig, aber ernsthaft darauf, dass die Tatbestandsverwirklichung ausbleibt. Die Abgrenzung ist jedoch im Einzelnen stark umstritten und soll deswegen an dieser Stelle nur erwähnt werden.

Grundsätzlich ist es ausreichend, wenn der Täter mit Eventualvorsatz handelt. Ausnahmen ergeben sich, wenn das Gesetz ausdrücklich anordnet, dass der Täter mit Absicht oder Wissentlichkeit handeln muss (z.B. § 258 Abs. 1 StGB).

 

b) Besondere subjektive Tatbestandsmerkmale

Neben dem Vorsatz setzen einige Tatbestände voraus, dass der Täter weitere subjektive Tatbestandsmerkmale verwirklicht. Beispiele sind etwa eine Zueignungs- oder Bereicherungsabsicht (vgl. §§ 242 Abs. 1, 263 Abs. 1 StGB).

 

II. Rechtswidrigkeit

Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob der Täter auch rechtswidrig gehandelt hat. An dieser Stelle wird ein endgültiges Unrechtsurteil gefällt. Ist eine Tat gerechtfertigt, stellt sie kein Unrecht dar und wird von der Rechtsordnung gebilligt. Der Täter hat sich also nicht nach dem zu prüfenden Delikt strafbar gemacht. Eine Tat ist immer dann gerechtfertigt, wenn der Täter auf Grundlage eines anerkannten Rechtfertigungsgrundes gehandelt hat. 

 

III. Schuld

Auf Ebene der Schuld ist schließlich zu prüfen, ob dem Täter die rechtswidrige Tat auch persönlich vorzuwerfen ist. In Deutschland gilt das sog. Schuldprinzip, welches besagt: „Keine Strafe ohne Schuld“ (nulla poena sine culpa). Dieses Prinzip hat Verfassungsrang und findet seine Grundlage in der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG).

Schuldhaft Handeln kann nur eine Person, die auch schuldfähig ist. Nach § 14 StGB sind alle Kinder unter 14 Jahren schuldunfähig, und zwar unabhängig von ihrem Reifegrad. Bei Jugendlichen im Alter zwischen 14 und 18 Jahren kommt es gem. § 3 JGG für die Schuldfähigkeit darauf an, ob sie nach ihrer sittlichen und geistigen Entwicklung reif genug sind, das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln. Alle anderen Personen sind schuldfähig, es sei denn sie leiden an einer seelischen Störung im Sinne des § 20 StGB und es fehlt ihnen deshalb die Fähigkeit das Unrecht der Tat einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln.

Jedoch ist auch bei einem schuldfähigen Täter die Schuld ausgeschlossen, wenn ein anerkannter Entschuldigungsgrund vorliegt.

 

C. Werkzeuge

Definitionen

Handlung

Eine Handlung im Sinne des Strafrechts ist jedes vom menschlichen Willen beherrschte oder beherrschbare Verhalten.

Kausalität

Kausal im Sinne der Äquivalenztheorie ist jede Handlung, die nicht hinweggedacht werden kann, ohne dass der Erfolg in seiner konkreten Gestalt entfiele.

Objektive Zurechnung

Objektiv zurechenbar ist ein Erfolg, wenn der Täter eine rechtlich missbilligte Gefahr geschaffen hat, die sich im tatbestandlichen Erfolg realisiert. 

Vorsatz

Vorsatz ist der Wille zur Verwirklichung eines Tatbestandes in Kenntnis aller seiner objektiven Umstände.

 

Prüfungsaufbau: Vorsätzliches Erfolgsdelikt

I. Tatbestandsmäßigkeit

1. Objektiver Tatbestand

a) Taterfolg

b) Tathandlung

c) Kausalität

d) Objektive Zurechnung

2. Subjektiver Tatbestand

  • Vorsatz

  • Ggf. besondere subjektive Tatbestandsmerkmale

II. Rechtswidrigkeit

III. Schuld

 

D. Wiederholungsfrragen

Frage: 1 Was bedeutet Kausalität im Sinne der Äquivalenztheorie und wie wird diese angewendet?

Frage 2.1: T konnte seiner Schwiegermutter S noch nie besonders gut leiden. Bei einem heraufziehenden Gewitter sieht er seine Chance und schickt die S nach draußen in der Hoffnung, dass sie vom Blitz erschlagen wird.

Frage 2.2: Dieser Fall tritt tatsächlich ein und S verstirbt. Kann der Tod der S dem T objektiv zugerechnet werden?

Frage 3: Zwischen welchen Vorsatzformen kann unterschieden werden und wodurch zeichnen sich diese aus?