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Konferenz „The Human Right to a Dignified Existence in an International Context“ (20.-21.10.2017)

Tagungsbericht

Die internationale Konferenz „The Human Right to a Dignified Exitence in an International Context“ des MenschenRechtsZentrums hat am 20. und 21. Oktober 2017 an der Universität Potsdam stattgefunden. An ihr nahmen ausgewiesene Vertreter der Philosophie sowie der Rechts- und Politikwissenschaften aus Großbritannien, den Niederlanden, Österreich, der Schweiz und aus Deutschland teil. Sie boten ein breites Spektrum an Fachbeiträgen zu Fragen nach einem Recht auf menschenwürdige Existenz und damit in Verbindung stehende  Verantwortlichkeiten, die nicht bei der Gewährleistungspflicht des Staates stehen blieben. 

Eröffnet wurde die Konferenz mit der Begrüßung der Teilnehmer durch den Geschäftsführenden Direktor des MRZ, Logi Gunnarsson. In seiner Einführung blickte er noch einmal auf die Idee hinter der Konferenz – auf die Fragen nach dem Konzept der Menschenrechte im Allgemeinen und nach Menschenrechtsverletzern – und stellte das Programm und die Moderatoren vor.

Die zweitägige englischsprachige Konferenz war in zwei Panels gegliedert, zu denen verschiedene Themenbereiche gehörten:

Panel I:  Understanding the Right to a Dignified Existence and Addressing Responsibility

  • On the Nature of the Human Right to a Dignified Existence
  • Addressing Responsibility: Whose and What Kind of Duties?

Panel II: The Right to a Dignified Existence in Context

  • The Right to a Dignified Existence and Marginalised Humans
  • The Right to a Dignified Existence and (Im)Migration
  • The Right to a Dignified Existence and Democracy
  • The Right to a Dignified Existence and Climate Change

Die Moderation übernahmen die Direktoren des MRZ, Logi Gunnarsson und Andreas Zimmermann, sowie Norman Weiß, ebenfalls MRZ.

Panel I „Das Verständnis des Rechts auf eine menschenwürdige Existenz und das Übernehmen von Verantwortung“ umfasste die beiden o.a. Themenbereiche „Zur Natur des Menschenrechtes einer menschenwürdigen Existenz“ sowie „Das Übernehmen von Verantwortung: Wer hat welche Art von Pflichten?“

Die Natur des Menschenrechtes wurde in den Referaten von Elena Pribytkova (Universität Basel), John Tasioulas (King’s College London) und Georg Lohmann (Universität Magdeburg) behandelt. Elena Pribytkova sprach zum Thema “The Right to a Dignified Existence as a Human Right” und verwies in ihrer Begründung u.a. auf Positionen von Christopher McCrudden, Victor Frankl, Martin Luther King oder Joseph Wresinski. Gerade letzterer hatte den Zusammenhang von Armut und sozialer Ausgrenzung besonders betont. John Tasioulas ging in seinem Referat “Human Rights, Human Dignity & the Human Right to a Dignified Existence” u.a. auf die Fragen ein, ob Menschenrechte gewisse Fähigkeiten der Menschenrechtsträger voraussetzen und ob Menschenwürde solche Fähigkeiten voraussetzt.

Georg Lohmann erörterte in seinem Vortrag “How to determine the scope of a Human Right to a Dignified Existence?” die politische Konzeption von Menschenrechten und den Stellenwert von Menschenwürde innerhalb einer solchen Konzeption.

Zum zweiten Schwerpunkt referierten Roland Pierik (Universiteit van Amsterdam), Elizabeth Ashford (University of St.Andrews) und Christian Neuhäuser (Technische Universität Dortmund). Roland Pierik wandte sich dem Thema “National States′ Shared Responsibility to Protect the Human Right to a Dignified Existence: Mapping the Terrain” zu. Er diskutierte das Verhältnis von kollektiver und individueller Verantwortung und die Frage, welche rechtliche Relevanz diese Begriffe im internationalen Kontext haben können.

Der Vortrag “The Infliction of Severe Poverty as the Perfect Crime” von Elizabeth Ashford musste leider ausfallen, da Ashford aus dringenden persönlichen Gründen in letztem Moment absagen musste.

“Securing the Right to a Dignified Existence: The Problem of Structural Responsibility” war das Thema von Christian Neuhäuser, der darauf einging, in welchem Verhältnis strukturelle Ungerechtigkeit und strukturell verankerte Verletzungen des Rechts auf ein Leben in Würde zu persönlicher und politischer Verantwortung stehen.

Panel II „Das Recht auf ein würdevolles Leben im Kontext“ befasste sich mit vier exemplarisch ausgewählten Bereichen zum Recht auf ein menschenwürdiges Leben.

Geraldine Van Bueren (Queen Mary University of London) hatte sich mit ihrem Thema “The New Social Contract – A Dignified Existence for both the Poor and the Wealthy” den gesellschaftlichen Randschichten gewidmet. Da sie ihre Teilnahme kurzfristig absagen musste, las Logi Gunnarsson den bereits schriftlich eingereichten Beitrag vor. Mit dem Bereich der Ein- und Abwanderung beschäftigte sich das Thema “Transnational Regulation of Detention and Deportation: Human Dignity and the EU Returns Directive” von Galina Cornelisse (Vrije Universiteit Amsterdam). Sie thematisierte u.a., inwiefern die Praktiken der Rückführung von abgelehnten Asylsuchenden mit der Menschenwürde der Betroffenen vereinbar sind.

Dem Bereich Demokratie wandte sich Catherine Dupré (University of Exeter) mit ihrem Referat “Human Dignity and Poverty: Affiliation, Time, Democracy” zu. Sie hat die temporale Dimension vom Verlust der Menschenwürde auf individueller Ebene und die temporale Dimension der politischen Verantwortung für die Aufrechterhaltung von Menschenwürde thematisiert. Schließlich wurde mit dem Vortrag von Lukas H. Meyer (Universität Graz) der Themenbereich Klimawandel aufgegriffen. Ausgehend vom Begriff der Grundbedürfnisse diskutierte er dessen Relevanz für die Verantwortung für zukünftige Generationen und dessen mögliches Verhältnis zum Begriff eines menschenwürdigen Lebens.

Zu allen Themen wurden verschiedenartige, teils konträre Positionen lebhaft diskutiert: Ist Menschenwürde angemessen als rechtfertigende Basis der Menschenrechte überhaupt oder eher als das Begründende spezifischer Menschenrechte zu verstehen? Oder müssen ihr diese beiden Funktionen zugesprochen werden? Diese Fragen ließen sich im Lichte des Gegenstands der Konferenz auch wie folgt stellen: Gibt es ein grundlegendes Recht auf eine menschenwürdige Existenz, mit dem sich andere Menschenrechte begründen lassen oder kommt eine Begründung der Menschenrechte vermittels des Begriffs der Menschenwürde ohne die Annahme eines derartigen Rechts aus?

Wie diese Frage auch beantwortet wird, immer muss geklärt werden, was die Zuschreibung von Menschenwürde, respektive des Rechts auf ein menschenwürdiges Leben, seinerseits im Kern rechtfertigt.

Positionen, die nicht annehmen, der Menschenwürde käme grundlegende Funktion zu, müssen Fragen nach der Ordnung der Menschenrechte beantworten: Stellt das Recht auf eine menschenwürdige Existenz ein eigenständiges Menschenrecht dar, das gleichrangig neben anderen steht oder ist Menschenwürde ein Aspekt anderer Menschenrechte, der anders expliziert werden muss als ein eigenständiges Recht? Wird für letzteres optiert, so könnte man Menschenwürde beispielsweise als übergeordnetes Prinzip verstehen, an dem sich die Artikulation einzelner Menschenrechte orientieren muss. Oder aber, Menschenwürde könnte in Gestalt einer Schwelle ausbuchstabiert werden, deren Über- oder Unterschreiten Aufschluss über das Vorliegen einer Verletzung von Menschenrechten gibt.

Während die Referenten zu Grundsatzfragen des ersten Panels diese Fragen ganz ausdrücklich adressierten, nahmen Redner im zweiten Teil der Veranstaltung Fragen nach der mit dem so oder anders verstandenen Menschenwürdebegriff zusammenhängenden Verantwortung in den Blick: Wem kommt die hier relevante Verantwortung zu – politischen Akteuren, (internationalen) Unternehmen, Einzelpersonen, etc. – und was genau hat sie zu ihrem Gegenstand? Wie lässt sie sich eingrenzen und im Einzelfall durchsetzen?

Insgesamt gesehen hat der interdisziplinäre Ansatz der internationalen Konferenz nicht nur zu einem Erkenntnisgewinn geführt, sondern auch das gegenseitige fachspezifische Verständnis angeregt und erweitert. Weitere wissenschaftliche wie gesamtgesellschaftliche Diskussionen bleiben unerlässlich.