Zum Hauptinhalt springen
Restrepiella ophiocephala
Foto: M. Burkart
Restrepiella ophiocephala

Orchideen-Klassifikation

Pflanze des Monats Januar 2016

Die Schlangenkopf-Zwergrestrepie

Carlyle A. Luer, Jahrgang 1922, praktizierte 30 Jahre als Chirurg in Sarasota, Florida, und war dort maßgeblich an der Gründung der „Mary Selby Botanical Gardens“ beteiligt. Mit der Eröffnung dieser Gärten 1975 tauschte er das Skalpell mit der Lupe des Wissenschaftlers sowie mit Bleistift und Aquarellfarben und frönte fortan seiner größten Leidenschaft, den Orchideen.

Seine Methode: erst detailliert zeichnen, dann gründlich vergleichen und schließlich systematisch zuordnen – oder, wenn keine Übereinstimmung zu finden ist, als neue Art beschreiben. Besonders angetan haben es ihm die Pleurothalliniden, eine Gruppe von etwa 4.000 Orchideen der neuweltlichen Tropen mit oft winzigen Blüten. Sie kommen vor allem in Bergregenwäldern als Epiphyten, also Aufsitzerpflanzen vor. Passend zu den dort besonders reichlich fallenden Niederschlägen haben sie unverdickte Stängel, während epiphytische Orchideen sonst meist verdickte Stängel als Wasserspeicher besitzen, sogenannte Pseudobulben.

Die Schlangenkopf-Zwergrestrepie aus Mittelamerika wurde 1838 als Pleurothallis ophiocephala wissenschaftlich beschrieben. Mit ihren nur etwa 2 cm großen Blüten ist sie schon eine recht stattliche Pleurothallinide. Zwei der drei äußeren Blütenblätter sind miteinander verwachsen, während die übrigen Blütenteile viel kleiner sind, wodurch der Eindruck eines angriffsbereit drohenden Schlangenmauls entsteht (ophiocephala = schlangenhäuptig). Sie wird vermutlich von (furchtlosen) Fliegen bestäubt. Die gelben Blüten sind mit einem aparten dunkelroten Fleckenmuster überzogen, es gibt aber auch rein gelbe Formen.

Aufgrund von Besonderheiten im Blütenbereich wurde für die diese Pflanze und einige ähnliche Arten in den 1960er Jahren die Gattung Restrepiella geschaffen („kleine Restrepia“, diese wiederum benannt nach dem spanischen Südamerikaforscher Restrepo). Wenig später erkannte Luer jedoch die Verschiedenheit innerhalb diese Gruppe und beließ nur unsere Art in Restrepiella, während er für die übrigen zwei neue Gattungen aufstellte. Diese Gliederung hat im Grunde bis heute Bestand, wie auch 9 der 15 weiteren Gattungen Luers, die er zwischen 1976 und 2000 postulierte.

2001 veröffentlichte ein kleines britisch-mexikanisches Autorenteam eine Studie zu den Abstammungsverhältnissen der Pleurothalliniden und leitete daraus eine überarbeitete Klassifikation der Gruppe ab. Sie beruht auf der Analyse von 3 Genen in 185 Arten, deren Grundstruktur (Basenfolge im Gen) rechnerisch miteinander verglichen wurde. Obwohl die meisten von ihm aufgestellten Gattungen und auch seine Fassung von Restrepiella bestätigt wurden, protestierte Luer in einem Fachartikel heftig dagegen, da je drei Gene aus 185 Arten keine sinnvolle Basis für die Reklassifizierung von 4.000 Arten mit hunderten von Genen (und Dutzenden sonstigen Eigenschaften) seien. Das Vorgehen der Genetiker, die von ihm so sorgfältig erfassten Merkmale einfach beiseite zu lassen, muss ihm enorm zugesetzt haben. In der Folge stellte er weitere rund 60 neue Gattungen für die Gruppe auf. Diese fanden in der Fachwelt allerdings bis heute praktisch keinerlei Anerkennung.

Davon unberührt blüht die Schlangenkopf-Zwergrestrepie jetzt im Orchideenhaus des Botanischen Gartens.

Restrepiella ophiocephala
Foto: M. Burkart
Restrepiella ophiocephala