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Photo: M. Burkart
Scilla sibirica

Humboldts Himmelblau

Der Sibirische Blaustern

Die Größe Osteuropas wird leicht unterschätzt. Von Berlin nach Paris oder London sind es keine 1.000 Kilometer Luftlinie, nach Moskau jedoch über 1.600 und von dort bis zum Ural, der Ostgrenze Europas, noch einmal 1.200. Erst dahinter beginnt Sibirien, das sich weitere 7.000 Kilometer nach Osten bis zum nördlichen Pazifik erstreckt.

Alexander von Humboldt kehrte 1804 im Alter von fast 35 Jahren von seiner amerikanischen Forschungsreise zurück, im Gepäck Steine und getrocknete Pflanzen, vor allem aber Daten. So hatte er mit einem sogenannten Cyanometer die Bläue des Himmels gemessen. Er war nun weltberühmt, unter anderem als Halter des absoluten Höhenrekords im Bergsteigen, am Chimborazo im heutigen Ecuador. Der Andenvulkan galt damals als höchster Berg der Welt, aber Humboldt wusste, dass es auch in Zentralasien hohe Gebirge gab. Diese wollte er so bald wie möglich vergleichend studieren.

Der Sibirische Blaustern (Scilla siberica) kommt gar nicht in Sibirien vor, sondern von Persien und der Türkei über den Kaukasus, das siebthöchste Gebirge der Welt, bis in den europäischen Teil Russlands. Aber so genau ließ sich das 1804 noch nicht differenzieren, als die Pflanze in England erstmals wissenschaftlich beschrieben, benannt und abgebildet wurde, just im Jahr von Humboldts Rückkehr. Die Zwiebelpflanze mit dem intensiven Blauton ihrer Blüten wird seitdem als Frühlingsbote geliebt. Spätestens 1821 wuchs sie auch im Berliner Botanischen Garten, damals noch in Schöneberg, der für den jugendlichen Alexander ein Schlüssel der Motivation für Reisen in exotische Länder gewesen war.

Zurück aus Amerika, blieb Humboldt allerdings lieber in Paris und besuchte Berlin so selten wie möglich, ehe er 1827, fast 23 Jahre später, aus finanziellen Gründen doch wieder dorthin übersiedeln musste. Nun hatte er aber endlich die Einladung des russischen Finanzministers zu einer Forschungsreise nach Sibirien in der Tasche. Er war sehr glücklich, denn in der Zwischenzeit hatten sich etliche Anläufe für eine Asienreise zerschlagen. Im Alter von fast 60 Jahren startete Humboldt schließlich im Frühling 1829 von Berlin in Begleitung eines Mineralogen, eines Botanikers und eines Jägers. In Kutschen legten sie über 15.000 Kilometer zurück und waren schon kurz nach Weihnachten desselben Jahres zurück, nachdem sie in Baty im Altaigebirge, dem vierzehnthöchsten der Welt, bis an die mongolisch-chinesische Grenze gelangt waren, noch sehr weit weg vom Himalaya. Aber auch diese Reise war für Humboldt mit Gesteinsproben, getrockneten Pflanzen und Notizbüchern voller Messwerte und Beobachtungen überaus ergiebig. Der Vergleich der asiatischen mit den amerikanischen Daten ermöglichte ihm erst, sein berühmtestes Werk (fast) fertigzustellen, den „Kosmos“ – der letzte Band erschien posthum 1862. Auch im „Kosmos“ finden sich noch, neben vielem anderen, Erörterungen zur Farbe Blau.

Photo: M. Burkart
Scilla sibirica