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Solarzellen: die nächste Generation – Ein Besuch im Labor des Physikers Dieter Neher

Sonnenlicht ist überall auf der Welt verfügbar und lässt sich emissionsfrei nutzen. Von allen nachhaltigen Technologien gilt die Photovoltaik – die direkte Umwandlung von Sonnenenergie in elektrischen Strom – als die günstigste. Unter Hochdruck wird daran gearbeitet, ihre Effizienz zu steigern. In der Solarzellenforschung ist Deutschland Weltspitze, insbesondere bei den auf Kohlenwasserstoffverbindungen basierenden organischen Solarzellen, dem Spezialgebiet von Prof. Dr. Dieter Neher. Seine Arbeitsgruppe gehört zu den international führenden in diesem Bereich. „Ich bin jemand, der gerne Rätsel löst“, sagt er. Bis organische Solarzellen im großen Maßstab verbaut und effektiv genutzt werden können, gibt es sicherlich noch einige knifflige Fragen zu beantworten.

Die Laborräume der Arbeitsgruppe „Physik und Optoelektronik weicher Materie“ befinden sich im obersten Stockwerk des Physikgebäudes auf dem Campus Golm. Gemeinsam mit zwei jungen Forschenden aus Indien geht es zunächst ins Präparationslabor. Sofort fallen die Handschuhkästen ins Auge, aus denen dicke schwarze Silikonhandschuhe herausragen. In den hermetisch abgeschlossenen Boxen können empfindliche Stoffe staubfrei und in einer künstlichen Atmosphäre – ohne Sauerstoff und Luftfeuchte – bearbeitet werden. Nun geht es an das sogenannte Schleuderbeschichten: „Wir mischen zunächst organische Halbleitermoleküle mit Lösungsmitteln“, erklärt Promotionsstudentin Manasi Pranav. „Die Lösung geben wir auf eine 2,5 mal 2,5 Zentimeter große Glasscheibe, die auf einer sich schnell drehenden Platte befestigt ist.“ Dadurch ist es möglich, die Glasscheibe mit einer sehr dünnen, nur 100 Nanometer hohen Halbleiterschicht zu überziehen. Zum Vergleich: Ein Haar ist etwa 700 Mal dicker.

Was in einer Solarzelle steckt

In den meisten Fällen müssen mehrere Schichten übereinandergestapelt werden, um eine gute Solarzelle zu bauen. Die erste besteht aus einem Polymer, das elektrisch sehr leitfähig ist und die Anode der Solarzelle bildet. Darauf kommt die aktive Schicht, die das Licht absorbiert und daraus freie Elektronen und freie Löcher im Halbleiter erzeugt. Den Abschluss bildet eine sogenannte Elektronentransportschicht, die dafür sorgt, dass die in der aktiven Schicht generierten Elektronen nur in eine Richtung fließen. So ist eine effiziente Umwandlung von Sonnenlicht in einen elektrischen Strom möglich. Die circa 100 Nanometer dünne Metallschicht, die die photogenerierten Elektronen sammelt und die Kathode bildet, wird im benachbarten Labor aufgebracht. Dort befindet sich ein thermischer Verdampfer, in dem ein Metall durch einen hohen elektrischen Strom erhitzt und verdampft wird. Die Metalldämpfe steigen nach oben und schlagen sich auf der zuvor hergestellten Multischichtstruktur nieder – die Solarzelle ist fertig.

Die Solarzelle wandert nun in einen weiteren Handschuhkasten – die Charakterisierungsbox. „Hier messen wir Ströme und kalibrieren die Zelle“, sagt Atul Shukla, der als Postdoc in der Gruppe von Dieter Neher forscht. Die Lichtquelle in der Box ist ein Sonnenlicht-Simulator, auf den die Solarzelle nun aufgesetzt wird. Je nach Beschichtungsmaterial unterscheiden sich die gemessenen Spannungen und Ströme, die an einem Bildschirm neben der Box in einem Diagramm abgetragen sind. „Im Modell können wir prüfen, ob unsere Messwerte theoretisch überhaupt möglich sind und ob der Kurvenverlauf mit der Mobilität der Ladungen vereinbar ist“, beschreibt Dieter Neher. Dabei interessiert ihn, ob das Ergebnis mit der Zusammensetzung der Bauteile erklärt werden kann.

„Wir wissen genau, was in den Bauteilen drin ist“, sagt er. Das ist die Besonderheit im Golmer Labor: Alle Einzelteile der Solarzellen werden hier hergestellt und gleichzeitig analysiert – ohne, dass die Gruppe auf andere Einrichtungen angewiesen ist. „Wir wollen die physikalischen Prozesse in den Solarzellen im Detail charakterisieren und verstehen“, betont Dieter Neher. „Unser Ziel ist in erster Linie, übergreifende Antworten für die Wissenschaftsgemeinde zu finden.“ Nicht umsonst zählt Neher zu den meistzitierten Forschenden weltweit, die jährlich vom US-Unternehmen Clarivate gelistet werden. Ein gutes Materialverständnis sei wichtig, so der Physiker, der lange am Max-Planck-Institut für Polymerforschung in Mainz gearbeitet hat. Daher legt er großen Wert auf eine gute Zusammenarbeit im Team: „Uns interessiert, wie die unterschiedlichen Messungen und Simulationen der Physiker, Chemiker und Materialwissenschaftler zusammenpassen. Dazu vernetzen wir uns regelmäßig bei Besprechungen, Konferenzen und in unserem Arbeitsgruppenseminar.“

Die Zelle zum Leuchten bringen

Mit dem zuvor kalibrierten Solarzellen-Prototyp geht es nun ins Laserlabor – für die Feincharakterisierung. Auf einem Messtisch befindet sich eine innen mit weißem Pulver beschichtete Kugel. In diese rundherum abgeschlossene Lichtquelle wird die Solarzelle eingebracht. Die Kugel ist mit einem Spektrographen und zwei Detektoren verbunden, die sowohl den sichtbaren Bereich des Spektrums als auch den nahen Infrarot-Bereich abdecken. „Man kann damit messen, wie viele Photonen von der Solarzelle absorbiert und wie viele wieder abgegeben werden“, sagt Atul Shukla. Daraus wird die sogenannte Quanteneffizienz der Photolumineszenz bestimmt, ein wichtiges Maß dafür, wie effektiv das einfallende Licht in Strom umgewandelt werden kann. Im selben Aufbau wird danach die Elektrolumineszenz der Solarzelle vermessen, also die Eigenschaft eines Halbleiters, bei angelegter Spannung Licht auszusenden. Die drei Forschenden formulieren das so: „Eine gute Solarzelle muss wie eine gute Leuchtdiode funktionieren.“

Mit anderen Aufbauten untersucht die Arbeitsgruppe, auf welchen Zeitskalen die Prozesse ablaufen, die aus der Absorption von Lichtquanten freie Ladungen und letztendlich einen elektrischen Strom erzeugen. Die Umwandlungsprozesse sind kompliziert und schwierig zu erfassen, sodass eine hohe Zeitauflösung von Nanosekunden (1x10-9 Sekunden) bis hin zu wenigen Femtosekunden (1x10-15 Sekunden) für diese Art von Messungen notwendig ist. „Mit unseren Versuchsaufbauten können wir die unterschiedlichen Zeitskalen abdecken, die den Wirkungsgrad der Solarzellen bestimmen“, hebt Dieter Neher hervor.
Gerade in den letzten Jahren hat die Forschung an organischen Solarzellen einen regelrechten Boom erlebt. Viele Gruppen haben inzwischen Wirkungsgrade von 20 Prozent und mehr erreicht. Außerdem haben organische Solarzellen viele Vorteile: Sie sind umweltfreundlich mit einem niedrigen CO2-Fußabdruck herzustellen, leicht und flexibel und damit für innovative Anwendungsbereiche geeignet. Vielversprechend sind auch Ansätze, organische Halbleiter mit anderen Halbleitermaterialien in sogenannten Tandem-Zellen zu vereinen. „Kombiniert man zum Beispiel eine organische und eine Perowskit-Solarzelle in einer Tandemzelle, lässt sich das Sonnenspektrum maximal ausnutzen und damit auch der Wirkungsgrad verbessern“, sagt Dieter Neher. Während die organischen Solarzellen auf Kohlenwasserstoffen basieren, handelt es sich bei den Perowskiten um eine Materialklasse mit derselben Kristallstruktur wie das Mineral CaTiO3, für das sich derzeit Forschende weltweit interessieren. Mit Organik-Perowskit-Tandemzellen lassen sich inzwischen problemlos Wirkungsgrade von 24 Prozent Effizienz und mehr bei nur einem Mikrometer aktiver Schichtdicke erreichen. „Strom aus Photovoltaik ist günstig, benötigt aber sehr viel Fläche – daher forschen wir daran, wie man die Effizienz der Module steigern kann“, fasst der Physiker zusammen. Einer nachhaltigen Energieversorgung würden wir damit einen Schritt näher kommen.


Licht besteht aus Photonen oder Lichtquanten, winzigen Energiepaketen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen. Sie besitzen sowohl Wellen- als auch Teilcheneigenschaften.


Ein Halbleiter besitzt sowohl Eigenschaften eines elektrischen Leiters als auch eines Nichtleiters. Beispiele sind die Stoffe Silizium oder Germanium. Wird der Halbleiter durch Energiezufuhr angeregt, lösen sich aus der Gitterstruktur negativ geladene Elektronen, die sich frei durch den Halbleiter bewegen können. Sie hinterlassen positiv geladene Elektronenlöcher.


Dieter Neher ist seit 1998 Professor für Physik und Optoelektronik weicher Materie an der Universität Potsdam.

 

Dieser Text erschien im Universitätsmagazin Portal - Eins 2025 „Kinder“.