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Wie halten Sie es mit der Mathematik? – Eine Ausstellung von Studierenden im IKMZ will die Faszination für ein polarisierendes Fach wecken

Mathematische Fomeln auf einer Tafel
Photo : Karla Fritze

Man liebt sie oder hasst sie: Die Mathematik lässt kaum jemanden kalt. Während die einen von der Perfektion im Reich der Zahlen schwärmen, erinnern andere sich mit Grausen an verlorene Stunden im Mathematikunterricht. Warum ist das so? Geht es auch anders? Angehende Mathematiklehrkräfte haben in einem Seminar eine Ausstellung erarbeitet, die von der „Faszination für Mathematik“ erzählen will. Im Februar und März ist sie in der Bibliothek auf dem Campus Golm zu sehen. Mathematikdidaktikerin und Initiatorin Inga Gebel erzählt, woher ihre Freude an der Mathematik kommt, wie sich die bei Schülerinnen und Schülern wecken lässt und warum sie die Ausstellung auf den Weg gebracht hat.

Hass oder Liebe, wie stehen Sie zur Mathematik?

Mein mathematischer Werdegang ist eher (aber nicht ausschließlich) von positiven Erfahrungen geprägt. Ich bin vielen Mathematiklehrkräften und -dozierenden begegnet, die das eigene Denken und Problemlösen angeregt haben. Stetiges Hinterfragen von Vermutungen und das „Verstehenwollen“ von Phänomenen sind meines Erachtens wesentliche Bestandteile mathematischer Tätigkeiten, die auch für andere Disziplinen wichtig sind, und mir Spaß und Freude bereiten. Zurzeit denke ich mehr über die Mathematikdidaktik nach und betreibe leider weniger Mathematik.

Warum polarisiert die Disziplin so stark?

Das ist schwer in wenigen Sätzen zu beantworten. Das mathematische Weltbild ist von vielen Faktoren beeinflusst, die auch unsere Meinung prägen. Mathematische Fähigkeiten und Fertigkeiten differieren enorm, siehe etwa die PISA-Studie von 2022, und dadurch auch die Haltungen. Wenn ich Erfolgserlebnisse sammele, indem ich mathematische Zusammenhänge verstehe, werde ich eher positive Assoziationen mit der Mathematik verbinden. Wenn mich mathematische Herausforderungen eher frustrieren, weil mir die Verbindungen und Argumentationen verborgen bleiben, werde ich die Disziplin wohl eher gegenteilig einschätzen. Besonders in der Mathematik ist, dass die Inhalte entsprechend des Spiralprinzips aufeinander aufbauen. Dadurch können sich frustrierende Erfahrungen vermehren, indem Unverstandenes auf spätere Themen übertragen wird, und eine negative Meinung zum Fach könnte sich langfristig festigen.

Die aktuellen PISA-Ergebnisse zeigen zudem, dass leider weiterhin auch interpersonelle Einflüsse – wie der sozioökonomische Hintergrund – große Auswirkungen auf die Mathematikleistung haben und dadurch wohl auch das Mathematikbild prägen. Zudem wird das Imageproblem des Faches einen Einfluss auf die polarisierenden Einordnungen haben. Seit Jahren ist es gesellschaftlich akzeptiert, sich als „Matheniete“ zu bezeichnen.

Die aus meiner Sicht größte Baustelle ist jedoch schlechter Mathematikunterricht, den leider immer noch viele Schüler:innen erleben und der zu negativen Erfahrungen führen kann. Schemarechnen, Auswendiglernen von unverstandenen Merksätzen, geschlossene Aufgabenformate sowie Leistungsdruck sollten vermieden werden.
Ein verständnisorientierter Mathematikunterricht mit einer positiven Fachkonnotation ist daher von besonderer Bedeutung – und gleichzeitig ist die Aufbereitung des Unterrichts wiederum von dem mathematischen Weltbild der Lehrkräfte abhängig.
 
Weshalb haben Sie die Ausstellung „Faszination Mathematik“ angeregt?

Ich habe die Vermutung, dass für eine langfristige Veränderung des gesellschaftlichen Mathematikbildes zunächst bei angehenden Mathematiklehrkräften die Faszination für ihr Fach geweckt werden muss. Unsere Studierenden haben recht unterschiedliche Begegnungen mit dem Fach gemacht und Mathematik nicht immer freiwillig als Studienfach gewählt. Unsere Veranstaltungen sind zwar generell auf eine Verständnisorientierung ausgelegt, aber in diesem Seminar sollten die Studierenden Raum und Zeit haben, sich mit eigenen, selbst gewählten Themen rund um die Mathematik auseinanderzusetzen. Über mehrere Wochen haben wir uns über ihre interessanten Beobachtungen und Erkenntnisse ausgetauscht. Einerseits bot sich eine Ausstellung an, um den Erkenntnissen einen physischen Raum zu geben, die Recherchen zu einem runden Abschluss zu bringen und zu würdigen. Andererseits sind die Themen nun auch für andere Personen zugänglich und können das Mathematikbild von Besuchenden erweitern.
 
Was ist zu sehen?

In einer Posterausstellung werden 16 verschiedene Themen präsentiert, die die Studierenden eigenständig und interessenorientiert ausgewählt und aufbereitet haben. Dabei geht es um Fragen wie: Wer macht eigentlich Mathematik? Was haben Mathematik und Musik gemein? Was ist für uns ästhetisch? Wie viel ist „unendlich“? Die Poster können auch unabhängig voneinander betrachtet werden, falls den Besuchenden die Menge an Informationen zu umfangreich ist.
 
Wer hat sie gemacht?

An der Ausstellung haben sich 24 Masterstudierende des Primarstufenlehramts Mathematik oder der Inklusionspädagogik beteiligt. In einem Seminar ging es zunächst darum, ihr Bild der Mathematik zu reflektieren, indem wir mittels interessanter Texte und Impulse – unter anderem einen Gastvortrag und eine Exkursion – verschiedene Sichtweisen auf die Mathematik diskutiert haben. Anschließend haben die Studierenden ihre eigenen Schwerpunkte gewählt und eigenständig aufgearbeitet.
 
Was macht sie besonders?

Neben dem besonders relevanten Thema und den besonders spannenden Postern ist wohl die besondere Entstehung der Ausstellung herauszustellen. Die Studierenden haben die Ausstellung in demokratischen Prozessen eigenständig organisiert. Es gab mehrere gegenseitige Feedbackschleifen zu den Postern, es wurde verhandelt, wie gegendert wird, wie das Posterlayout aussehen soll und wie die Ausstellung beworben wird – bis am Ende ein Produkt entstanden ist, mit dem sich alle identifizieren können. Auch für die weitere berufliche Laufbahn könnte diese Erfahrung einprägsam sein und Hemmschwellen abbauen, mit Schüler:innen Ausstellungen zu organisieren.
 
Wer sollte sie sich ansehen?

Alle Personen, die offen für die Fachfaszination von Mathematikstudierenden sind und ggf. auch ihre eigene Faszination erweitern möchten, sollten die Ausstellung besuchen. Anspruchsvolle mathematische Vorkenntnisse sind nicht erforderlich. Sowohl Mathematik-Interessierte als auch Personen, die eher negative Begegnungen mit der Mathematik gesammelt haben, werden mit dieser Ausstellung abgeholt.
 
Haben Sie noch Tipps für einen Besuch? Taschenrechner mitbringen?

Im Gegensatz zu anderen Mathematikausstellungen, die an Schüler:innen gerichtet sind, wie zum Beispiel das Mathematikum in Gießen, handelt es sich weniger um eine Ausstellung mit Exponaten „zum Anfassen“ als eine mit Anregungen „zum Nachdenken“. Anderes wäre in einem Semester tatsächlich zu ambitioniert. Dennoch waren die Studierenden sehr bemüht, aktivierende Elemente zu berücksichtigen. Ich empfehle daher allen Besuchenden, mit etwas Zeit die Ausstellung zu besichtigen und ein internetfähiges Endgerät und Kopfhörer mitzubringen.

 

Mehr zur Ausstellung: https://www.uni-potsdam.de/de/veranstaltungen/detail/2024-01-31-faszinierende-mathematik