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Was Sprachen über Sprache verraten – Die Linguistin Doreen Georgi erforscht grammatische Strukturen rund um die Welt

Prof. Doreen Georgi. Foto: Karla Fritze.
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Prof. Doreen Georgi. Foto: Karla Fritze.

Sprache ist eines der vielseitigsten Instrumente, das Menschen haben. Zu verdanken hat sie dies ihrer Variabilität, die sich auf allen Ebenen finden lässt – von der Aussprache bis zur Wortstellung im Satz. Doch auch die sprachliche Flexibilität hat Grenzen. Und gerade die sind für Sprachwissenschaftler besonders interessant. Stellen sie doch sicher, dass wir mehr oder weniger die gleiche Sprache sprechen. Doreen Georgi ist Juniorprofessorin für Variation und Variabilität Grammatischer Systeme und Mitglied im Sonderforschungsbereich „Die Grenzen der Variabilität in der Sprache“ (1287). In ihrem Teilprojekt untersucht sie, ob verschiedene Sprachen gemeinsame Grenzen haben. Und ob sich daraus Hinweise für eine universelle Grammatik ableiten lassen.

„Sprache variiert stark. Das muss sie auch, sonst könnten wir mit ihr nicht all das ausdrücken, was wir sagen wollen“, sagt Doreen Georgi. „Aber sie variiert nicht wild. Es gibt Regeln und Grenzen, die nicht gebrochen werden.“ Wie alle Projekte im neuen SFB 1287 versucht die Linguistin ein Puzzleteil zur genaueren Beschreibung dieser Grenzen beizusteuern. Das Besondere: Sie schaut nicht auf eine, sondern Dutzende Sprachen aus allen Teilen der Welt. „Wir wissen schon, dass Sprachen auf abstrakter Ebene universell funktionieren. Einiges ist fix.“

Diesen übergreifenden Strukturen ist die Sprachwissenschaftlerin auf der Spur. Anhand einiger ausgewählter grammatischer Phänomene will sie solche allgemeinen Regeln identifizieren und beschreiben, die es in mehreren Sprachen gibt. Das Fernziel – der sprachwissenschaftliche Traum einer universellen Grammatik – sieht sie dabei weniger als Goldenes Regelbuch. Vielmehr würde man darin beschreiben, wie sich vorhandene Regeln in den einzelnen Sprachen zueinander verhalten: „Beschränkungen gibt es in allen Sprachen. Aber sie sind unterschiedlich gewichtet. Manche kann ich hier verletzen, andere dort“, erklärt die Forscherin. Eine universelle Grammatik wäre denkbar als Zusammenstellung verbreiteter Regeln. „Also etwa: Das sind meine zehn Regeln – und je nachdem, welche davon in einer Sprache als unverletzbar gelten, ergibt sich eine bestimmte Grammatik.“

Ein Phänomen in vielen Sprachen 

Zu den Phänomenen, die Doreen Georgi sprachübergreifend unter die Lupe nimmt, zählen sogenannte Extraktionsasymmetrien. In den meisten Sprachen lassen sich Teile von Sätzen an verschiedene Stellen im Satz verschieben. Steht ein Satzteil an einer anderen als seiner normalen Position, sprechen Sprachwissenschaftler von Extraktion. Wenn aus dem Aussagesatz „Der Mann sieht die Frau.“ eine Frage – „Welche Frau sieht der Mann?“ – wird, rutscht das Fragewort an den linken Rand. In vielen Sprachen lässt sich diese Verschiebung mit einigen Satzteilen leichter durchführen als in anderen. So ist häufig die Extraktion von Subjekten schwieriger als die von Objekten. Ein Phänomen, das als Extraktionsasymmetrie bezeichnet wird. Dabei ist Subjektextraktion nicht nur seltener, sondern in vielen Sprachen auch nur mit speziellen morphologischen Markierungen möglich. „Immer macht das Subjekt Probleme“, sagt Doreen Georgi und lacht. „Warum, das fragen sich Linguisten schon lange. Ich hoffe, wir können das klären.“ 

Besonders spannend sind für Georgi zudem Sprachen, die unterschiedliche Asymmetrien aufweisen. Beispielsweise kann man im Deutschen problemlos ein Subjekt erfragen, also: „Wer sieht den Mann?“ Aber die Maya-Sprache Kaqchikel lässt eine solche Frage nicht zu. Und während sich das Subjekt im Deutschen sehr leicht innerhalb des Satzes anderswo platzieren lässt, steht es im Englischen immer an derselben Stelle. „Wir wollen Sprachen mit verschiedenen Asymmetrien untersuchen und klären: Gibt es etwas, eine Art Regel innerhalb einer mentalen Grammatik, die die Subjektextraktion grundlegend erschwert?“, fragt die Forscherin. Doreen Georgi hat sich das Ziel gestellt, möglichst viele unverwandte Sprachen in die Untersuchung einzubeziehen. Im Idealfall rund 30 von fast allen Kontinenten: Berber- und Bantusprachen aus Afrika, Maya-Sprachen aus Amerika, Türkisch, italienische Dialekte, auch asiatische Sprachen. Allein Australien bleibt außen vor. Ob sie die Sprachen auch selbst spricht? „Nein“, sagt sie lachend. „Man kann Sprachen untersuchen, ohne sie selbst zu sprechen. Auch wenn ich viele Sprachen, zu denen ich schon geforscht habe, sehr spannend finde.“ 

Begeisterung für sprachliche Vielfalt

Typologie, also der vergleichende Blick auf Sprachen, ist schon lange Doreen Georgis Steckenpferd. Und nun auch ihre Berufung. „Ich fand es immer schon großartig zu sehen, was für sprachliche Variationen es auf der Welt gibt. Dinge, die wir aus unserer Sprache nicht kennen und nicht für möglich halten würden“, sagt die Sprachwissenschaftlerin begeistert. So lasse die Maya-Sprache Kaqchikel zwar die Frage nach dem Subjekt nicht zu, die nach Subjekt und Objekt hingegen schon, zum Beispiel: Wer hat wen gesehen? In anderen Sprachen werden grammatische Eigenschaften allein durch eine Veränderung der Tonhöhe des Verbs ausgedrückt – wie etwa die Verneinung im Igbo, das in Nigeria gesprochen wird. „Aber mehr noch fasziniert mich, dass wir mithilfe von theoretischen Modellen in dieser scheinbar wilden Vielfalt Regeln und eine Ordnung erkennen können.“ Dem wollte Doreen Georgi schon früh als Forscherin nachgehen. Teil ihres Berufungsverfahrens war es, ein eigenes Projekt für den SFB zu konzipieren. Kaum in Potsdam angekommen, machte sie sich daran, die Skizze auszubauen. Dass die Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG) den SFB dann tatsächlich bewilligte, ist auch für Georgi ein Glück – und der eigentliche Startschuss für das Projekt.

Gemeinsam mit einem Postdoc und zwei studentischen Hilfskräften durchforstet sie nun die Forschungsliteratur, unzählige Grammatiken von Sprachen überall auf der Welt. Daraus entwickelt das Team anschließend einen Fragenkatalog für den empirischen Teil der Untersuchung. „Wir tragen unterschiedliche Faktoren zusammen, von denen wir wissen, dass sie in manchen Sprachen Extraktion beeinflussen“, erklärt Georgi. Mit diesem Fragebogen werden anschließend möglichst viele Sprecher aller ausgewählten Sprachen befragt. Sie sollen helfen, die Ergebnisse der theoretischen Analyse zu belegen und miteinander zu verknüpfen: In welchen Sprachen gibt es diese Phänomene tatsächlich? Unter welchen Bedingungen treten sie auf? Und lassen sich Parallelen zwischen den Sprachen feststellen? Die Ergebnisse werden dann zeigen, was die identifizierten Regeln verbindet, was sie trennt und ob sich sogar allgemeine Muster erkennen lassen. In einem zweiten Schritt möchte Doreen Georgi untersuchen, ob und inwiefern sich die Parameter gegenseitig beeinflussen. „Das wäre ein weiterer Baustein für eine bessere Beschreibung davon, wie Sprache funktioniert – überall auf der Welt.“

Die Wissenschaftlerin

Prof. Dr. Doreen Georgi studierte Sprachwissenschaft und Romanistik an der Universität Leipzig, wo sie auch promovierte. Seit 2017 ist sie Juniorprofessorin für Variation und Variabilität Grammatischer Systeme an der Universität Potsdam und Leiterin des Teilprojekts „C05: Die Grenzen der Variabilität bei Extraktionssymmetrien“ im SFB 1287.

Das Projekt

Das Projekt „Die Grenzen der Variabilität bei Extraktionsasymmetrien“ ist Teil (C05) des SFB „Die Grenzen der Variabilität in der Sprache“ (1287).
Förderung: Deutsche Forschungsgemeinschaft (DFG)
Laufzeit: 2017–2021
https://www.uni-potsdam.de/sfb1287/

Text: Matthias Zimmermann
Online gestellt: Alina Grünky
Kontakt zur Online-Redaktion: onlineredaktionuni-potsdamde