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Bedrohte Mendesantilopen

Forschung an Berliner Museumssammlung unterstreicht Notwendigkeit des Schutzes der Mendesantilope

Die stark vom Aussterben bedrohte Mendesantilope kam früher in großer Zahl in der Sahara vor. Heute ist sie in freier Wildbahn auf wenige, anfällige Populationen beschränkt. Ein internationales Forscherteam unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin und der Universität Potsdam hat historisches Sammlungsmaterial untersucht. Ihre im Journal Genes  publizierte Arbeit zeigt, dass die Mendesantilope früher über die gesamte Sahara verbreitet war, bevor ihre Anzahl und möglicherweise auch ihre genetische Diversität durch menschlichen Einfluss stark reduziert wurde. Dies unterstreicht die Bedeutung von musealen Sammlungen für stark gefährdete, in freier Wildbahn fast ausgestorbene Arten.

Für Arten am Rande des Aussterbens ist es von großer Bedeutung, dass ihre genetische Vielfalt charakterisiert wird, um Schutzbestrebungen und Auswilderungsmaßnahmen koordinieren zu können. Die Addax oder Mendesantilope (Addax nasomaculatus), eine nordafrikanische in der Sahara lebende Antilope, ist eines der am besten an aride Bedingungen angepassten Huftiere und kam früher in großer Zahl in der gesamten Sahelo-Sahara Region westlich des Nils vor. Seit dem 19. Jahrhundert hat sie 99 % ihres früheren Verbreitungsgebietes eingebüßt und ist derzeit, mit geschätzt weniger als 100 Tieren in freier Wildbahn (Tausende leben in Zoos und auf privaten Ranches), eine der am stärksten bedrohten großen Säugetierarten weltweit. Sie ist heute vor allem durch Jagd und Habitatverlust stark bedroht. Dennoch ist über die Evolutionsgeschichte dieser stark an Trockenheit angepassten Antilope fast nichts bekannt.
Für Tierarten, die in der freien Wildbahn derart bedroht sind, stellen museale Sammlungen die einzige Quelle für historisches Sequenzmaterial dar. Proben, die über die letzten 200 Jahre, vor dem Einsetzen des Bevölkerungswachstum und der Industrialisierung, gesammelt wurden, geben Einblicke in die genetische Diversität von Arten.  
Das Museum für Naturkunde Berlin (MfN) verfügt über eine umfangreiche Sammlung an afrikanischen Hornträgern, von denen zehn Mendesantilopen-Exemplare aus ihrem gesamten früheren Verbreitungsgebiet nun von einer internationalen Forschergruppe unter Leitung des Museums für Naturkunde Berlin und der Universität Potsdam genetisch sequenziert wurden.
„Sowohl die mitochondriale als auch die nukleäre Diversität der Mendesantilope ist vermutlich geringer als bei anderen afrikanischen Hornträgern“, sagt Hauptautorin Elisabeth Hempel, Doktorandin am MfN und der Universität Potsdam. „Die historischen Proben erlauben beispiellose Einblicke in die Biologie dieser einzigartigen Art und zeigen deutlich, dass die Mendesantilope vor der Beeinträchtigung durch Menschen eine große Mobilität über die gesamte Sahara besaß,“ fügt Faysal Bibi an, Wissenschaftler am MfN und Mitbetreuer der Studie. Diese Ergebnisse zeigen, dass Genfluss und eine große Mobilität über ein großes geographisches Gebiet Schlüsselelemente für Mendesantilopen waren, und möglicherweise kritische Faktoren für den Erfolg des Erhalts der Art und von Auswilderungsprojekten darstellen.
Die Analyse des ersten Kerngenoms eines Zootiers der Mendesantilope ergab eine fast beständige Abnahme der Populationsgröße über die letzten 30.000 Jahre. Ähnliche Rückgänge in Populationsgrößen sind von anderen großen Säugetieren während dieser Zeit (Spätes Pleistozän) bekannt und könnten mit dem Klimawandel zusammenhängen. Ein Vergleich der mitochondriellen Genome von Zootieren aus Frankreich und Deutschland legt nahe, dass die genetische Diversität von Zoopopulationen deutlich geringer sein könnte, als sie noch in der jüngeren Vergangenheit in Wildpopulationen war. Dennoch ergab die Untersuchung des Tieres aus dem Berliner Tierpark keine oder nur geringe Anzeichen von Inzucht, trotz der Hinweise auf eine verminderte mitochondrielle Vielfalt im Vergleich zu historischen Zeiten. Dies sind gute Neuigkeiten für Auswilderungsprojekte von Zootieren.
Die Forschenden drängen auf konzentrierte Aktionen zum Erhalt der verbleibenden Vielfalt der Mendesantilope, um diese vor dem nahenden Aussterben zu schützen, wie sie bereits von der International Union for the Conservation of Nature (IUCN) empfohlen werden.

Publikation: Hempel E, Westbury MV, Grau JH, Trinks A, Paijmans JLA, Kliver S, Barlow A, Mayer F, Müller J, Chen L, Koepfli K-P, Hofreiter M, Bibi F. Diversity and Paleodemography of the Addax (Addax nasomaculatus), a Saharan Antelope on the Verge of Extinction. Genes. 2021; 12(8):1236. https://doi.org/10.3390/genes12081236

Kontakt: Elisabeth Hempel, Leibniz-Institut für Evolutions- und Biodiversitätsforschung, Museum für Naturkunde Berlin, und Institut für Biochemie und Biologie der Universität Potsdam, E-Mail: Hempel.Elisabeth@posteo.org

Veröffentlicht

Online-Redaktion

Stefanie Mikulla