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Smart City Potsdam – Studierende der Universität Potsdam zeigen, wie Unternehmen öffentlich zugängliche Daten nutzen können

Daten, überall Daten. Eine Stadt wie Potsdam besteht – durch die passende Brille betrachtet – aus Unmengen von Informationen. Dank der Digitalisierung werden diese zunehmend in Echtzeit erhoben und inzwischen auch teilweise für alle zugänglich gemacht. Auf der Urbanen Datenplattform (UDP) bereiten die Stadtwerke Potsdam Informationen zu Wetter und Wasser, Verkehr aller Art und zum Wohnen auf: Live-Messungen von Bodenfeuchte und Verkehrsaufkommen, Statistiken zu Wohnungstypen in der Stadt oder straßengenaue Informationen zu E-Ladesäulen und Radwegen, alles schon verfügbar. Aber was lässt sich damit eigentlich anfangen? Ist Potsdam wirklich auf dem Weg zur Smart City oder sind die Datensätze bislang nicht mehr als eine nette Spielerei?

Der Wirtschaftsinformatiker Dr. Edzard Weber von der Universität Potsdam kennt das Potenzial, das in umfassenden Datensammlungen steckt, und will seinen Studierenden diesen Wert vermitteln. Seit einiger Zeit lässt er sie in seinen Lehrveranstaltungen Ideen entwickeln, wie sich die Daten des UDP gewinnbringend verwerten lassen – und zwar sowohl ökonomisch als auch gesellschaftlich. „Die Studierenden schlüpfen in die Rolle von Unternehmen, öffentlichen wie privaten, größeren, aber auch ganz kleinen, und suchen dann nach Wegen, die Datenbanken des UDP für deren Geschäftsmodell zu nutzen“, erklärt der Wissenschaftler. Dabei durchlaufen sie einen kompletten Entwicklungsprozess: von der ersten Idee über den Businessplan, die technische Datenauswertung und -modellierung bis zur Programmierung einer Benutzeroberfläche, etwa einer App, für Anwender und Kunden. Allein im vergangenen Semester haben sich 23 Studierende an einem Prototyp versucht. Sie optimieren die Verfügbarkeit von Leihrädern, ermöglichen bürgerschaftliches Engagement bei der Wasserversorgung von Stadtbäumen, sorgen für eine intelligente Instandhaltung von Spielplätzen oder ermöglichen eine smarte Müllentsorgung. All das mit vergleichsweise geringem Aufwand.

 

Studierende entwickeln Geschäftsideen

Wie beim „Gieß Game“ von Danilo Neubern, „eine Gamification App, die Bürgerinnen und Bürger dazu motivieren und befähigen soll, sich um die Vegetation der Stadt zu kümmern und die Gesundheit der Stadtbäume zu überwachen“. Dafür wertet er die Informationen von Sensoren aus, die neben etlichen Potsdamer Bäumen in der Erde stecken und erfassen, wie gut diese mit Wasser versorgt werden. Die App integriert Spielelemente wie Erfolge, Level und Punkte, um die Teilnahme zu fördern. Und durch Sponsoring können Firmen eigene Bäume und besondere Anreize einbringen – für Neubern die Chance für Kooperationen zwischen öffentlichem und privatem Sektor.

Mobina Naserizadeh hat mit ihrem Projekt „SmartPlayCare Potsdam“ ein Monitoring- und Wartungssystem für Spielplätze geschaffen. Dafür wertet sie Geo- und Statistikdaten zu Parks, Einwohnergruppen sowie Grundschuleinzugsgebieten in Potsdam aus, um Spielplätze mit hoher Nutzung oder in kinderreichen Gebieten zu identifizieren. „So kann die Stadt gezielter planen, wann und wo Wartungsarbeiten notwendig sind“, erklärt die Studentin. Und auch sie will Menschen die Möglichkeit geben mitzuwirken – „mit einer Bürgerbeteiligungsplattform, über die Schäden direkt vor Ort über einen QR-Code gemeldet werden könnten“.

Umweltfreundliche Mobilität zu verbessern, hat sich Onur Günzel vorgenommen. Auch er wertet diverse Datensätze der UDP aus: Live-Infos zur Verfügbarkeit von Leihrädern an den Standorten, Verkehrszähldaten zur Analyse von Bewegungsmustern, aber auch Event- und Wetterdaten sowie Informationen zu touristischen Radrouten. Mit ihrer Hilfe können Fahrradverleiher besser planen, wie sie ihre Räder wann wo verteilen müssen, um den Bedarf optimal zu decken. Die Arbeit daran habe ihm „gezeigt, wie schnell digitale Lösungen für reale städtische Herausforderungen geschaffen werden können“, so Günzel.

 

Praxisluft mit Mehrwert

Um dieses Potenzial – für Firmen, aber auch die Stadtgesellschaft – vorzuführen haben neun der Studierenden ihre Ideen im Oktober 2025 im Potsdam Lab im Bildungsforum der Potsdamer Öffentlichkeit vorgestellt. „Wir wollten der Wirtschaftsszene der Stadt zeigen: Schaut mal, wie leicht es ist, mit öffentlich zugänglichen Daten und auch ohne große IT-Abteilung ein Geschäftsmodell zu entwickeln oder zu verbessern. Es tut nicht weh – und der Mehrwert ist enorm“, sagt Edzard Weber.

Eine Herzensangelegenheit ist die Projektarbeit mit Praxisbezug für Edzard Weber aber vor allem mit Blick auf seine Studierenden. Seit einigen Jahren schon bindet er in seine Lehrveranstaltungen solche Elemente ein. „Ich denke, Studierende der Wirtschaftswissenschaft sollten frühzeitig erleben, wie Wissenschaft in die Gesellschaft gelangt und dort Probleme löst oder Dinge verbessert – und sie müssen auch verstehen, wie wichtig es ist, ihre Forschung und ihre Erkenntnisse der Öffentlichkeit zu vermitteln. Menschen außerhalb der Universität ticken anders als Lehrende und müssen vorrangig von der Nützlichkeit überzeugt werden.“

Das Feedback seiner Studierenden gibt dem Wirtschaftsinformatiker Recht: „Manche sind überrascht davon, dass der Transfer in die Praxis so anders funktioniert als die Theorie im Studium – und ich sehe deutlich, dass die Studierenden erst lernen müssen, mit der ‚Außenwelt‘ zu kommunizieren.“ Aber jene, die dabeigeblieben sind, äußern sich begeistert. „Ich fand diese Art von praxisnaher Projektarbeit sehr spannend, weil sie direkt zeigt, wie Informatik und Datenanalyse einen echten Mehrwert für den Alltag schaffen können“, sagt Mobina Naserizadeh. Danilo Neubern betont, das Projekt stärke die Verbindung zwischen akademischem Lernen und realer Wirkung. „Studierende können dadurch Ideen erproben, die ihre Gemeinschaft direkt betreffen, und gleichzeitig ein tieferes Verständnis für Bürgersinn, Nachhaltigkeit und den Einsatz von Technologie zur Stärkung der Zivilgesellschaft gewinnen.“ Und auch Onur Günzel findet die praxisbezogene Arbeit mit realen Daten der Urbanen Datenplattform (UDP) extrem wertvoll und motivierend. „Sie schlägt eine wichtige Brücke zwischen Theorie und Berufswelt.“

Für Edzard Weber und seine Kollegen Grund genug, den Praxisbezug noch enger im Studium zu verankern. Mit einer neuen Studienordnung für Wirtschaftsinformatik sollen Studierende die Möglichkeit erhalten, aktiv an der Nachverwertung eigener, aber auch fremder Projekte mitzuwirken und die Ideen weiterzuentwickeln. „Dabei wird bewusst ein Raum geschaffen, in dem auch das Scheitern erlaubt ist, um wertvolle Erfahrungen zu sammeln und innovative Ansätze auszuprobieren“, so Weber. „Im Fokus stehen Initiativen und Projekte, die im universitären Kontext hier in Potsdam entstanden sind und weitergeführt werden können.“

Schon jetzt werden einige Seminarprojekte weiterentwickelt – wie das von Tobias Duda, der an einem Smart-Waste-System für die öffentlichen Mülleimer der Stadt arbeitet, inzwischen als Bachelorarbeit. Mithilfe von Sensoren, die den Füllstand der Behältnisse erfassen, lässt sich vorhersagen, wann sie voll sind und geleert werden müssen. Sogar das Abfallaufkommen pro Abteilung bzw. Müllsorte wird erfasst. „Damit kann etwa der Entsorgungsprozess effizienter zu gestaltet werden, was sich für das Unternehmen lohnt und die Umwelt entlastet“, so der Student. „Wie Unternehmen das am leichtesten umsetzen können, möchte ich gern weiterbearbeiten, etwa in meiner Masterarbeit.“

Auch für Edzard Weber geht die Arbeit mit den städtischen Daten eigentlich gerade erst los – und sie ist wichtig: „Wir machen mit unseren Projekten auch Werbung für die Datenplattform, denn wenn sich niemand findet, der die Daten vor Ort verwertet, kommt früher oder später ein ‚Big Player‘ von außerhalb, der solche Lösungen im großen Stil umsetzt – und das Geschäftsfeld besetzt.“

 

 

Urbane Datenplattform (UDP) Potsdam

Die Urbane Datenplattform ist das digitale Herzstück und der zentrale Datenmarktplatz der Smart City Potsdam, entwickelt und betrieben von den Stadtwerken Potsdam im Auftrag der Landeshauptstadt. Die UDP verarbeitet und visualisiert eine Vielzahl von Daten aus verschiedenen Bereichen. Mit dem Start des Testbetriebs stehen erste Daten zur Verfügung.
https://urbanedatenplattform-potsdam.de/

 

Weitere Informationen
Zu Dr. Edzard Weber: https://lswi.de/lehrstuhl/personen/wissenschaftliche-mitarbeiter/dr-rer-pol-edzard-weber
Zum Potsdam Lab: https://www.wis-potsdam.de/de/potsdam-lab-raum-moeglichkeiten